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# taz.de -- Jugendliche Protestformen: Hungern als Trend
> Weil die Politik die Geflüchteten in Griechenland im Stich lässt, sind
> Jugendliche in der Pfalz in den Hungerstreik getreten. Eine gute Idee?
Bild: Kinder im Lager Moria, viele sind unterernährt
Am 29. April [1][starteten zwei Jugendliche in Landau die Aktion „Coloured
Rain“]. Sie traten in den unbefristeten Hungerstreik und fordern die
sofortige Evakuierung der Geflüchtetenlager in Griechenland und die
Aufnahme der Menschen in Deutschland.
Seitdem sitzen sie fast jeden Tag auf dem Rathausplatz der pfälzischen
Kleinstadt, singen, tanzen und [2][dokumentieren den Protest auf Instagram
und twitter]. Ihrem via Social Media verbreiteten Aufruf „auch dabei zu
sein“ haben sich mittlerweile weitere Jugendliche angeschlossen. Im
Hungerstreik sehen sie die letzte Möglichkeit, ihren Forderungen Ausdruck
zu verleihen.
Ist das so?
Dass Demonstrationen und Petitionen anscheinend nichts bringen, wird
deutlich, wenn die Bundesregierung die Aufnahme von 50 Kindern für eine
angemessene Reaktion auf die Situation an den europäischen Außengrenzen
hält. Ein Hungerstreik kann eine Strategie sein, weiße Privilegien zu
nutzen, um politische Forderungen durchzusetzen – denn wahrscheinlich ist
es tatsächlich so, dass deutsche Politiker*innen ein größeres Problem damit
hätten, wenn deutsche Jugendliche im Hungerstreik sterben als sie ein
Problem mit der Situation in Moria haben.
## Pathos und Inszenierung
Schüler*innen von Fridays for Future haben im vergangenen Jahr bewiesen,
dass alte Protestformen wie der Schulstreik, neu gebranded mit einer fetten
Social-Media-Kampagne versehen, plötzlich wieder ziehen; und medienwirksame
Proteste sind in Zeiten von Corona schwierig. Aber ist es wirklich
sinnvoll, wenn Jugendliche in Deutschland aufhören zu essen und daraus ein
Internet-Trend wird?
Ein Hungerstreik ist oft das letzte Protestmittel von Menschen, die keine
andere politische Plattform haben als ihren eigenen Körper zu bestreiken.
Am 7. Mai starb der Bassist der linken türkischen Folkband Grup Yorum,
Ibrahim Gökçek, an den Folgen seines 11-monatigen Hungerstreiks. Am 3.
April [3][war bereits die 28-jährige Grup Yorum-Sängerin Helin Bölek nach
288 Tagen Hungerstreik gestorben]. Mehrere Bandmitglieder sind immer wieder
inhaftiert und gefoltert worden.
Es geht nicht um die Frage, wer zum Hungerstreik berechtigt ist und wer
nicht. Es gilt aber zu hinterfragen, ob der Pathos und die mediale
Inszenierung von „Coloured Rain“ sein muss. Ob es angemessen ist,
Tagebucheinträge hochzuladen, in denen sie schreiben, dass sie „symbolisch
für all die Menschen in den Lagern leiden“ oder dass sie jetzt wüssten „w…
es ist zu hungern und niemanden interessierts.“
Die Jugendlichen schreiben darüber, welche Chai-Tees sie trinken und
bekommen dafür Herzen und Likes auf Instagram. Sie rücken sich in ihrer
privilegierten Position in den Vordergrund. Jetzt kann man sagen, dass die
Aktivist*innen eben noch jung seien und es doch nur gut meinen. „Gut
gemeint und schlecht gemacht“ ist allerdings ein tragender Bestandteil von
white charity-Aktivismus.
Vom Slogan „They need us“, den die Jugendlichen anfangs auf
Protestschildern in die Kamera hielten, haben sie sich mittlerweile
distanziert: Sie wurden darauf hingewiesen, in welch kolonialer Tradition
der Spruch und Gedanke steht. Vielleicht gilt es jetzt für sie auch nochmal
zu überdenken, ob „Hungern für Geflüchtete“ tatsächlich das beste
politische Mittel weißer Jugendlicher ist.
8 May 2020
## LINKS
[1] /Leavenoonebehind-in-Landau/!5679767
[2] https://www.instagram.com/cxlxured_rain/
[3] /Tod-der-Saengerin-Helin-Boelek/!5674681
## AUTOREN
Julia Wasenmüller
## TAGS
Lager
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Hungerstreik
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