# taz.de -- HBO-Serie „Run“: Im Rückblick lernen | |
> Die neue, auf Sky präsentierte Serie mit Phoebe Waller-Bridge in einer | |
> klitzekleinen Nebenrolle kann nur rückwärts verstanden werden. | |
Bild: Gespiegelte Handlung mit überraschenden Einblicken | |
Marketing ist alles. „Von den ‚Fleabag‘-Machern Vicky Jones und Phoebe | |
Waller-Bridge“, preist Sky die neue (HBO-)Serie an. Was hierzulande | |
vielleicht nicht alle wissen und was Sky geflissentlich verschweigt, ist, | |
dass „Fleabag“ vor der TV-Adaption ein Theaterstück war und Vicky Jones | |
„nur“ bei diesem die Regisseurin. So wie sie bei Sky auch nicht eben damit | |
hausieren gehen, dass die „Fleabag“-Erfinderin und Hauptdarstellerin | |
Waller-Bridge in der neuen Serie „nur“ eine (unter sechs) ausführenden | |
Produzenten ist und sie als Schauspielerin in Folge fünf in einer | |
klitzekleinen Nebenrolle ihren Auftritt hat. | |
„RUN.“ Drei Versalien auf dem Handy-Display, die die Frau (Merritt Wever) | |
in ihrem SUV auf dem Supermarktparkplatz paralysieren. Wird hier eine | |
Schläferin aktiviert? Kierkegaards Weisheit, dass das Leben vorwärts | |
gelebt und rückwärts verstanden wird, als Rezept für eine Fernsehserie. | |
Wenn man in diesem Moment folgert, dass es sich um einen Thriller handeln | |
muss, hat man nicht die Hälfte verstanden. „RUN“, simst nach kurzem Zögern | |
auch die Frau, fährt schnurstracks zum nächsten Flughafen, fliegt nach New | |
York, besteigt dort in der Grand Central Station einen Zug. Wie sie es 15 | |
Jahre zuvor verabredet hat – wenn auch nicht mit einem Geheimdienst, | |
sondern mit ihrer Jugendliebe (Domhnall Gleeson). | |
Das und vieles andere versteht man, wie gesagt, nur rückwärts. Denn dass | |
ein auf so einem irre romantischen Versprechen beruhendes Wiedersehen damit | |
beginnt, dass die Liebenden elfmal „Fuck“ sagen (er sechsmal, sie fünfmal), | |
liegt ja nicht auf der Hand. Und dass sie sich dann erst mal zu einem | |
„moratorium on personal questions“ verpflichten, macht es dem Zuschauer | |
auch nicht leichter. Aber genau so hat es sich Vicky Jones ausgedacht, als | |
mit Dialogwitz nicht eben geizender „Creator“ und Autorin der ersten Folge | |
von „Run“: kein Thriller, sondern eher die gute alte Screwball-Komödie in | |
neuem Gewand. Mit Thriller-Elementen. | |
PS: Fernsehen in Corona-Zeiten. Während wir uns, gefangen in unserem | |
Zuhause, ständig fragen, was wir da draußen alles verpassen, fragt sich die | |
weibliche Hauptfigur von „Run“, ob sie nicht vielleicht doch besser zu | |
Hause geblieben wäre. Statt bei der Familie sitzt sie nun in einem – | |
amerikanischen – Zug, der in Sachen Funklöcher mühelos mit der Deutschen | |
Bahn mithalten kann. | |
In dem es aber, anders als bei dieser, noch Schlafwagenabteile gibt, die, | |
wie wir spätestens seit „Der unsichtbare Dritte“ wissen, ein ergiebiger | |
Quell des Slapsticks sind. Und, auch interessant, in diesem – | |
amerikanischen – Schlafwagenabteil gibt es wiederum eine nicht weiter | |
abgetrennte Toilette. Wie in einer Gefängniszelle. | |
13 Apr 2020 | |
## AUTOREN | |
Jens Müller | |
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