# taz.de -- Beratung zum Schwangerschaftsabbruch: Corona killt den Datenschutz | |
> Die Pflichtberatung vor Abtreibungen darf während der Pandemie am Telefon | |
> oder mit digitalen Medien stattfinden. Doch die Daten sind nicht | |
> geschützt. | |
Bild: Abtreibungsberatung über Whatsapp: Wie war das noch mit dem Datenschutz? | |
BREMEN taz | Es klang zunächst nach einer pragmatischen, schnellen Lösung. | |
Die gesetzlich vorgeschriebene Beratung vor einer Abtreibung ist derzeit | |
auch mit digitalen Medien erlaubt. [1][Die taz hatte als Erste über diese | |
Maßnahme berichtet], mit der Berater*innen und Klient*innen vor einer | |
Ansteckung mit dem Coronavirus geschützt und Quarantänevorschriften | |
eingehalten werden sollen. Doch jetzt mehrt sich Kritik an der | |
Entscheidung: Weil der Datenschutz nicht gewährleistet sei. | |
Dass Frauen in diesen Zeiten keine Beratungsstelle aufsuchen müssten, sei | |
gut, sagt Regine Wlassitschau vom Bundesverband von Pro Familia, einer | |
Familienplanungsorganisation, die deutschlandweit an 190 Orten zu | |
Schwangerschaftsabbrüchen berät. Aber: „Die Beratung muss trotzdem | |
vertraulich sein.“ Eine Beratung über Dienste wie Skype oder Whatsapp könne | |
dies nicht leisten, die Daten seien nicht so geschützt, wie sie das bei | |
diesem sensiblen Thema sein müssten. | |
Pro Familia rät deshalb den Beratungsstellen dazu, Verträge mit | |
zertifizierten Anbietern von Telemedizin zu schließen. Allerdings gebe es | |
wegen schlechter Internetverbindungen technische Probleme im ländlichen | |
Raum, sagt dazu die Geschäftsführerin von Pro Familia Niedersachsen, Uta | |
Engelhardt. Andere Träger wie das Diakonische Werk im Emsland berichteten | |
der taz, dass sie unter diesen Umständen weiter auf die Beratung vor Ort | |
setzen würden. | |
## In Niedersachsen nur Videoberatung | |
Denn in Niedersachsen ist es nicht möglich, die Beratung per Mail oder am | |
Telefon durchzuführen. [2][Dort sind nur Medien erlaubt,] die eine | |
Überprüfung der Identität am Bildschirm ermöglichen. Die Frauen sollen | |
ihren Ausweis in die Kamera halten. | |
Die niedersächsische Datenschutzbeauftragte hat gegen dieses Vorgehen keine | |
Einwände. „Im Normalfall“ wäre das „datenschutzrechtlich problematisch�… | |
schrieb ihr Sprecher Johannes Pepping der taz vergangene Woche. „Die | |
Corona-Pandemie macht aber in deutlich größerem Umfang elektronische | |
Kommunikation zwingend notwendig.“ Pepping wies darauf hin, dass der | |
Ausweis nicht zur Dokumentation abfotografiert werden dürfe, auch ein | |
Screenshot sei nicht zulässig. | |
Nicht einmal Bayern ist so streng. Dort ist auch eine telefonische Beratung | |
möglich, ebenso in Bremen, Hamburg, Schleswig-Holstein, Baden-Württemberg, | |
Thüringen, dem Saarland und Nordrhein-Westfalen. Diese Länder schreiben den | |
Beratungsstellen stattdessen vor, dass sie eine Kopie des Personalausweises | |
per Post, per Fax oder als eingescannte Datei per E-Mail verlangen müssen. | |
Letzteres sei auch nicht sicherer als das Hochhalten des Ausweises, sofern | |
die Mails nichts verschlüsselt seien, sagt Pepping, der Sprecher der | |
niedersächsischen Datenschutzbeauftragten. | |
## Sensible Daten in unsicheren Kanälen | |
Doch die Nutzung von Diensten wie Skype und Whatsapp, die das | |
niedersächsische Gesundheitsministerium ausdrücklich nennt und die auch in | |
