# taz.de -- Upcycling von alten Tonträgern: Zuhause in der Platte | |
> Unsere Autorin liebt ihre Zimmerpflanzen, sie hegt und pflegt sie, es | |
> werden immer mehr. Das einzige Problem: Alle brauchen einen Topf. | |
Bild: Good Vibrations? Die Pflanzen in der Mitte und rechts wohnen in alten Sch… | |
Früher, im Kindergarten, war ich eine gute Puppenmama. Liebevoll habe ich | |
mich um meine leblosen Spielgefährt:innen gekümmert. Aus dem Alter bin | |
ich raus, das Kümmerbedürfnis ist geblieben. Deshalb bin ich auf Pflanzen | |
umgestiegen. Sie sind im Vergleich zu Haustieren oder gar Kindern deutlich | |
unaufwendiger, preiswerter und auch moralisch weniger bedenklich (die | |
CO2-Bilanz!). | |
Meine Pflanzenliebe begann vor fünf Jahren. Zum Geburtstag wollte ich | |
unbedingt einen Gummibaum haben. Von meinen Freund:innen bekam ich | |
stattdessen eine Klivie. Na toll. Aber ich fing trotzdem an, mich um die | |
Pflanze zu kümmern. Sie konnte ja nichts dafür. | |
Wir verstehen uns gut, bis heute. Vor allem, weil meine Klivie so genügsam | |
ist. Sie überlebt wochenlange Abwesenheiten ohne Pflege, Wasser und Liebe | |
und belohnt mich mit einer Blüte – mitten im Winter. Zu ihr haben sich | |
inzwischen noch ein paar andere Pflanzen gesellt. Ich pflege sie intuitiv | |
und probiere im Notfall so lange, bis die Pflanze hübsch und gesund | |
aussieht: mehr Wasser, weniger Wasser, mehr Sonne, weniger Sonne, auch | |
umtopfen kann helfen. Pflanzen machen das in der Regel mit. | |
## Auf Instagram sind alle Pflanzen perfekt | |
Mit meiner Begeisterung bin ich nicht allein. Auf Instagram gibt es unter | |
#pflanzenliebe und ähnlichen Hashtags zigtausend Fotos. Es sind perfekt | |
inszenierte, normschöne Pflanzen, so fotografiert, dass die Bilder aus | |
Ikea-Katalogen stammen könnten: immer grün, keine Macken, nie hängt | |
irgendwas traurig runter. Popelige Grünlilien oder Pfennigbäumchen finde | |
ich kaum. Für Instagram müssen es schon riesige Monstera-Pflanzen sein oder | |
besondere Gewächse wie die Forellenbegonie mit weißen Pünktchen auf den | |
grünen Blättern. | |
Meine Pflanzen sind so wie ich – nicht perfekt, aber umgänglich. Sie | |
bekommen manchmal braune Stellen und lassen ab und an die Blätter hängen. | |
Ausgefallenheitswettbewerbe gewinnen sie auch nicht. Yuccapalme, | |
Drachenpalme, Efeutute wachsen bei mir – #normalopflanzen eben. Diesen | |
Hashtag gibt es noch nicht. Gegen die Selbstinszenierung von normschönen | |
Menschenkörpern gibt es die #bodyposivitity-Bewegung. Bei Pflanzen scheint | |
das Internet noch nicht so weit zu sein. | |
Deshalb gibt’s von mir keine Pflanzenfotos auf Instagram. Nur in | |
Gruppenchats verschicke ich sie manchmal. In Lebensphasen, in denen das | |
Umfeld plötzlich sesshaft und häuslich wird, ist das eine gute Alternative | |
zu Baby- und Hundefotos. Schau mal, wie groß sie geworden sind! | |
Ernsthaft krank waren meine Schützlinge noch nicht. Ich wüsste auch gar | |
nicht, was ich dann tun sollte, außer das Internet zu befragen. Wenn ich | |
Ausschlag bekomme, gehe ich zum Arzt, wer einen Problemhund hat, geht zur | |
Tierpsychologin, aber ich kann ja schlecht meine schwere Topfpflanze zu dem | |
Baumarkt zurücktragen, in dem ich sie gekauft habe, und fragen, was das | |
Problem ist. | |
## Mit Pflanzen reden? | |
In Baden-Württemberg gibt es eine Pflanzenärztin, die Onlineberatung und | |
Hausbesuche anbietet. Phytomedizin heißt die Wissenschaft von den | |
Krankheiten und Beschädigungen der Pflanzen. Das klingt sehr fundiert. Was | |
man sonst zur guten Pflanzenpflege liest, hat oft einen esoterischen Touch. | |
Es soll helfen, mit den Pflanzen zu sprechen, höre und lese ich immer | |
