# taz.de -- Aufnahme von Flüchtlingen in Thüringen: Noch ein bisschen warten | |
> Thüringens Migrationsminister will bis zu 2.000 Menschen aus griechischen | |
> Flüchtlingslagern aufnehmen. Doch die SPD-Finanzministerin bremst. | |
Bild: Flüchtlinge aus dem Lager Moria gehen im Hafen von Piräus bei Athen an … | |
Berlin taz | Thüringens grüner Migrationsminister Dirk Adams will bis zu | |
2.000 besonders schutzbedürftige Geflüchtete von den griechischen Inseln | |
aufnehmen. So sieht es ein Entwurf für ein Landesaufnahmeprogramm vor, der | |
eigentlich an diesem Dienstag im Kabinett hätte beschlossen werden sollen. | |
Nun stand das Thema doch nicht auf der Tagesordnung – offenbar gibt es | |
Uneinigkeit in der rot-rot-grünen Koalition. | |
„Wir müssen noch einige Gespräche führen um Einigkeit herzustellen, | |
insbesondere mit dem Finanzministerium“, sagte Adams der taz. Ziel sei, das | |
Programm in der kommenden Woche zu beschließen. | |
Länder können aus humanitären Gründen eigene Aufnahmeprogramme für | |
bestimmte Personengruppen auflegen. Ein bekanntes Beispiel dafür ist die | |
Aufnahme von [1][vom IS verfolgten Jesidinnen in Baden-Württemberg]. Die | |
Schutzsuchenden erhalten einen humanitären Aufenthaltstitel. Sie müssen | |
dafür kein Asylverfahren durchlaufen. | |
Im [2][Thüringer Koalitionsvertrag] ist ein solches Programm für | |
unbegleitete minderjährige Flüchtlinge festgehalten. Der Entwurf des | |
Migrationsministers bezieht sich nun auf die akute Lage in Griechenland und | |
sieht die Aufnahme von allein reisenden Frauen, Schwangeren, | |
alleinstehenden Müttern und ihren Kindern sowie schwer erkrankten und | |
traumatisierten Menschen vor. | |
## „Katastrophale Bedingungen“ | |
In einer ersten Abstimmung der Ressorts habe „weitgehender Konsens“ über | |
das Vorhaben bestanden, heißt es in dem Entwurf, der der taz vorliegt. Es | |
handelt sich um eine Ende April nach einer ersten Kabinettsbefassung | |
aktualisierte Fassung, die für die Sitzung des Kabinetts am 5. Mai 2020 | |
datiert ist. | |
Darin heißt es, das Kabinett sei sich „seiner humanitären Verantwortung | |
bewusst.“ Es beschließe deswegen eine Landesaufnahmeanordnung, mit der bis | |
Ende 2023 bis zu 2.000 besonders Schutzbedürftige Personen nach Thüringen | |
kommen sollen. In einem ersten Entwurf war es noch um 500 Menschen | |
gegangen. | |
Von „katastrophalen humanitären Bedingungen“ in „drastisch überfüllten | |
Aufnahmelagern“ ist in dem Papier die Rede und von der zusätzlichen Gefahr | |
durch das Coronavirus. In Lagern für 7.500 Menschen seien 40.000 | |
untergebracht. Eine medizinische Versorgug oder adäquate Betreuung von | |
Minderjährigen oder besonders vulnerablen Schutzsuchenden könne „nur | |
unzureichend“ erfolgen. „Aus humanitärer Sicht besteht sofortiger | |
Handlungsbedarf.“ Weiterhin stellt das Papier klar: [3][„Die Aufnahme von | |
wenigen hundert Flüchtlingen durch Deutschland ist völlig unzureichend.“] | |
Das Bundesinnenministerium habe bereits seine ablehnende Haltung | |
mitgeteilt. Jedoch gebe es Rechtsauffassungen, wonach ein solches | |
Nichteinvernehmen bei einer begrenzten Aufnahme vulnerabler Gruppen durch | |
die Länder nicht gerechtfertigt sei. Es solle auf eine „einvernehmliche | |
Verständigung mit dem BMI hingewirkt werden“. | |
Nun aber stand die Aufnahmeanordnung doch nicht auf der Tagesordnung des | |
Kabinetts für Dienstag. Laut [4][Thüringer Allgemeiner] habe vor allem die | |
SPD bemängelt, dass Kosten und Unterbringung noch nicht geklärt seien. | |
Dabei behandelt der Entwurf auf fast zwei Seiten die Kosten des Programms | |
für Land und Bund. „Die Schwierigkeit ist, dass noch kein Land eine solche | |
Anordnung für die Menschen von den griechischen Inseln beschlossen hat und | |
wir die Kosten nicht exakt planen können“, sagte Migrationsminister Adams | |
der taz. | |
## „Das Programm darf nicht scheitern“ | |
Dazu würde man nun das direkte Gespräch mit dem SPD-geführten | |
Finanzministerium suchen. „Ich hoffe nicht, dass es sich hierbei um eine | |
politische Frage handelt und die SPD das Vorhaben insgesamt in Frage | |
stellt, sonst müssten wir einen Koalisitonsausschuss einberufen. Ich gehe | |
davon aus, dass es hier um ganz fokussierte Finanzfragen geht, die wir | |
zügig auf Ressort- und Chefebene lösen können“, sagte Adams. | |
Wichtig sei, möglichst schnell und möglichst unkompliziert so vielen | |
Menschen wie möglich zu helfen – im Rahmen dessen, was ein „kleines Land | |
wie Thüringen“ leisten könne. „Aber das Aufnahmeprogramm darf nicht | |
scheitern“, stellte Adams klar. | |
„Ob in [5][Berlin] oder Thüringen: Die Sozialdemokrat*innen kritisieren | |
Innenminister Seehofer für seinen Unwillen, Menschen aus den griechischen | |
Camps zu evakuieren. Aber wenn es darum geht, selbst Beschlüsse zur | |
Landesaufnahme vorzulegen, verzögern sie den Prozess“, kritisiert Felix | |
Burgsmüller von der [6][Seebrücke-Bewegung]. In Thüringen blockiere die SPD | |
„mit immer neuen Scheinargumenten“. | |
Die Länder hätten alle nötigen Kompetenzen. Natürlich müssten sie die | |
Kooperation mit dem Bund suchen. „Aber sie dürfen nicht länger darauf | |
warten, dass Horst Seehofer doch noch als Verteidiger des Asylrechts in die | |
Bresche springt“. | |
Auch Bundesentwicklungsminister Gerd Müller (CSU) hatte die [7][überfüllten | |
Flüchtlingslager auf den griechischen Inseln] am Dienstag als „Schande“ | |
bezeichnet. „Wir müssen allen Menschen in den Lagern helfen“, sagte er der | |
Rheinischen Post. | |
5 May 2020 | |
## LINKS | |
[1] /Frauen-aus-dem-Nordirak/!5560816 | |
[2] https://www.die-linke-thueringen.de/start/koalitionsvertrag-2020/ | |
[3] /Aufnahme-gefluechteter-Kinder/!5677699 | |
[4] https://www.thueringer-allgemeine.de/politik/migrationsminister-thueringen-… | |
[5] /Gefluechtete-aus-Moria-in-Berlin/!5679816 | |
[6] /Seebruecke-Protest-in-Berlin/!5678729 | |
[7] /CSU-Minister-klagt-ueber-Lage-in-Moria/!5682929 | |
## AUTOREN | |
Dinah Riese | |
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