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# taz.de -- Fleischhaltige Ernährung: Essen ohne Sinn fürs Klima
> Beim Grillen heizen wir der Erde ganz schön ein – vor allem, wenn viel
> Fleisch auf dem Rost liegt. Das hat auch eine soziale Komponente.
Bild: Nicht nachhaltig: Grillgut vom Tier
Berlin taz | Ein Sommer ohne Grillen – kein richtiger Sommer. Das findet
Umfragen zufolge ein Großteil der Deutschen. Und deshalb greifen sie
kräftig zu, wenn Discounter und Supermärkte sie in der Grillsaison mit
Billigangeboten locken.
Ein Problem für Umwelt und Klima. Denn Fleischprodukte sind aufwendig zu
produzieren und verursachen viele Emissionen und Gülle, die das Grundwasser
belasten kann, erklärt Florian Antony vom Freiburger Öko-Institut.
Pflanzliche Produkte dagegen brauchen weniger Fläche und verursachen
weniger Treibhausgasemissionen. Der deutsche Fleischkonsum sei „jenseits
von Gut und Böse“, so der Wissenschaftler.
Pro Kopf aßen die Deutschen laut Bundesamt für Landwirtschaft und Ernährung
im vergangenen Jahr [1][57,3 Kilogramm, 750 Gramm weniger als 2019].
Berücksichtigt man Tierfutter oder industrielle Verwertung, sind es schon
knapp 90 Kilo. Laut der Deutschen Gesellschaft für Ernährung sollten es
allein aus gesundheitlichen Gründen maximal 300 bis 600 Gramm die Woche
sein – also gut 15 bis 30 Kilogramm im Jahr.
Dem Handel ist das bislang egal: Er sorgt mit seiner Preispolitik dafür,
dass die Deutschen lieber zum Marinade-Nackensteak aus konventioneller
Haltung als zum Tofuburger greifen. Das hat durchaus eine soziale
Komponente. Wer arm ist, schädigt sich selbst und das Klima deshalb
wahrscheinlich öfter: 85 Prozent des von deutschen Supermärkten angebotenen
Grillfleischs ist laut einer [2][Untersuchung des Umweltorganisation WWF]
wesentlich billiger als Fleischersatzprodukte.
Die aktuelle Analyse von 56 Prospekten von acht deutschen Supermarktketten
ergab, dass reduzierte Tofuwurst und Sojaburger mehr als doppelt so teuer
waren wie Schweinefleisch- oder Geflügelprodukte im Angebot.
Während Koteletts oder Grillwürstchen vom Schwein mit einem Preis von
durchschnittlich 6,36 Euro pro Kilo und Hähnchenschenkel und
Putenbrustfilets für 5,67 Euro pro Kilo angeboten werden, liegen
Fleischersatzprodukte bei 13,79 Euro pro Kilo. Grillfleisch wurde nicht nur
fast 30-mal häufiger beworben als Fleischersatzprodukte. Zudem kommen laut
der WWF-Analyse nur die wenigsten Waren aus höheren Haltungsformen.
Lediglich zwei Prozent der Rabatt-Produkte wiesen Bioqualität auf, bei
vielen war die Herkunft gar nicht ausgewiesen.
## Zerstörung durch Tierhaltung
Damit der Kundschaft günstiges Fleisch angeboten werden kann, muss
massenhaft Vieh gehalten und Futter, vor allem Soja, importiert werden. Das
treibt die Zerstörung von Lebensräumen wie Regenwäldern und Savannen voran
– zulasten des Klimas. „Mit Billigfleisch wird der Amazonas verramscht“,
warnt der WWF. So würden etwa 96 Prozent der Soja-Anbaufläche für
Tierfutter benötigt, nur 4 Prozent für pflanzliche Lebensmittel.
Fleischersatzprodukte belasten das Klima deutlich weniger. Das Öko-Institut
bestätigte in einer Metastudie laut Nachhaltigkeitsexperte Antony „breit
und robust“ die Hypothese, dass Tofu-Bratwurst, veganes Chili,
Seitan-Braten, vegetarisches Schnitzel, Bohnenburger oder Sojasteak im
Vergleich zu tierischen Produkten das eigene Gewissen und die Umwelt
entlasten können. Denn: Die meisten Fleischersatzprodukte sind mit Blick
auf Treibhausgaspotenzial und den Bedarf landwirtschaftlicher Flächen
günstiger zu bewerten als Fleisch.
Ersatzprodukte seien aber nur dann Teil der Lösung, wenn sie Fleisch
ersetzen und nicht ergänzen, sagt Antony. „Ein überzeugter Vegetarier
vermisst ohne Fleisch vielleicht nichts. Andere wollen jedoch nicht
verzichten und ihr Würstchen grillen.“ Gerade sie probierten dann
vielleicht die Ersatzprodukte aus. „Es gibt viele Möglichkeiten, Gemüse
köstlich zuzubereiten“, sagt Antony. Bei den verschiedenen Ernährungsweisen
schneidet aus der Öko-Perspektive die vegane am besten ab. Stellt ein*e
Fleischesser*in um, spart er*sie – konservativ gerechnet – über 50
Prozent an Treibhausgasen.
Allerdings weisen die Forscher*innen vom Öko-Institut darauf hin, dass
die aufwendige Verarbeitung von Soja bei Fleischersatzprodukten beachtet
werden muss. So sei es wichtig zu unterscheiden, ob Soja auf Flächen
angebaut wird, auf denen zuvor tropischer Regenwald stand oder aber auf
Flächen in Europa, die zuvor etwa zum Futtermittelanbau genutzt wurden.
## Rot versus weiß
Auch die Diskussion über rotes und weißes Fleisch ist komplex. Dass
Hühnerfleisch per se besser für die Umwelt sein soll als Rindfleisch,
zweifelt Antony an. Rotes Fleisch verursache zwar mehr Emissionen. Jedoch
zeige sich bei der Flächennutzung ein anderes Bild: Das Futter für die
Geflügelmast wachse auf Flächen, auf denen auch direkt pflanzenbasierte
Nahrungsmittel produziert werden könnten.
Das Fleisch von Wiederkäuern dagegen könne zumindest theoretisch und bei
entsprechend reduziertem Konsum auf Grünlandflächen produziert werden.
Solche Flächen sind gut für den Biodiversitätsschutz und könnten ohnehin
kaum oder gar nicht ackerbaulich genutzt werden. Antonys Botschaft: „Es
reicht nicht aus, Pute statt Rind zu kaufen. Wir müssen den Fleischkonsum
drastisch reduzieren.“
Ernährung trägt zu etwa 15 Prozent zur CO2-Bilanz eine*r
Durchschnittsbürger*in in Deutschland bei. Berücksichtigt man neben den
Treibhausgasemissionen weitere Umweltwirkungen – etwa Belastung durch
Pestizide oder Kunstdünger –, steigt der Anteil der Ernährung an der
Gesamtumweltbelastung auf über 25 Prozent. Essen sei also ein „riesiger
Hebel“, sagt Antony. Der Sonntagsbraten – einst aus ökonomischer Not
geboren – könnte eine Renaissance erleben. Antony: „Ein Tag Fleisch die
Woche wäre besser als lediglich einer pro Woche ohne Fleisch.“
17 Aug 2021
## LINKS
[1] https://www.ble.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2021/210322_Fleisch.html
[2] https://www.wwf.de/themen-projekte/landwirtschaft/ernaehrung-konsum/fleisch…
## AUTOREN
Mareike Andert
## TAGS
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