wieder. Ein französischer Physiker hat sogar ein Patent angemeldet, laut | |
dem Wildpflanzen wie Tomaten oder Wein durch klassische Musik schneller und | |
besser wachsen. Nachweise dafür gibt es nicht. | |
Was ich außerdem gelesen habe und woran ich glauben mag (und was | |
wissenschaftlich auch besser belegt ist): Streicheln soll man die Pflanzen. | |
In geschlossenen Räumen fehlt ihnen nämlich der Wind, den sie in der Natur | |
hätten. | |
Vor ein paar Monaten habe ich einen Gummibaum gekauft, endlich. Er hatte | |
nur drei Blätter. Seither beglückt er mich fast alle zwei Wochen mit einem | |
neuen. Falls er nicht von selbst anfängt, sich zu verzweigen, werde ich ihn | |
in ein paar Monaten kürzen, damit er hübsch auch in die Breite wächst. Der | |
obere Teil wird dann zum neuen Baum. | |
## Auch Pflanzenbabys brauchen Töpfchen | |
Mit etwas Licht und Liebe werden auch aus den Ablegern anderer Pflanzen | |
ruckzuck kleine Klone. Einziges Manko an der Zucht: Jedes Pflanzenbaby | |
braucht ein Töpfchen. Die sind gar nicht mal so billig – und sehen eben | |
auch aus wie, nun ja … Töpfe. Ein bisschen langweilig meist. Dosen werden | |
oft rostig, wenn man sie bepflanzt, auch nicht so toll. Eine Alternative | |
musste her. | |
Beim letzten Elternbesuch bekam ich eine Ladung Schallplatten in die Hand | |
gedrückt: Hier, bastle was! Ich kannte diese Schalen aus Schallplatten, die | |
im Backofen ihre Form bekommen. Die mochte ich nie, sie haben einen | |
gewellten Rand und sehen altbacken aus. Mit einem Föhn und etwas Geduld | |
kann man aus Platten aber eckige Schüsselchen machen. Durch das Loch in der | |
Mitte kann das Wasser in einen Untersetzer abfließen. Alternativ geht auch: | |
abdichten und Tonkügelchen in die Erde geben. Die Schälchen bieten Platz | |
für viele kleine Pflanzenbabys – zum Selbstliebhaben und Verschenken. | |
## Anleitung | |
1. Eine Schallplatte ergibt einen Topf. Mithilfe eines Geodreiecks und | |
eines scharfen Messers werden zunächst Hilfslinien geritzt. Als Erstes ein | |
Quadrat um den Aufkleber in der Mitte der Platte ritzen. Dessen | |
Seitenlinien jeweils bis zur Außenkante der Platte verlängern. Die vier so | |
entstandenen „Ecken“ mit Linien im 45-Grad-Winkel teilen. | |
2. Entlang der eingeritzten Linien wird nun mit einem Föhn erhitzt | |
(Achtung: Fenster auf) und gefaltet. Dabei auf die Finger achten und | |
Abkühlpausen einlegen – die Platte kann sehr heiß werden. Zunächst eine der | |
durchgezogenen Linien erhitzen. Es kann einige Minuten dauern, bis die | |
Stelle warm genug ist. Dann die Platte vorsichtig in einen 90-Grad-Winkel | |
biegen, das geht auch gut mithilfe einer Tischkante. | |
3. Die gegenüberliegende Seite genauso im 90-Grad-Winkel biegen, sodass die | |
Platte die Form eines Tacos hat. | |
4. Jetzt wird es etwas knifflig. An einer der verbleibenden „offenen“ | |
Seiten alle Linien erhitzen. Die Seite nach oben biegen, dabei sollten die | |
beiden Ecken nach außen zeigen. Die Eckkanten entlang ihrer Linien gut | |
zusammendrücken. | |
5. Nun müssen die Flächen, die an den Ecken abstehen, an die soeben | |
hochgedrückte Seitenfläche geklappt werden. Dazu die Kanten nochmals | |
erhitzen. Nach dem Biegen die Platte sofort in eine Schüssel mit kaltem | |
Wasser halten – dann kühlt sie schnell ab und kann sich nicht weiter | |
verformen. | |
6. Die Punkte 4. und 5. an der letzten noch offenen Seite wiederholen. | |
7. Gegebenenfalls einzelne Kanten nochmals erhitzen und fester | |
zusammendrücken. Wenn gewünscht, das Loch am Boden mit etwas Heißkleber | |
abdichten. | |
1 Oct 2019 | |
## AUTOREN | |
Christina Spitzmüller | |
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