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# taz.de -- Upcycling von Sojasaucen-Fischen: Dieses Leuchten im Bauch
> Lange Zeit aß unsere Autorin nur, was sie von Zuhause kannte. Dann
> erschloss sie sich neue kulinarische Welten – und fand dort gutes
> Bastelmaterial.
Bild: Sehen süß aus, schmecken aber salzig: Sojasaucenfische
Wenn es in Japan Take-aways für Spätzle und Knödel gäbe, bekäme man dann
zum Essen einen Miniblumenkohl aus Plastik dazu, gefüllt mit Semmelbröseln
und zerlassener Butter? Oder eine winzige Plastikbrezel voller
Schnittlauch? Fragen, die ich mir so stelle, während ich meine Bastelkisten
aussortiere und ein leeres Sojasoßen-Fischchen darin finde.
Lange wusste ich gar nicht, woher diese Plastikfische kommen und was ihre
Daseinsberechtigung ist. Ich sah sie leer auf Großstadtstraßen herumliegen
und fand sie damals schon sehr schön. Jahre später dann die Erleuchtung am
Supermarkt-Kühlregal: Ah, die gibt es zum Sushi to go dazu. Und sie haben
ursprünglich eine braune, salzige Soße in ihrem Bauch. Und einen lustigen
roten Knopf auf dem Mund.
Sushi aß ich zum ersten Mal, als eine Gastschülerin aus China für ein Jahr
bei meiner Familie einzog, ich war gerade 18 geworden. An einem Wochenende
bekochte sie uns und schaffte es irgendwie, Rührei ins Sushi zu mogeln.
Fand ich gut. Denn eigentlich bin ich ja „schleckrig“. So nennt man da, wo
ich herkomme, Leute wie mich. Übersetzt: wählerisch beim Essen. Und Rührei
kannte und mochte ich.
Die Sojasoße kam erst Jahre später dran, verschiedene Mitbewohnerinnen
machten mich mit ihr vertraut. Als [1][Maggi-Ersatz in der Suppe] taugt sie
ganz gut, habe ich inzwischen herausgefunden. Denn die gute Nachricht ist:
Geschmack lässt sich trainieren. Ich spreche da wirklich aus Erfahrung.
## Selbstreflexion beim Essen – auch sehr wichtig
Sehr lange hielt ich mich für eine, die eigentlich alles isst. Was zu Hause
auf den Tisch kam, hab ich jedenfalls gesessen – und fand ich auch lecker.
Da gab es durchaus Abwechslung: Spätzle mit Rahmsoße, Knödel mit Pilzen,
Spätzle mit Pilzen, Aufläufe aller Art, auch Gemüse, Käsespätzle, und immer
Soße zu allem. Das alles schmeckte mir gut.
Weil das meiner ganzen Familie so ging, gab es eben kein Sushi. Und keine
Sojasoße. Auch sonst nichts, was irgendwie mit süß-sauer, scharf oder
nicht-heimischem Gemüse zu tun hatte. Das prägt den Geschmack. Die
Erkenntnis, dass ich also sehr wohl wählerisch bin, kam mit der Erkenntnis,
dass ich einfach all das gerne esse, was meine Mama früher gekocht hat:
gutbürgerliche Küche. Selbstreflexion beim Essen – auch sehr wichtig.
Der freitagabendliche Ausflug mit Freund:innen zur Dönerbude erweiterte
meinen kulinarischen Horizont zu Schulzeiten ein wenig. Es gab dort auch
Pizza und Schnitzel, ich bestellte am liebsten eine Margherita mit
Dönersoße. Die gab’s nicht im Plastikfischchen dazu, sondern wurde als
Spirale auf die Pizza draufgeträufelt. Für viele ein Essens-No-Go, aber
mich macht es heute noch glücklich. Soulfood nennt man das, glaube ich.
Home is, where my Pizza mit Dönersoße is.
Seit ein paar Jahren bin ich offener mit meiner Schleckrigkeit. Ja, ich bin
grundsätzlich kompliziert beim Essen. Und nein, das ist nicht immer alles
logisch: Kartoffeln mag ich nicht, Kartoffelbrei, Kartoffelsuppe und
Kartoffelpuffer hingegen sehr. Obst allgemein ist schwierig, Beeren dafür
super. Gurken und Melonen schmecken komisch, nämlich wässrig, und außerdem
muss ich davon aufstoßen. Und wenn im Salat zu viel Paprika drin ist, dann
esse ich den halt nicht, auch wenn ich Salat sonst gerne mag.
