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# taz.de -- Upcycling von Gummidinosauriern: An einer Wand vor unserer Zeit
> Unsere Autorin hatte als Kind keine Dinophase. Deshalb holt sie die nun
> nach und findet eine neue Verwendung für Gummidinos
Bild: Die Evolution ist vielleicht doch eine Sackgasse: Dinos im Garderobeneins…
Der letzte Mann, dem ich sehr gern und sehr aufmerksam bei den Ausführungen
eines Themas zugehört habe, das mich eigentlich gar nicht interessiert, war
vier Jahre alt. Als ich seine Mutter besuchte, kam er angerannt und wollte
mir dringend etwas zeigen: seine Spielzeugdinos. Jeden einzelnen nahm er
aus dem Korb und sagte mit leuchtenden Augen und sich vor Aufregung
überschlagender Stimme Namen und Eigenschaften der Tiere auf: Diplodocus,
Stegosaurus, Brachiosaurus, Tyrannosaurus natürlich und noch viele andere
-usse. Auch ob sie Carnivore (Fleischfresser) oder Herbivore
(Pflanzenfresser) sind, wusste er.
Der Vierjährige möchte gern Dinoforscher werden, wenn er groß ist –
Paläontologe, um genauer zu sein. Eine Wissenschaft, die sich unter anderem
mit lang ausgestorbenen Tieren beschäftigt. Und manchmal, wenn ihm
einfällt, dass Dinosaurier schon sehr, sehr lang ausgestorben sind und er
ihnen niemals begegnen kann, wird der Vierjährige ziemlich traurig, erzählt
seine Mutter.
Ich bin nachhaltig beeindruckt von diesem Kind. So viel Detailwissen, so
viele Fremdwörter, so eine Begeisterung. Und ich lasse mich mitreißen –
stelle Fragen, lausche noch mehr Erklärungen, will wissen, was dieser
Knubbel am Schwanz des einen Dinos kann oder warum der andere einen
Schirm hinter dem Kopf trägt.
Viele Kinder haben Dinophasen, lasse ich mir sagen – von Menschen, die
schon über ihre Dinophase hinausgewachsen sind. Ich selbst habe sie
ausgelassen. Auch meine Geschwister hatten nie Spielzeugdinos. Also hole
ich das nach.
Zuerst besuche ich Tristan Otto. Das ist ein Tyrannosaurus Rex, der als
Dauerleihgabe [1][im Berliner Naturkundemuseum steht]. Aber sein Skelett
löst keine Begeisterung in mir aus. Es ist dunkel in dem Raum, Tristan Otto
ist irgendwie gar nicht so riesig und beeindruckend wie gedacht, und
außerdem sind die Selfie-Plätze belegt. Immerhin erfahre ich, dass Tristan
Otto nach den Söhnen seiner Besitzer benannt ist. Vielleicht sind sie auch
gerade in ihrer Dinophase.
## Das seltsame Paarungsverhalten der Dinos
Viel besser finde ich die namenlosen Dinosaurier im Naturkundemuseum. Zwei
sind wirklich riesig, und ein anderer hat einen lustigen Kopf. Ein
Entenschnabeldinosaurier, klärt mich der Vierjährige per Ferndiagnose mit
Fotos auf. Auf den Hinweisschildern im Museum lerne ich, dass auch schon
vor Millionen von Jahren einige Männchen ein seltsames Paarungsverhalten an
den Tag legten. Stacheln sollten möglicherweise der Damenwelt imponieren
oder auch Konkurrenten bedrohen. Aha.
Eigentlich sehen sie ja eher putzig aus, die Dinos – vor allem die, die nur
auf den Hinterbeinen gehen und kurze Ärmchen haben, mit denen sie im
Prinzip nichts machen können. Weil ich aber zu faul bin, im Museum all die
anderen Erklärungen zu lesen, schaue ich mir zu Hause eine Doku an. Auf
Empfehlung des Vierjährigen eine von Pixi – ja, die kleinen quadratischen
Bücher gibt’s jetzt auch als Erklärvideos. Schöner Zeichentrick, ich
erfahre in zwölf Minuten, was Dinos alles so konnten und auch die unschönen
Dinge: Die haben sich gegenseitig gefressen! Pixi begeistert mich mehr als
die aufwendige Terra-X-Doku, die ich danach ansehe. Sie dauert viel zu
lang, ich steige ziemlich schnell aus.
Vielleicht lieber ein Spielfilm? Schließlich wäre eine Dinophase ohne
Jurassic Park keine echte Dinophase. Die Genres, unter denen der Film
gelistet wird, schrecken mich aber erst mal ab: Science-Fiction, Action,
Thriller. Egal, ich versuche das, an einem verregneten Tag.
