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# taz.de -- Corona-Streit zwischen USA und China: Kalter Krieg viral
> Vor allem die US-Regierung deutet an, das Coronavirus könne aus einem
> Labor in Wuhan stammen. Plausibler ist jedoch ein anderer Ursprung.
Bild: Gegen das Institut für Virologie in Wuhan gibt es Vorwürfe aus Washingt…
PEKING taz | Der Höhepunkt der Coronapandemie steht in den meisten Ländern
noch aus. Doch ist längst eine harsche Debatte über die Frage nach dem
Ursprung des Erregers ausgebrochen, die federführend von den USA und China
geführt wird.
Sie beschuldigen den jeweils anderen. Bereits vor Wochen hatten chinesische
Diplomaten die krude These verbreitet, das Virus könne von US-Soldaten nach
China eingeführt worden sein. In Wuhan hatte im Herbst ein militärischer
Sportwettbewerb stattgefunden, zu dem auch US-Soldaten eingeflogen waren.
Mittlerweile sind Chinas Medien längst von jenem Narrativ abgerückt. In den
sozialen Medien hält sich die Theorie jedoch hartnäckig, von den Zensoren
weiter geduldet.
In den USA rückt seit Tagen die sogenannte Laborthese wieder in den Fokus.
Sie kursiert schon länger im Web in mehreren Versionen. Eine besagt, das
Virus stamme aus einem Biowaffenlabor und sei absichtlich oder
versehentlich über eine erkrankte Praktikantin an die Öffentlichkeit
gelangt. Dagegen spricht unter anderem, dass jenes Biowaffenlabor nahe
Wuhan weit außerhalb des Stadtzentrums liegt und damit weit entfernt von
jenem Markt, auf dem der erste Infektionsstrang dokumentiert ist.
Auch die Wissenschaft schließt die These weitestgehend aus: Laut einer
[1][im Fachmagazin Nature publizierten Studie] sei es äußerst
unwahrscheinlich, dass Sars-CoV-2 von Menschenhand kreiert wurde. „Wir
glauben nicht, dass irgendein laborbasiertes Szenario plausibel ist“, heißt
es in dem Bericht.
## Alternative Laborthese
[2][Im Fachmagazin Lancet] veröffentlichten 27 internationale
Wissenschaftler, darunter Christian Drosten von der Berliner Charité, ein
Statement: „Wir stehen zusammen dafür ein, jegliche Verschwörungstheorien
zu verurteilen, die behaupten, dass Covid-19 keinen natürlichen Ursprung
hat.“ Zitierte Analysen des Genoms zeigten deutlich und übereinstimmend,
dass das Virus von Wildtieren stamme.
Doch hat die Washington Post interne Dokumente der US-Botschaft in Peking
eingesehen, die eine alternative Version der Labortheorie nahelegen.
Demnach haben 2018 Washingtoner Diplomaten wiederholt das Wuhan Institut
für Virologie besucht, da sie über dortige Sicherheitsstandards besorgt
waren. Das Institut operiert unter der höchsten Sicherheitsstufe BSL-4 wie
etwa 50 Forschungseinrichtungen weltweit.
Gezielt wiesen US-Wissenschaftsdelegationen auf die dortige Forschung zu
Coronaviren an Fledermäusen hin, und dass bei Missachtung der Vorschriften
ein sarsähnlicher Erreger entweichen könne. Wie schnell solche Fehler
passieren können, weiß Washington aus eigener Erfahrung: 2015 hatte das
US-Militär versehentlich lebende Anthraxproben an mehrere Labore im Land
sowie eine US-Militärbasis in Südkorea verschifft.
Auch wenn es für die Laborthese keine handfesten Beweise gibt, spielt sie
der US-Sender Fox rauf und runter. Als US-Präsident Donald Trump am
Mittwoch von einem Journalisten darauf angesprochen wurde, sagte er: „Wir
hören die Geschichte immer öfter.“ Seine Regierung untersuche sehr genau,
was passiert sei. Außenminister Mike Pompeo forderte, Peking müsse endlich
„reinen Tisch machen“.
## Wissenschaft nur mit Genehmigung
Peking reagierte empört: Man solle die Frage nach dem Ursprung der
Wissenschaft überlassen, sagte Außenamtssprecher Zhano Lijian. Doch den
wissenschaftlichen Wahrheitsdrang versucht China genau zu lenken. Diese
Woche erließ die Regierung eine Direktive, dass jetzt alle chinesischen
Wissenschaftler, die zu dem Virus publizieren wollen, eine staatliche
Genehmigung brauchen. Als wahrscheinlich gilt nach wie vor, dass das Virus
erstmals im Huanan-Markt in Wuhan auf Menschen übergesprungen ist.
Als Ursprung wird eine Fledermausart vermutet, wobei mehrere Zwischenwirte
für das Virus infrage kommen. Einen sogenannten „Patient Zero“ gibt es
bisher jedoch nicht. Von daher lässt sich letztlich nicht beweisen, ob der
Markt in Wuhan tatsächlich der Ursprung von Sars-CoV-2 ist. Die Tiere und
Virusproben hat die Regierung sofort zerstört, ehe unabhängige Virologen
diese untersuchen konnten.
Für Peking ist die Debatte unangenehm, weil die ersten Wochen – im
Gegensatz zur späteren hocheffizienten Virusbekämpfung – [3][von
Vertuschungen und Fehlentscheidungen geprägt war]. Aus dem Außenministerium
heißt es bis heute, Vertuschungen habe es „niemals“ gegeben. Dabei ist
längst bekannt, dass die Behörden Mediziner in Wuhan, die frühzeitig vor
einer „neuartigen Lungenseuche“ warnen wollten, zum Schweigen brachten.
Neu ist ein internes Dokument der Nationalen Gesundheitskommission in
Peking, über das die Nachrichtenagentur AP kürzlich berichtet hat: Bereits
am 14. Januar hatte Kommissionsleiter Ma Xiaowei vor der „schwerwiegendsten
Herausforderung seit Sars“ gewarnt. Doch erst knapp eine Woche später
bestätigte die Regierung, dass das Virus von Mensch zu Mensch übertragen
werden könne.
Auf diese Details stützen sich die vor allem in den USA vorangetriebenen
Initiativen, die mit Sammelklagen China für den wirtschaftlichen Schaden
aufkommen lassen wollen. Eine ähnliche Kampagne führt die Bild-Zeitung.
Chinas Botschaft in Berlin wies dies als „infam“ zurück.
Mitarbeit: Andrew Müller
20 Apr 2020
## LINKS
[1] https://www.nature.com/articles/s41591-020-0820-9
[2] https://www.thelancet.com/journals/lancet/article/PIIS0140-6736(20)30418-9/…
[3] /Coronavirus-in-China/!5657021
## AUTOREN
Fabian Kretschmer
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