# taz.de -- Urteile gegen IS-AnhängerInnen: Rechtsstaat gegen IslamistInnen | |
> In gleich drei Prozessen wurden IslamistInnen verurteilt. Zwei Frauen | |
> waren zum IS ausgereist, ein Mann hatte solche Ausreisen unterstützt. | |
Bild: Verurteilt zu 5 Jahren und 3 Monaten Haft: Carla S. im Oberlandesgericht … | |
BERLIN taz | Der Rechtsstaat zeigt Härte. Gleich mehrere Gerichte fällten | |
am Mittwoch Urteile gegen IslamistInnen. In Düsseldorf und München wurden | |
zwei Frauen verurteilt, die zum IS nach Syrien ausgereist waren. In Celle | |
war es ein Mann, der solche Ausreisen mitbefördert haben soll. | |
Die in Düsseldorf verurteilte Carla S. hatte gestanden, [1][im Oktober 2015 | |
mit ihren drei Kindern von Oberhausen nach Syrien zum „Islamischen Staat“ | |
(IS) ausgereist zu sein]. Ihren Mann hatte sie überrumpelt zurückgelassen. | |
In Syrien soll die 33-Jährige Mitglied einer weiblichen Kampfeinheit | |
gewesen sein, der „Katiba Nusaiba“, und andere Frauen zu Schießtrainings | |
gefahren haben. Sie selbst besaß eine Handgranate. Ihren damals | |
sechsjährigen Sohn soll sie in ein Ausbildungscamp für IS-Kindersoldaten | |
gegeben haben. Alle ihre Kinder mussten sich auch eine öffentliche | |
Hinrichtung ansehen. Der Sohn starb später bei einem Raketenangriff. | |
Das Gericht verurteilte Carla S. wegen Mitgliedschaft in einer | |
terroristischen Vereinigung, schwerer Kindesentziehung mit Todesfolge und | |
anderer Delikte zu fünf Jahren und drei Monaten Haft. Die | |
Bundesanwaltschaft hatte sieben Jahre gefordert, die Verteidigung | |
dreieinhalb. Carla S. gab sich im Prozess reumütig: Sie habe nicht gewusst, | |
was genau der IS in Syrien tue. Im April 2019 war sie nach Deutschland | |
zurückgekehrt, als eine der ersten IS-Gefangenen mithilfe der | |
Bundesregierung. Ihre Kinder befinden sich wieder beim Vater, auch eine | |
Tochter, die Carla S. in Syrien mit einem IS-Kämpfer bekam. | |
## Der Vorwurf: Aneignung von Eigentum als Kriegsverbrechen | |
Ebenfalls verurteilt wurde am Mittwoch in München die Islamistin Sibel H. | |
[2][Die 33-Jährige war ebenfalls zum IS nach Syrien ausgereist, dies aber | |
bereits 2013]. Zuvor hatte sie sich unter anderem auf Veranstaltungen des | |
Salafistenpredigers Pierre Vogel radikalisiert. Nach einer Rückkehr brach | |
Sibel H. 2016 erneut von Bayern nach Syrien auf. Im August 2017 geriet sie | |
in kurdische Gefangenschaft und brachte dort ein Kind zur Welt. | |
Die Bundesanwaltschaft hatte Sibel H. mit einem neuen Vorwurf angeklagt, um | |
auch IS-Frauen verfolgen zu können: Sie warf ihr Aneignung vor, weil sie in | |
Syrien mit ihrem Ehemann in einer Wohnung und zwei Häusern von Vertriebenen | |
durch den IS gelebt habe. Gewertet wurde das als Kriegsverbrechen gegen das | |
Eigentum. Zudem habe H. mit der Haushaltsführung und dem Kümmern um das | |
erste Baby dafür gesorgt, dass ihr Mann uneingeschränkt dem IS zur | |
Verfügung stand. Sie selbst habe Zugriff auf zwei Kalaschnikows gehabt. | |
Das Oberlandesgericht München folgte dem. Es verurteilte Sibel H. zu drei | |
Jahren Haft wegen Mitgliedschaft in der Terrormiliz und Kriegsverbrechen | |
gegen das Eigentum – nur ein halbes Jahr weniger als von der Anklage | |
gefordert. Die Verteidigung hatte auf zweieinhalb Jahre plädiert: Frauen | |
hätten im IS-Gebiet fast nichts selbst entscheiden können, auch nicht über | |
die Wohnorte. Auch Sibel H. will sich vom Islamismus abgewendet haben und | |
befindet sich in einem Aussteigerprogramm. Seit April 2018 ist sie mit | |
ihren beiden Kindern wieder in Deutschland. | |
## Mitangeklagter im Abu-Walaa-Prozess verurteilt | |
Das Oberlandesgericht Celle schließlich verurteilte den 30-jährigen Ahmed | |
F. zu drei Jahren und drei Monaten Haft. Er war Mitangeklagter [3][im seit | |
2017 laufenden Großprozess gegen den mutmaßlichen Deutschlandchef des IS, | |
Ahmad A. alias Abu Walaa]. Ahmed F. hatte zuletzt überraschend und ohne | |
Absprache mit seinen Anwälten gestanden, dass seine Gruppe tatsächlich den | |
IS unterstützte und er zwei Männern, die dorthin ausreisen wollten, | |
Telefonnummern von Kontaktpersonen gegeben habe. Auch Abu Walaa belastete | |
er schwer. Ahmed F. wurde darauf freigelassen, sein Fall vom Prozess | |
abgegliedert. | |
Das Gericht wertete sein Geständnis nun strafmildernd. Die | |
Bundesanwaltschaft hatte drei Jahre Haft und neun Monate gefordert, die | |
Verteidiger nur eine Bewährungsstrafe oder Verfahrenseinstellung. Ins | |
Gefängnis muss Ahmed F. nicht mehr: Er hatte bereits mehr als drei Jahre in | |
U-Haft gesessen – 19 Tage mehr als jetzt verurteilt. Weil dies wegen des | |
späten Geständnisses aber selbst verschuldet sei, erteilte das Gericht | |
keine Haftentschädigung. Auch Ahmet F. will sich inzwischen vom Islamismus | |
abgewendet haben. | |
Abu Walaa und die nun noch drei Mitangeklagten müssen sich dagegen weiter | |
vor Gericht verantworten. Die Männer sollen junge Muslime radikalisiert und | |
in IS-Kampfgebiete geschickt haben. Auch Anis Amri, der Attentäter vom | |
Berliner Breitscheidplatz, hatte Kontakt zu Abu Walaa. Ein Prozessende ist | |
hier noch nicht absehbar. | |
29 Apr 2020 | |
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## AUTOREN | |
Konrad Litschko | |
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