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# taz.de -- Schwangerschaftskonfliktberatung: Abtreibung ohne Datenschutz
> Die Nord-Länder ermöglichen wegen der Coronakrise Pflichtberatungen per
> Mail und Telefon. Nur Niedersachsen besteht auf Videoübertragung.
Bild: Wenn Pro Familia in Bremen schließt, ist die Not groß: 85 Prozent der A…
Bremen taz | In den vier norddeutschen Bundesländern ist es vorübergehend
möglich, die gesetzlich vorgeschriebene
[1][Schwangerschaftskonfliktberatung vor Abtreibungen per Telefon oder
mithilfe digitaler Medien] wie E-Mails oder Videochats durchzuführen. Damit
soll das Übertragungsrisiko von Covid-19-Viren gesenkt werden. Dies
bestätigten am Montag und Dienstag die zuständigen Ministerien
beziehungsweise Senatsressorts der taz.
In Schleswig-Holstein müssen Frauen der Beratungsstelle eine Kopie ihres
Personalausweises per Post, per Fax oder als eingescannte Datei per E-Mail
zusenden, wie ein Sprecher des Gesundheitsministeriums der taz mitteilte.
Und in Niedersachsen sind ausschließlich digitale Kanäle erlaubt, „mit
denen eine Prüfung der Identität am Bildschirm erfolgen kann“, wie es in
einem am Montag veröffentlichten Erlass des Gesundheitsministeriums heißt.
In Frage kämen etwa „Whatsapp, Skype, Facetime“. Und: „Zur Prüfung der
Identität soll die schwangere Frau einen Personalausweis oder Reisepass in
die Kamera halten, die personenbezogenen Daten müssen lesbar sein.“ Das
Ministerium fordert die Beratungsstellen dazu auf, „die schwangere Frau auf
den fehlenden Schutz der sehr intimen bzw. vertraulichen Daten bei der
Übertragung über das offene/öffentliche Internet“ hinzuweisen. Das
rot-schwarz regierte Niedersachsen besteht auch darauf, dass der
Originalnachweis über die Beratung „per Briefpost“ zu übersenden ist.
In [2][Bremen], Hamburg und Schleswig-Holstein ist dies nicht notwendig.
Sie orientieren sich an Nordrhein-Westfalen. Vor einer Woche hatte dort das
Familienministerium erklärt, dass während der Coronakrise „eine
telefonische Beratung oder Beratung durch Nutzung digitaler Medien (Chat,
Skype) unter diesen besonderen Umständen als ausreichend betrachtet“ wird
(taz berichtete). Zudem könne der unterschriebene Beratungsschein auch „per
Telefax, per Computerfax oder per Anhang einer E-Mail als eingescannte
Datei übermittelt werden“.
Auf diese Weise soll sichergestellt werden, dass die Frauen der
Beratungspflicht nachkommen, wenn Beratungsstellen aufgrund von
Quarantäne-Maßnahmen schließen. Wenn Schwangerschaften abgebrochen werden,
ohne dass eine Beratung durch eine staatlich zugelassene Stelle
nachgewiesen werden kann, machen sich Frauen und Ärzt*innen strafbar, so
steht es im Paragrafen 218 des Strafgesetzbuchs.
Unklar ist derzeit, in welchem Umfang Schwangerschaftsabbrüche weiter
durchgeführt werden können, wenn wegen der Corona-Pandemie entweder
niedergelassene Ärzt*innen in Quarantäne oder die Kliniken überlastet sind.
In den meisten Bundesländern findet die Mehrzahl der Eingriffe bei
niedergelassenen Ärzt*innen oder in OP-Zentren statt. Schleswig-Holstein
ist das einzige westdeutsche Bundesland, in dem die Hälfte der Abbrüche in
Kliniken stattfindet, in Niedersachsen ist es ein Drittel.
Reiner Johannsen, Geschäftsführer der Familienplanungseinrichtung Pro
Familia in Schleswig-Holstein, sagte, noch seien keine Engpässe bekannt.
Die Pro-Familia-Beratungsstellen in Kiel und Lübeck hätten zurückgemeldet,
dass die Kliniken weiter Abtreibungen durchführten. Das sagte auch der
Chefarzt der Geburtshilfe am Klinikum Links der Weser in Bremen.
Im Land Bremen könnte die Not allerdings besonders groß werden, weil hier
fast 85 Prozent aller Schwangerschaftsabbrüche an einem Ort durchgeführt
werden: dem medizinischen Zentrum von Pro Familia. „Wenn wir hier einen
Fall haben, müssen wir dicht machen“, sagt Monika Börding, die
Geschäftsführerin des Bremer Landesverbands von Pro Familia. Und sie sagt
auch: „Einen Plan B gibt es nicht.“ Dabei ist die Nachfrage nach ihren
Beobachtungen gerade gestiegen. Eine Erklärung hat sie dafür nicht.
Möglich sei, dass vereinzelt bereits Ärzt*innen und Kliniken keine Abbrüche
mehr machen.
1.768 Frauen kamen im Jahr 2019 zum Abbruch zu Pro Familia Bremen, die
Hälfte von ihnen aus Niedersachsen. In dem Bundesland gibt es Regionen, in
denen die Frauen [3][bis zu 150 Kilometer für einen
Schwangerschaftsabbruch] fahren müssen, weil dort ansässige Ärzt*innen und
Kliniken diesen verweigern.
## Noch fahren die Bahnen
Wenn die Frauen mit öffentlichen Verkehrsmitteln fahren, sind sie auch in
normalen Zeiten einen ganzen Tag unterwegs – und jetzt haben Bahn- und
Busunternehmen die Verbindungen ausgedünnt. Besser wird es nicht. „Noch
fahren die Bahnen“, sagt Dorothea Währisch-Purz, Geschäftsführerin des
Diakonischen Werks Emsland-Bentheim. Das Diakonische Werk berät in Meppen,
Lingen, Nordhorn und Papenburg – Orten ganz im Westen von
[4][Niedersachsen, wo die Versorgungslücken besonders groß] sind.
Ärzt*innen und Familienplanungsexpert*innen fürchten, „dass Frauen wieder
zu ‚unsicheren Abtreibungsmethoden‘ greifen – mit der Gefahr von
gesundheitlichen Schäden wie Entzündungen, Sterilität und Blutungen bis hin
zum Tod.“ So schreiben sie es am Montag in [5][einer der taz vorliegenden
Erklärung], unterzeichnet von Doctors for Choice, Pro Choice, dem
Arbeitskreis Frauengesundheit und Pro Familia. Darin fordern sie zudem von
Bundes- und Landesregierungen sowie den Krankenkassen, dass der Abbruch mit
den „Abtreibungspillen“ Mifegyne und Cytotec mit telemedizinischer
Begleitung bis zum Ende der neunten Schwangerschaftswoche, nach nur einem
Besuch bei einer Ärztin, zu Hause zugelassen wird.
25 Mar 2020
## LINKS
[1] /Schwangerschaftskonfliktberatung/!5672957
[2] https://www.senatspressestelle.bremen.de/detail.php?gsid=bremen146.c.332392…
[3] /Abtreibung-in-Deutschland/!5386152
[4] /Schwangerschaftsabbruch-in-Deutschland/!5571091
[5] /Schwangerschaftsabbrueche-und-Corona/!5673197
## AUTOREN
Eiken Bruhn
## TAGS
Paragraf 218
Schwerpunkt Coronavirus
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