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# taz.de -- Neuer Streit um die Grundrente?: Spiel auf Zeit
> Eigentlich sollte die Grundrente gerade Thema im Bundestag sein. Einige
> CDUler nutzen aber die Coronakrise, um gegen das Projekt zu wettern.
Bild: In der CDU wollen sie viele nicht: Die Grundrente für Geringverdiener
Frankfurt taz | Seit Jahren wächst in Deutschland die Zahl der altersarmen
Rentner*innen. In dieser Woche sollte nun endlich die Grundrente im
Bundestag diskutiert werden, mit der Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD)
den Betroffenen aushelfen will.
Dazu kommt es nun nicht. „Wir bedauern sehr, dass wir in dieser Sitzung
nicht die Grundrente in erster Lesung werden lesen können“, sagte
SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich am Dienstag vor der Fraktionssitzung in
Berlin. Das Kabinett habe den Gesetzentwurf einmütig beschlossen, die Union
sei aber nicht bereit gewesen, ihn auf die Tagesordnung zu nehmen.
## Einfaches Grundprinzip der Grundrente
Einige Unionspoliker*innen versuchen angesichts der aktuellen
[1][Coronakrise], Stimmung gegen die Grundrente zu machen: „Wir sollten uns
ehrlich machen: Die Grundrente wird bis auf Weiteres nicht kommen“,
erklärte etwa der Vorsitzende der Mittelstands- und Wirtschaftsunion,
Carsten Linnemann, im Spiegel. Zwar hat das Kabinett die Grundrente
bereits beschlossen. Wegen Corona sei der finanzielle Spielraum nun aber
noch einmal geringer, argumentieren Kritiker*innen.
Das Grundprinzip der Grundrente ist einfach: Wer lange gearbeitet hat, im
Alter aber nur eine Minirente bekommt, soll nach einer Einkommensprüfung
eine Aufstockung bekommen. So sollen diese Menschen im Alter nicht mehr auf
Grundsicherung angewiesen sein. Die Grundrente solle nicht weniger als ein
„Meilenstein für die Menschen“ sein, hatte Heil gesagt.
Der CDU-Abgeordnete Kai Whittacker verweist nun auf Umsetzungsprobleme. Die
Deutsche Rentenversicherung hatte in einer Stellungnahme die
„außerordentliche Belastung der Rentenversicherungsträger“ durch die sehr
komplexe Prüfung von Anwartschaften kritisiert. Dazu zählt unter anderem
die Einkommensprüfung.
## Das Arbeitsministerium bleibt optimistisch – und damit allein
„Der Wirtschaftsflügel der Union mochte das Projekt von vornherein nicht
und hätte jeden Anlass genommen, um die Grundrente zu verhindern“,
kritisiert der rentenpolitische Sprecher der Grünen, Markus Kurth. „Es ist
ein Treppenwitz, dass sich die Union über den Aufwand des Projekts beklagt,
den sie mit der Einkommensprüfung selbst hineinverhandelt hat.“
Auch der Rentenexperte der Linksfraktion, Matthias W. Birkwald, ist
überrascht: „Gerade jetzt wäre es wichtig, die Grundrente einzuführen. Die
Krise trifft gerade ärmere Menschen sehr, und die Grundrente würde manchen
von ihnen etwas Abhilfe schaffen“, sagt er.
Zwar bewerten Linke und Grüne die Idee einer Aufstockung kleiner Renten
grundsätzlich positiv – allerdings ist von den ursprünglichen Versprechen
Heils [2][wenig übrig geblieben]. „Durch die von der Union durchgesetzte
Kürzung des Zuschlags werden viele Menschen weiter in der
bedürftigkeitsgeprüften ‚Grundsicherung im Alter‘ verbleiben müssen“,
kritisiert Birkwald.
Laut einer Modellrechnung des Linkenpolitikers landet eine Person, die 35
Jahre Vollzeit mit einem Stundenlohn von 9,35 Euro gearbeitet hat, auch
nach der Aufwertung durch die Grundrente bei gerade mal 806,06 Euro netto
im Monat. Das sind sogar rund drei Euro weniger als der durchschnittliche
Auszahlungsbetrag der Grundsicherung im Alter. „Gerade dort, wo die
Wohnkosten hoch sind, wird es dann eng werden“, beklagt auch
Grünen-Politiker Kurth. „Das ist ein Bonsai-Projekt, das viele Erwartungen
enttäuschen wird.“
Das Arbeitsministerium bleibt derweil optimistisch. Auf taz-Nachfrage heißt
es von dort: „Wir als BMAS stehen natürlich weiterhin zum
Kabinettsbeschluss und zur Grundrente generell und streben ein
Inkrafttreten wie geplant zum 1. 1. 2021 an.“
22 Apr 2020
## LINKS
[1] /Schwerpunkt-Coronavirus/!t5660746/
[2] /Gesetzentwurf-zur-Grundrente/!5662777
## AUTOREN
Alina Leimbach
## TAGS
Grundrente
Sozialpolitik
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Rentenpolitik
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