| # taz.de -- Sitzmöbel aus Autoreifen: 20 km/h – das ist angenehm | |
| > Ampeln, Menschen, Scheibenwischer: Autofahren ist für unsere Autorin | |
| > Überforderung. Am liebsten fährt sie Landstraße. Noch lieber bastelt sie. | |
| Bild: Wenn aus einem Autoreifen ein interessantes Sitzmöbel wird | |
| Meinen Führerschein verdanke ich meiner Mutter. Als ich 18 wurde, wollte | |
| ich ihn nicht machen. Ich würde sowieso in eine Stadt ziehen, in der man | |
| kein Auto braucht, sagte ich, und mir auch erst mal keines leisten können. | |
| Sie bestand darauf: Wenn du das jetzt nicht machst, machst du’s nie, Kind. | |
| Es klang wichtig. Also plünderte ich mein Sparbuch und nahm Fahrstunden. | |
| Die meisten Landkinder sind anders. Sie können schon mit zehn Traktor | |
| fahren, freuen sich auf ihren Mofaführerschein und cruisen lange vor der | |
| Volljährigkeit mit Autos auf irgendwelchen Feldern rum. Mir musste mein | |
| älterer Bruder helfen. Auf dem Hof von Verwandten übte er mit mir, vor der | |
| ersten Fahrstunde. Erst im vorsichtigen Schritttempo, dann mit mutigen 20 | |
| km/h. Es fühlte sich an wie 180 auf der Autobahn. | |
| In den darauf folgenden acht Jahren bin ich im Prinzip nur zwei Autos | |
| gefahren: das Fahrschulauto und das meiner Eltern. Beide Diesel, beide | |
| groß. Einmal saß ich noch in dem Twingo der Eltern einer Freundin am | |
| Steuer. Kleines Auto und Benziner. Wir kamen dahin, wo wir wollten, und | |
| auch wieder sicher nach Hause. Wie oft ich den Wagen abgewürgt habe, weiß | |
| ich nicht mehr. | |
| Dabei würde ich nicht einmal sagen, dass ich schlecht fahre. Mir fehlt | |
| einfach die Routine. Pro-Tipp: Auch als fertig ausgebildete Autofahrerin | |
| hindert eine niemand daran, einfach nochmal eine Fahrstunde zu nehmen oder | |
| auch zwei. So hat es eine Freundin von mir gemacht. Ich noch nicht. | |
| ## Völlige Überforderung | |
| Deshalb fahre ich nicht gerne. So ein Auto flößt mir Respekt ein. Man sitzt | |
| da drin und muss alles unter Kontrolle behalten – viel mehr, als man | |
| eigentlich im Stande ist zu überblicken. Die Ampel da ist rot? Ups, schnell | |
| auf die Bremse treten. Und da vorne geht eine seelenruhig über den Zebra? | |
| Fast übersehen. Nebenher noch schauen, dass man nicht zu schnell wird, die | |
| richtige Abbiegung nicht verpassen, nicht zu weit nach rechts raus | |
| rutschen, aber auch auf gar keinen Fall nach links in den Gegenverkehr | |
| rein. Außerdem rechtzeitig blinken, auf Radfahrer achten, und wenn es | |
| anfängt zu regnen, den Scheibenwischer bedienen – völlige Überforderung. | |
| Dabei kann mir ja wenig passieren, in der Stadt jedenfalls. Man ist sicher | |
| in so einem Auto, warm ist es auch. Die Menschen draußen sind weit weg, da | |
| sind schließlich Glasscheiben und eine Menge Blech dazwischen. Manchmal ist | |
| Autofahren dann wie ein Videospiel. Nur ohne Reset-Taste. | |
| Deswegen will ich lieber gar nicht daran denken, was wirklich passieren | |
| kann. Es reicht, wenn ich kurz unaufmerksam bin, und schon könnten Menschen | |
| sterben. Eigentlich ist es erstaunlich, dass es so wenige Unfälle gibt. | |
| Manchmal denke ich, dass das nur so ist, weil die Fußgänger:innen ganz | |
| genau wissen, wie ungeschützt sie sind. Sie passen für die | |
| Autofahrer:innen mit auf. | |
| ## Spontan-Trips vs. Planung und Sicherheit | |
