# taz.de -- Opfer der Wiedervereinigung: Noch länger warten | |
> Viel verloren sie durch den Mauerfall: Ein „Härtefallfonds“ für | |
> benachteiligte Ost-Rentner wird aber wohl erst im Herbst kommen. | |
Bild: Leipzig, 1981: Postmitarbeiterinnen hatten in der DDR Anspruch auf eine Z… | |
Dresden taz | Bis zu 700.000 ostdeutsche Rentner konnten bis vor zwei | |
Wochen auf den April hoffen. Eine Bund-Länder-Kommission unter Federführung | |
des Arbeits- und Sozialministeriums sollte dann das konkrete Konzept für | |
einen Härtefallfonds vorlegen, von dem die Rentner profitiert hätten. Das | |
Projekt soll mittlerweile fast 30 Jahre zurückliegende Ungerechtigkeiten | |
ausgleichen, die mit dem Rentenüberleitungsgesetz im Zuge der [1][deutschen | |
Wiedervereinigung] entstanden waren. Vorgesehen war, den Fonds am 29.Mai im | |
mittelsächsischen Borna auf einer großen Konferenz vorzustellen. | |
Nach Angaben einer Sprecherin des Bundesarbeits- und Sozialministeriums | |
wird das Konzept zwar „auch in der [2][aktuellen Situation] fachlich | |
vorbereitet“. Die SPD-Bundestagsabgeordnete Daniela Kolbe aber beobachtet, | |
„dass derzeit leider niemand Kapazitäten hat, sich darum zu kümmern“, zum… | |
die SozialministerInnen der Länder stark in die Bekämpfung der | |
Virusepidemie eingebunden sind. | |
Kolbe, damals noch Generalsekretärin in Sachsen, und die sächsische | |
Sozialministerin Petra Köpping gehörten zu den treibenden Kräften, die im | |
Bundestagswahljahr 2017 als „Kümmererpartei Ost“ mit solchen Themen für d… | |
SPD zu punkten hofften. Doch im GroKo-Koalitionsvertrag vom Februar 2018 | |
blieben nur zwei absichtsvolle Sätze übrig, die außerdem die Gruppe der | |
Spätaussiedler und der jüdischen Kontingentflüchtlinge berücksichtigen | |
wollten. | |
Von der geplanten Fondslösung würden 17 verschiedene Personen- und | |
Berufsgruppen profitieren. Eine von ihnen: Nach DDR-Recht geschiedenen | |
Frauen. Auf allein 300 000 wurde ihre Zahl in den 1990-er Jahren geschätzt. | |
Ihnen entgeht der in Westdeutschland übliche Versorgungsausgleich, weil | |
ihre geschiedenen Männer nicht nachträglich zu diesen Zahlungen | |
herangezogen werden dürfen. | |
## Es läuft auf eine symbolische Geste hinaus | |
Andere wurden im Rentenüberleitungsgesetz schlichtweg vergessen. Sie hatten | |
in der DDR Anspruch auf eine Zusatzversorgung und zum Teil in diese | |
eingezahlt. Eisenbahner, Bergleute, Ingenieure, Postmitarbeiter, | |
Spitzensportler, Professoren oder Künstler zählten zu ihnen. Einige hatten, | |
wie manche geschiedenen Frauen, geklagt und waren letztinstanzlich vom | |
Europäischen Gerichtshof abgewiesen worden. | |
Die Ungerechtigkeit aber bleibt, und deshalb nannte die SPD die | |
beabsichtigte Entschädigung zunächst „Gerechtigkeitsfonds“. Sonderliche | |
Eile ist in zwei Jahren GroKo bei der Durchsetzung des Härtefallfonds´ aber | |
nicht zu spüren gewesen. Und nach 30 Jahren sind ohnehin bereits viele | |
Betroffene schon nicht mehr am Leben. | |
Andererseits: Die immer noch hohe Zahl der Betroffenen ist ebenfalls ein | |
Problem. 700 000 Anspruchsberechtigte sind es laut Rundem Tisch der | |
Betroffenengruppen. Bei dieser Größenordnung wurde bald klar, dass ein | |
realer Rentenverlustausgleich nicht möglich ist. Im Vorjahr sprach Sachsens | |
Ministerpräsident Michael Kretschmer deshalb bereits von einer | |
„symbolischen Lösung“. „Der Fonds kann so oder so nur eine symbolische | |
Geste sein“, sagt nun auch Daniela Kolbe. | |
Auch Marion Boeker, Beraterin der Betroffenengruppen, hat längst | |
Entgegenkommen signalisiert und spricht vom „Angebot einer Einmalzahlung | |
zur sozialen Befriedung“. Größenordnungen von 15 – 20 000 Euro waren im | |
Gespräch. Boeker sieht aber auch im Zuge der beschlossenen gewaltigen | |
Summen zur Pandemiefolgen-Kompensation die Chance, sozusagen en passant | |
auch für die Rentner zu höheren Summen zu gelangen. Warten müssen die | |
Betroffenen darauf nun aber wahrscheinlich bis zum Wiedervereinigungsjubel | |
im Herbst. | |
8 Apr 2020 | |
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## AUTOREN | |
Michael Bartsch | |
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