den anderen Ländern erlaubt sind, bringt weitere datenschutzrechtliche | |
Probleme mit sich, die bei Telefonaten und Mails nicht auftreten. Darauf | |
weist Saskia Fritzsche, Referentin für das Gesundheits- und Sozialwesen | |
beim Hamburger Datenschutzbeauftragten hin. | |
Sie nennt als erstes Problem den Austausch von Bilddaten auf „nicht | |
hinreichend sicheren“, unverschlüsselten Kanälen. Im schlimmsten Fall würde | |
dann nicht nur ein gehackter Chatverlauf öffentlich werden, in dem eine | |
Frau über einen bevorstehenden Schwangerschaftsabbruch und ihre Gründe | |
dafür spricht – sondern sie wäre auch im Bild zu sehen. Zudem, sagt | |
Fritzsche, könne nicht ausgeschlossen werden, dass der Dienstanbieter Daten | |
aufzeichne und Metadaten erhebe. | |
Sie nennt ein weiteres Problem: Für die Nutzung von Videokommunikation | |
müssten Kundenkontakte angelegt oder Apps installiert werden, „die eine | |
Zugriffsberechtigung auf sensible Funktionen fordern und umfangreich | |
Gerätedaten erheben“. Daher rät ihre Behörde „unter dem Gesichtspunkt der | |
Datensparsamkeit“ zu einer Beratung via E-Mail – unter der Voraussetzung, | |
dass E-Mails nach Ende des Beratungsgesprächs irreversibel gelöscht würden. | |
## Aussetzen der Beratungspflicht gefordert | |
Noch sicherer sei ein Telefongespräch, dies sei wegen des grundgesetzlich | |
geschützten Fernmeldegeheimnisses vergleichbar mit einem persönlichen | |
Treffen. Fritzsche rät den Frauen, nur von eigenen Anschlüssen zu | |
telefonieren – weil sonst anhand der auf der Abrechnung erscheinenden | |
Nummer nachvollzogen werden könne, mit wem jemand telefoniert habe. | |
Die Gefahr, dass etwa ein Mann herausfindet, dass seine Frau eine | |
Schwangerschaft abbrechen möchte, ist im rot-schwarz regierten | |
Niedersachsen höher als in anderen Bundesländern. Denn das Sozial- und | |
Gesundheitsministerium schreibt vor, den Nachweis über die Beratung, ohne | |
die eine Abtreibung in Deutschland als Straftat gegen das Leben gilt, als | |
Originalschein mit der Post zu versenden. In anderen Bundesländern kann der | |
Schein auch per Mail oder Fax übersandt werden – was eine zeitliche | |
Verzögerung verhindert. | |
Die frauenpolitische Sprecherin der Grünen im niedersächsischen Landtag, | |
Imke Byl, sagt dazu: „Das Versenden des Beratungsscheins per Post an die | |
Adresse der Betroffenen ist besonders zynisch, wenn der im gleichen | |
Haushalt lebende Mann nichts von der Schwangerschaft wissen darf.“ | |
Auch Beratungsgespräche über Videochat ohne entsprechenden Datenschutz hält | |
Byl für „hochproblematisch“. Niedersachsen müsse daher sofort vom Zwang z… | |
Originalschein und zu Bildmedien abrücken. [3][Anders als die Grünen im | |
Bundestag] geht sie einen Schritt weiter und fordert die Landesregierung | |
dazu auf, sich für eine Aussetzung der Beratungspflicht einsetzen. Das | |
hatte Ende März [4][auch die Linke im Deutschen Bundestag gefordert], wurde | |
darin aber nicht unterstützt. | |
9 Apr 2020 | |
## LINKS | |
[1] /Schwangerschaftskonfliktberatung/!5672957 | |
[2] /Schwangerschaftskonfliktberatung/!5670592 | |
[3] https://www.gruene-bundestag.de/presse/pressemitteilungen/ulle-schauws-dr-k… | |
[4] https://www.linksfraktion.de/themen/positionspapiere/detail/frauen-und-syst… | |
## AUTOREN | |
Eiken Bruhn | |
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