| Weil ich so unsicher bin, fahre ich am liebsten langsam. 20 km/h finde ich | |
| angenehm. Für meine Mama ist das in Ordnung, wenn sie Beifahrerin ist – die | |
| anderen können ja überholen, sagt sie. Das stimmt nur halb. Ohne triftigen | |
| Grund dürfen Kraftfahrzeuge nicht so langsam fahren, dass sie den | |
| Verkehrsfluss behindern. Straßenverkehrsordnung, Paragraf 3 Absatz 2. Dass | |
| man nicht so gerne schnell fährt, ist wahrscheinlich kein triftiger Grund. | |
| 20 Euro Bußgeld kann mich das im Zweifel kosten. | |
| Deshalb mag ich Landstraßen. Im Idealfall kann ich gemütlich einem Traktor | |
| hinterhertuckern. Es gibt kaum Verkehr, wenige Radfahrer, keine Fußgänger. | |
| Das ist Freiheit. Wie für so viele das Auto an sich schon Freiheit | |
| bedeutet. | |
| Ich mag den Gedanken auch: Sich ein Auto zu nehmen, den Schlafsack rein, | |
| und los geht’s. Gemacht habe ich das nie. Die Umwelt verpesten, nur für die | |
| Idee eines Gefühls? Um mir zu beweisen, dass ich wild, frei, ungezwungen | |
| und superspontan bin? Wahrscheinlich würde es mir zu eng werden auf einem | |
| Roadtrip, zu stickig, zu heiß. Das dürfte ich dann aber niemals zugeben, | |
| weil es ja ein Roadtrip ist – der Inbegriff von Freiheit. | |
| Außerdem mag ich gar keine Spontan-Trips. Ich mag Planung und Sicherheit. | |
| Deshalb fehlt mir ein Auto auch nur dann, wenn ich zum Baumarkt will. | |
| Holzplatten und Säcke mit Blumenerde mit den Öffis zu transportieren macht | |
| überhaupt keinen Spaß. Den ausrangierten Autoreifen, der auf dem Gehweg | |
| liegt, kriege ich auch ohne Transportmittel nach Hause. Aus ihm wird ein | |
| hübsches Sitzmöbel. Das zählt nämlich zu den Dingen, die ich besser kann | |
| und lieber mache als Autofahren: basteln mit Dingen, die andere | |
| wegschmeißen. | |
| ## Anleitung | |
| 1. Für ein Sitzmöbel braucht es einen ausgedienten Autoreifen und vier bis | |
| sechs aussortierte Fahrradschläuche. | |
| 2. Den Autoreifen saubermachen. Die Fahrradschläuche kurz ober- und | |
| unterhalb des Ventils durchschneiden und kräftig durchspülen. | |
| 3. Nun mit einer Bohrmaschine Löcher für die Schläuche in den inneren Rand | |
| des Reifens bohren, mit 2 bis 3 Zentimeter Abstand bis zur Kante: je sechs | |
| auf vier gegenüberliegenden Seiten des Reifens (siehe Foto). Der Abstand | |
| zwischen den Löchern sollte etwa 2 Zentimeter betragen, der Durchmesser 1 | |
| Zentimeter. | |
| 4. Am Ende eines der Fahrradschläuche einen Knoten machen. Den Schlauch | |
| durch eines der äußeren der sechs Löcher ziehen, sodass der Knoten | |
| unsichtbar auf der Innenseite liegt. | |
| 5. Den Schlauch von außen durch das Loch auf der gegenüberliegenden Seite | |
| fädeln und dabei, so gut es geht, spannen. Nun den Schlauch wieder von | |
| innen in das nebenan liegende Loch einführen und zurück auf die | |
| gegenüberliegende Seite führen. Pro Schlauch schafft man zwei bis drei | |
| „Wege“. | |
| 6. Wenn der Schlauch zu Ende ist, so straff wie möglich spannen und wieder | |
| einen Knoten darauf machen. Das erfordert ein wenig Kraft; einfacher | |
| geht’s, wenn man eine zweite Person um Hilfe bittet. | |
| 7. Mit den weiteren Schläuchen genauso verfahren. Dabei die neuen Schläuche | |
| mit denen der ersten Ebene verweben | |
| 20 May 2019 | |
| ## AUTOREN | |
| Christina Spitzmüller | |
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