# taz.de -- Prozess gegen IS-Rückkehrerin in Hamburg: Bloß den Haushalt gefü… | |
> Seit Montag steht die IS-Rückkehrerin Omaima A. vor Gericht. Die Witwe | |
> des Terroristen Denis Cuspert soll unter anderem eine Sklavin gehalten | |
> haben. | |
Bild: Was brachte sie dazu, mit ihren Kindern nach Syrien zu gehen? Omaima A. a… | |
HAMBURG taz | Der Prozess gegen Omaima A. vor dem Hamburger | |
Oberlandesgericht begann am Montag mit großem Rascheln und Poltern. Weil | |
wegen der Corona-Schutzmaßnahmen nur eine Handvoll Plätze im | |
Zuschauerbereich bereitgestellt wurde, gab es für die Berichterstattung | |
eine Tonübertragung in einen anderen Raum. Doch das Interesse war groß: Die | |
heute 35-jährige Angeklagte soll sich 2015 dem sogenannten Islamischen | |
Staat angeschlossen haben. A. ist die Witwe von Denis Cuspert, des wohl | |
bekanntesten deutschen IS-Terroristen. Nach ihrer Rückkehr 2016 lebte sie | |
zunächst unbehelligt in Hamburg. | |
Technisch einwandfrei funktionierte die Übertragung nicht – mal versagte | |
die Verbindung, mal vergaßen die Verhandlungsteilnehmer*innen, deutlich | |
ins Mikrofon zu sprechen. Die Vorwürfe, die die Bundesanwaltschaft zu | |
Beginn der Verhandlung aufzählte, haben es in sich: Sie wirft der | |
Angeklagten die Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung vor. In | |
Mails an Freund*innen in Deutschland soll sie, so der Bundesanwalt, | |
„positiv von ihrem Leben in Syrien und werbend für den IS berichtet haben“. | |
Omaima A. soll in Syrien ein nach dem Kriegswaffenkontrollgesetz verbotenes | |
Sturmgewehr besessen haben. Zudem soll sie eine vom IS als Sklavin | |
gehaltene 13-jährige Jesidin in ihrem Haushalt beschäftigt haben. Deshalb | |
wird gegen die gebürtige Hamburgerin auch wegen Menschenhandels und | |
Verbrechens gegen die Menschlichkeit verhandelt. | |
Im Jahr 2015 reiste A. über Frankfurt am Main und Istanbul in die vom IS | |
beherrschten Gebiete in [1][Syrien]. Sie nahm ihre drei zwischen acht | |
Monaten und acht Jahren alten Kinder mit – weshalb ihr auch Verletzung der | |
Fürsorge- und Erziehungspflicht ihrer Kinder vorgeworfen wird. Zu diesem | |
Zeitpunkt war sie mit dem aus Frankfurt am Main stammenden IS-Terroristen | |
Nadir Hadra verheiratet, der sich bereits in Syrien befand. | |
## Enttarnt durch eine Journalistin | |
Nachdem Hadra bei Kämpfen getötet wurde, heiratete A. Denis Cuspert. Der | |
Berliner, der zuvor als Gangsterrapper Deso Dogg Karriere machte, war da | |
schon in den Führungszirkel des IS aufgestiegen. Cuspert ist laut | |
Bundeskriminalamt vermutlich seit 2018 tot. Im September 2016 reiste A. | |
zurück nach Deutschland. Sie ließ sich mit ihren Kindern in Hamburg nieder | |
und arbeitete angeblich als Übersetzerin und Eventmanagerin – zunächst | |
unbehelligt von deutschen Ermittlungsbehörden. | |
Dass es überhaupt und erst mehr als drei Jahre nach A.s Rückkehr zu einem | |
Verfahren kommt, ist offenbar den Recherchen der libanesischen | |
TV-Journalistin Jenan Moussa zu verdanken. Moussa kam über einen | |
Informanten in den Besitz des Handys von A., das sie in Syrien | |
zurückgelassen hatte. Darauf fanden sich Tausende Fotos, die A. im Umfeld | |
des IS zeigen. | |
Im April 2019 veröffentlichte Moussa ihre Recherche im libanesischen | |
Fernsehen. Im September 2019 [2][wurde A. festgenommen] und sitzt seitdem | |
in Untersuchungshaft. Moussas Beitrag wurde am ersten Verhandlungstag mit | |
Übersetzung präsentiert. Er zeigt unter anderem Fotos der Kinder A.s aus | |
der Zeit in Syrien – mal in Kampfmontur mit IS-Logo, mal mit einer Waffe in | |
der Hand oder auf dem Schoß anderer IS-Anführer. | |
Die Angeklagte wollte sich zu den Vorwürfen nicht äußern. Ihr Anwalt | |
allerdings sprach von „juristischen Tricksereien“ der Bundesanwaltschaft, | |
weil die Anklage auf den zivilrechtlichen Fürsorgepflichten beruhe. Mit dem | |
juristischen Verfahren werde ein „politischer Kampf“ gegen den IS auf dem | |
Rücken der Angeklagten geführt. Schließlich habe sie in Syrien lediglich | |
einen Haushalt geführt. | |
## Mit den Kindern zum IS | |
Den Vorwurf, die Angeklagte habe in ihrem Haushalt eine 13-jährige Sklavin | |
gehalten, wies ihr Anwalt vehement zurück. Eine Freundin der Angeklagten, | |
in deren Haushalt sich die Jesidin befunden habe, habe sich medizinisch | |
behandeln lassen. Für diese Zeit habe A. die 13-Jährige in Obhut genommen. | |
Auf den Vorwurf, die Angeklagte habe ihre Fürsorgepflicht für ihre Kinder | |
verletzt, erklärte ihr Anwalt, A. habe sich in einem Dilemma befunden. | |
Hätte sie die Kinder nicht mitgenommen, wäre das ebenso strafbar gewesen. | |
Interessant war, worauf der Anwalt zu Verhandlungsbeginn nicht einging: | |
Warum A. überhaupt ins IS-Gebiet gereist war. | |
Insgesamt sind 13 Verhandlungstage angesetzt, der letzte findet im Juli | |
statt. | |
4 May 2020 | |
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## AUTOREN | |
André Zuschlag | |
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