# taz.de -- Blutspenden und Homosexuelle: Lebensfremde Voraussetzungen | |
> Aus Angst vor Kontakt gibt es zu wenig Blutspenden. FDP-PolitikerInnen | |
> fordern jetzt, das Spendeverbot für Transpersonen aufzuheben. | |
Bild: Box-Weltmeister Dominic Bösel bei der Blutspende | |
Berlin taz | Um die Covid-19-Pandemie zu überstehen, braucht das | |
Gesundheitssystem nicht nur ausreichend Schutzkleidung, Intensivbetten und | |
Beatmungsgeräte, sondern auch Blutkonserven. Das Kontaktverbot hält die | |
Leute offensichtlich vom Blutspenden ab. Schon Mitte März hatte das | |
Deutsche Rote Kreuz (DRK) gewarnt, dass die Versorgung bald nicht mehr | |
lückenlos gesichert sei und zu vermehrten Blutspenden aufgerufen. | |
Diese Situation haben zwei Bundestagsabgeordnete der FDP genutzt, um erneut | |
darauf aufmerksam zu machen, dass sexuell aktive homo- und bisexuelle | |
Männer sowie Trans*-Personen von der Blutspende faktisch ausgeschlossen | |
sind. Der LSBTI-politische Sprecher der FDP, Jens Brandenburg, und Katrin | |
Helling-Plahr, die im Gesundheitsausschuss sitzt, haben in dieser Woche in | |
Briefen ([1][hier via Queer.de]) an den Bundesgesundheitsminister Jens | |
Spahn (CDU) und den Präsidenten der Bundesärztekammer, Klaus Reinhardt, | |
appelliert, die „lebensfremde Voraussetzung von 12 Monaten Enthaltsamkeit“ | |
aufzuheben und die Regeln an dem „tatsächlichen Risikoverhalten“ statt an | |
der „sexuellen Identität“ auszurichten. | |
Auch die separate Auflistung der Personengruppe transsexueller Menschen | |
entbehre einer medizinischen Begründung, heißt es in den Briefen weiter. | |
Die Bundestagsfraktion der FDP [2][twitterte] „Blut ist nicht hetero, homo | |
oder trans“, zusammen mit einem Blutstropfen in Regenbogenfarben. | |
Blutspenden sind in Deutschland im Transfusionsgesetz geregelt und in den | |
Richtlinien der Bundesärztekammer konkretisiert. 2017 hatte die | |
Bundesärztekammer die Frist von einem Jahr Enthaltsamkeit eingeführt, davor | |
waren homosexuelle Männer vollständig von der Blutspende ausgeschlossen. | |
Der Lesben- und Schwulenverband (LSVD) kritisiert den Ausschluss von homo- | |
und bisexuellen Männern von der Blutspende schon lange als diskriminierend. | |
Der Verband fordert, bei der Auswahl von Spender*innen auf „das konkrete | |
Verhalten“ zu achten statt „auf Gruppenzugehörigkeiten“: „Denn das Ris… | |
bemisst sich danach, ob Sexualpraktiken safe oder unsafe sind, nicht | |
danach, ob sie homo- bzw. heterosexuell sind“, heißt es auf der | |
[3][Webseite des Verbandes]. | |
## Medizinisch unnötig | |
Der FDP-Abgeordnete Brandenburg nannte das Gesetz im Gespräch mit der taz | |
„ewig gestrig“, „medizinisch unnötig und lebensfremd“. Notfalls müsse… | |
Gesetzgeber den diskriminierenden Ausschluss über eine Klarstellung im | |
Transfusionsgesetz beenden“ wenn die Bundesärztekammer ihre Richtlinien | |
nicht ändere. „Es soll niemand sterben müssen, nur, weil der mögliche | |
Blutspender der Richtlinie zu schwul war“, schloss der | |
Bundestagsabgeordnete. | |
Die grüne Bundestagsabgeordnete Kordula Schulz-Asche sagte der taz, dass | |
„die Sicherheit der Empfänger*innen von Blutspenden höchste Priorität | |
haben“ müsse. Gerade deswegen sei es wichtig, die Regelungen auf eine | |
wissenschaftliche Grundlage zu stellen. Die Sprecherin für | |
Infektionskrankheiten im Gesundheitsausschuss ergänzte, die Annahme, | |
Männer, die Sex mit Männern haben, seien weniger monogam oder praktizierten | |
weniger Safer Sex, sei nicht bewiesen, sondern ein Vorurteil. Deswegen | |
müsse der diskriminierende Ausschluss dieser Gruppe beendet werden. | |
Die US-amerikanische Food and Drug Administration (FDA) hat am Donnerstag | |
das dortige Verbot gelockert, von zwölf auf drei sexfreie Monate. Die | |
veränderten Richtlinien sollen nach der Covid-19-Krise bestehen bleiben, | |
sie betreffen auch Menschen mit Tattoos und Piercings sowie Frauen, die Sex | |
mit bisexuellen Männern haben. Die Human Rights Campaign, die größte | |
US-amerikanische LGBTQ-Bürgerrechtsorganisation, begrüßte den Schritt, | |
kritisierte jedoch zugleich, dass auch das neue Zeitlimit nicht auf | |
wissenschaftlichen Erkenntnissen begründet sei. | |
5 Apr 2020 | |
## LINKS | |
[1] https://www.queer.de/docs/blutspende-brief-spahn.pdf | |
[2] https://twitter.com/fdpbt/status/1246069085542273024?ref_src=twsrc%5Egoogle… | |
[3] https://www.lsvd.de/de/home | |
## AUTOREN | |
Kirsten Achtelik | |
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