Nach gefühlt der Hälfte des Films habe ich gerade mal drei Dinos gezählt.
Da hätte ich mehr erwartet. Die Story bis dahin ist auch, na ja, vielleicht
mittel? Und vor allem irreführend. DNA hält sich nicht in Fossilien, auch
nicht, wenn Blut eingeschlossen ist, ergibt eine 30-sekündige
Onlinerecherche. Aber okay, 1993 gab es eben noch kein Google.
Als endlich viele Dinos gezeigt werden, bin ich besänftigt. Aber warum
bitte gewinnen am Ende die Menschen trotz ihrer Überheblichkeit, des
Gott-spielen-Wollens und ihrer Dummheit? Ich will, dass die Dinos die
Menschen auffressen und die Erde regieren! Nicht möglich im
Jurassic-Park-Universum. Deshalb spare ich mir [2][die anderen vier Teile].
## Der Dino-Soundtrack kommt von Johnny Cash
Stattdessen mache ich das, was ich gut kann. Ich baue mir eine Garderobe
aus ein paar Gummidinos, die Freunde wegschmeißen wollten – mit passendem
Soundtrack zum Basteln. Dinolieder sind kein Problem für YouTube, ich
könnte stundenlang welche hören. Allerdings nur Kinderdinolieder, und das
ertrage ich nicht allzu lange. Nach etwas Suchen finde ich den Dinosaur
Song von Johnny Cash. Der ist zwar auch für Kinder, aber eben auch von
Johnny Cash.
Überhaupt ist der Hype stark auf Kinder ausgelegt. Für sie gibt es sehr
coole Klamotten (Hoodies mit Dinozähnen an der Kapuze!), Erklärbücher,
Erzählbücher, sogar Mädchenbücher ohne Rosa, es gibt CDs, Ausstellungen,
Kuscheltiere natürlich, Spiele, einfach alles. Doch Kinderspielzeug und ein
Vierjähriger als einziger spannender Gesprächspartner, sonst nur Nostalgie,
das reicht auf Dauer nicht für mich.
Warum hört diese Dinobegeisterung eigentlich irgendwann auf? Ich würde
gerne mal bei einem Date ein begeistertes Gegenüber mit mehr als vier
Lebensjahren erleben, das mir von der eigenen Dinosammlung erzählt, von all
den Dingen, die diese Tiere konnten. Spannender, als über die Arbeit zu
plaudern, wäre das allemal.
## Anleitung
1. Für eine Garderobe braucht es ein Holzbrett und einige halbe
Spielzeug-Gummi-Dinosaurier zum Draufschrauben. Die Anzahl richtet sich
nach der Länge des Holzes, etwa zehn Zentimeter Platz sollte jeweils
zwischen den Dinosauriern liegen.
2. Mit einer Säge oder einem scharfen Messer die Gummidinos in der Mitte
durchschneiden. Die Kanten sollten möglichst glatt und gerade sein.
3. Sind die Dinos innen hohl, müssen sie gefüllt werden – am besten mit
Gips oder (fertiger) Spachtelmasse. Den Gips anrühren, in einen
Gefrierbeutel füllen, eine Ecke abschneiden und in die Dinohälften füllen.
Trocknen lassen.
4. Wenn gewünscht, die Dinohälften mit Farbe ansprühen und gut trocknen
lassen – am besten über Nacht. Es kann sein, dass die Farbe nicht richtig
trocknet, weil sie mit dem Gummi reagiert. Dann mit ein bis zwei Schichten
Acryllack versiegeln und wieder über Nacht trocknen lassen. Auch das Holz
bei Bedarf lackieren und über Nacht trocknen lassen.
5. Nun die Reihenfolge der Dinos festlegen und auf der Rückseite des Bretts
ihre Umrisse anzeichnen. Jede Dinohälfte mit mindestens zwei Schrauben an
dem Brett festschrauben. Am besten erledigt man diese Arbeit zu zweit: Eine
Person drückt den Dino von oben auf das Brett, die zweite Person schraubt
von unten mit dem Akkuschrauber. Damit man gut von oben und unten
drankommt, das Brett am besten auf zwei Böcken (oder zur Not auf zwei
stabilen Stühlen) lagern.
6. In die Ecken der Holzplatte Löcher bohren, um die Garderobe so an der
Wand befestigen zu können.
17 Nov 2019
## LINKS
[1] /Saurier-im-Berliner-Naturkundemuseum/!5397395
[2] /Neuer-Jurassic-World-Film/!5510970
## AUTOREN
Christina Spitzmüller
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