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# taz.de -- Skandal um AfD-Sprecher Christian Lüth: Nazi-Opa bloß erfunden?
> AfD-Sprecher Lüth musste gehen, weil er sich wohl als Faschist sieht. Die
> Parteispitze will, dass er freigestellt bleibt. Jetzt gibt es neue
> Wirren.
Bild: Die Mitte zwischen Gauland und Meuthen ist ganz weit rechts
Berlin taz | Am Dienstagnachmittag, wenn die [1][AfD]-Bundestagsfraktion zu
ihrer Sitzung zusammenkommt, könnte es hoch hergehen. Denn auf der
Tagesordnung steht die Zukunft von Pressesprecher Christian Lüth, den
Fraktionschef Alexander Gauland vor anderthalb Wochen [2][von seinen
Aufgaben freigestellt hat]. Am Montag hatte bereits der Fraktionsvorstand
über Lüth beraten. Dort kam man nach Informationen der taz nach intensiver
Diskussion überein, dass die Freistellung zunächst bis zur Sommerpause
weiterbestehen soll. Für eine endgültige Entscheidung seien noch zu viele
Dinge ungeklärt.
Doch die Fraktion will das nicht einfach zur Kenntnis nehmen. Sie will
mitreden – und entscheiden. Lüth habe sich schließlich vor Jobantritt einer
Abstimmung der Fraktion stellen müssen, so die Begründung.
Hintergrund von Lüths Freistellung ist ein Whatsapp-Chat mit einer jungen
Frau, die Mitglied der stramm konservativen Werteunion sein soll – und je
mehr Details öffentlich werden, desto skurriler erscheint die Sache. In dem
Chat, der bereits vom Ende vergangenen Jahres datiert, soll Lüth sich als
„Faschist“ bezeichnet, seine „arische“ Abstammung gerühmt und sich pos…
auf seinen angeblichen Großvater bezogen haben, einen Korvettenkapitän, der
im Zweiten Weltkrieg als U-Boot-Kommandant der Kriegsmarine gekämpft hatte.
Dafür wurde er von Hitler mit dem Eisernen Kreuz geehrt.
Lüth soll, so heißt es in der AfD, auch anderen Personen stolz von seinem
Großvater erzählt haben. Doch dieser Mann, Wolfgang Lüth, ist anscheinend
gar nicht sein Opa. Das stellten direkte Nachfahren im Gespräch mit der
Zeit und dem Spiegel klar. Demnach war Wolfgang Lüth lediglich Christian
Lüths Großonkel. Warum dieser anscheinend einen Nazi-Opa erfand, ist nur
eine der offenen Fragen. Lüth selbst hat sich öffentlich bislang nicht
geäußert, auch eine Anfrage der taz ließ er unbeantwortet.
## Wer profitiert von Lüths Fall?
Unklar ist auch, in welcher Beziehung AfD-Fraktionssprecher genau zu der
Frau stand und wie es zu dem Chat gekommen ist. Zunächst hieß es, die Frau
habe sich bei der Fraktion beworben, doch das scheint nicht der Fall
gewesen zu sein. Am Ende jedenfalls landete der Chat mitsamt der Drohung,
ihn zu veröffentlichen, bei Gauland – der dann vor anderthalb Wochen die
Reißleine zog.
Lüth ist für Gauland nicht irgendeine Personalie. Der ehemalige FDP-Mann,
der für zwei Bundestagsabgeordnete und die Friedrich-Naumann-Stiftung
gearbeitet hat, kam schon 2013 zur AfD und hatte – zunächst als
Pressesprecher der Partei – stets ein Gespür dafür, wie sich das
Machtgefüge an der Spitze verschob. Gauland aber, dem mächtigen alten Mann
der AfD, war er immer verbunden – was sich 2017 auszahlte, als die Partei
in den Bundestag einzog. Teile der Fraktion wollten Lüth als Pressesprecher
verhindern, weil er als großspurig und unsolide galt und unter
JournalistInnen den Ruf hatte, nicht besonders zuverlässig zu sein. Doch
Gauland setzte ihn durch.
In Partei und Fraktion wird unterdessen munter darüber spekuliert, wer von
der Freistellung des Pressesprechers intern nun profitiert. Manche
Rechtsaußen in der Fraktion könnten die Personalie nutzen, um Fraktionschef
Gauland und seine Co-Vorsitzende Alice Weidel zu schwächen, ist zu hören.
Sie hatten bereits kurz vor Ostern gegen den Willen der Spitze eine
Sondersitzung der Fraktion durchgesetzt, weil sie unzufrieden mit dem
Corona-Kurs ihrer Führung waren.
Auch für Tino Chrupalla, der seit Dezember gemeinsam mit Jörg Meuthen an
der Spitze der Partei steht, könnte ein neuer Fraktionssprecher von Nutzen
sein, heißt es. Chrupalla hatte am vorvergangenen Wochenende die
Freistellung durch Gauland bestätigt, obwohl er als Fraktionsvize weder für
Medien noch für Personalfragen zuständig ist.
Aus der Fraktion ist zudem zu hören, dass völlig unklar sei, ob Lüth am
Ende wirklich gehen muss. Möglicherweise werde auch eine
„Anschlussverwendung“ gesucht. Ausgeschlossen wird aber auch nicht, dass
der Pressesprecher irgendwann auf seinen alten Job zurückkehren wird.
„Faschist“ hin oder her.
5 May 2020
## LINKS
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## AUTOREN
Sabine am Orde
## TAGS
Schwerpunkt AfD
Rechtsextremismus
Alexander Gauland
Faschisten
Lesestück Recherche und Reportage
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Tag der Arbeit, Tag der Proteste
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