## Raus aus der Essens-Comfort-Zone
Innereien hab ich tatsächlich noch nie probiert, ich glaube, ich brächte
sie nicht runter. Aber darüber muss man ja mit den meisten Menschen nicht
diskutieren – außer mit meiner Mama, die bestellt auswärts gerne saure
Leber oder Kutteln. Zu Hause gab’s das zum Glück nicht. Obwohl – dann wür…
ich es vielleicht mögen?
Trotzdem gehe ich immer mal wieder ein klein wenig raus aus der
Essens-Comfort-Zone und mute meinen Geschmacksnerven vorsichtig etwas Neues
zu. Vor einiger Zeit zum Beispiel zeigte mir ein Freund den wohl besten
Pho-Laden der Stadt. Es schmeckte sehr anders als alles, was ich eigentlich
esse – aber es schmeckte auch auf eine gute Weise interessant.
Wenn ich zwischen Pommes und Pho wählen kann, nehm ich aber immer noch
lieber die Pommes. Mit Stäbchen kann ich bis heute nicht umgehen. Ich hatte
nie die Muße, heimlich zu üben, und bin deshalb sehr froh, dass es in
asiatischen Restaurants auch westliches Besteck gibt. Damit komm ich klar.
Das Internet behauptet übrigens, irgendwo in Tokio gebe es ein Restaurant
namens „Spätzle“. Dort gibt es bestimmt auch Messer und Gabel, aber
zusätzlich Stäbchen für diejenigen, die lieber das Werkzeug benutzen, mit
dem sie aufgewachsen sind. Das, was es dort auf den Fotos zu sehen gibt,
sieht zwar eher nach verkochten Nudeln als nach Spätzle aus, aber okay.
Sushi in deutschen Schnell-Imbissen hat womöglich auch nicht so viel mit
Sushi von der japanischen Sushi-Meisterin zu tun.
Wer in diesen Zeiten den asiatischen Take-away um die Ecke unterstützt und
täglich irgendwas mit Sojasoße isst, sollte unbedingt die kleinen
Plastikfische aufheben, in denen die Soße oft daherkommt. Falls wir auch
den Sommer zu Hause statt im Freibad oder auf Open-Air-Partys verbringen
müssen – wer kann das jetzt schon so genau wissen? – dann lässt sich aus
ihnen wunderbar bunte Deko fürs Badezimmer oder den Balkon basteln. Wenn
die Fischlein abends dann aus dem Bauch heraus zu leuchten beginnen,
entschädigt das ein bisschen für all die Dinge, die wir in diesem Jahr
womöglich verpassen.
## Anleitung
1. Benötigt werden eine LED-Lichterkette mit Mikro-Lampen (gibt es auch mit
Solarpanel) sowie leere Sojasoßen-Fische vom Sushi-Laden.
2. Zunächst müssen die Fische in warmem Wasser und etwas Spülmittel
gereinigt werden. Am besten kann man Flüssigkeit in die Fische füllen,
indem man sie in einer Schale unter Wasser drückt, die Münder der Fische
sollten dabei nach oben zeigen. Das Spülmittelwasser wieder aus den Fischen
herausdrücken und den Vorgang mit klarem Wasser wiederholen. Die Fische
trocknen lassen.
3. Den Mund des Fischs mit einem scharfen Messer oder einer kleinen Schere
(zum Beispiel einer Nagelschere) oben und unten so weit einschneiden, dass
die LED-Lampe sich hineinstecken lässt.
4. Den Mund zusammendrücken und den roten Deckel wieder daraufschrauben,
damit der Fisch nicht von der Lichterkette fallen kann. Das mit allen
Lampen wiederholen.
5. Für bessere Lichteffekte können die Fische mit Acrylfarbe bemalt werden.
Die Schicht sollte allerdings möglichst dünn sein, damit das Licht noch
hindurchscheinen kann. Soll die Lichterkette draußen hängen, die Farbe
anschließend mit Sprühklarlack fixieren.
26 Apr 2020
## LINKS
[1] /Geschmack-und-Wuerze/!5418491
## AUTOREN
Christina Spitzmüller
## TAGS
Upcycling
Basteln
Essen
Recycling
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