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# taz.de -- Streit um Notfallparlament: Kleiner, aber nicht im Notfallmodus
> Im Ältestenrat des Abgeordnetenhauses gibt es noch keine Einigung
> darüber, wie man das 27-köpfige Notparlament organisieren will.
Bild: Donnerstag soll es im Berliner Abgeordnetenhaus wegen Corona nur halb so …
Berlin taz | Das Abgeordnetenhaus sieht zumindest vorerst davon ab, sich
eine Notvariante für eine zugespitzte Corona-Krise zu geben. Am Montag
einigte man sich im Ältestenrat, dem 16-köpfigen Gremium der führenden
Parlamentarier, neben der Tagesordnung nach taz-Informationen aber darauf,
vom wissenschaftlichen Parlamentsdienst Möglichkeiten für einen sicheren
Weiterbetrieb ausloten zu lassen.
Die SPD-Fraktion hatte v[1][ergangene Woche schon einen Gesetzentwurf für
ein sogenanntes Notparlament vorgelegt], für den eine Verfassungsänderung
nötig gewesen wäre. Dieser Entwurf hat zwar die Unterstützung der
oppositionellen Christdemokraten, nicht aber der kompletten eigenen
rot-rot-grünen Koalition. Man verständigte sich zudem darauf, bei der für
Donnerstag angesetzten Parlamentssitzung nur gut mit der Hälfte der
Abgeordneten im Plenarsaal zu sitzen, um den nötigen Sicherheitsabstand
einhalten zu können.
Hintergrund der Überlegungen für ein Notparlament ist, dass das
Abgeordnetenhaus nur dann Beschlüsse fassen kann, wenn mindestens 81 der –
in dieser Wahlperiode – 160 Abgeordneten anwesend sind. So sieht es die
Berliner Verfassung vor. Vor allem die SPD-Fraktion befürchtete, das
Parlament könne binnen Kürze durch Corona-Erkrankungen oder Quarantäne
arbeitsunfähig werden und wollte darum die Verfassung ändern, so lange das
noch möglich ist.
In dem der taz vorliegenden Entwurf heißt es: „Ist bei drohender Gefahr für
die lebensnotwendige Versorgung der Bevölkerung sowie bei einem Notstand
oder einer Epidemie das Abgeordnetenhaus verhindert, sich alsbald zu
versammeln, so nimmt ein Ausschuss als Notparlament die Rechte wahr.“
Ob das Parlament verhindert ist, soll dem Entwurf zufolge der Präsident des
Abgeordnetenhauses feststellen. Für eine Verfassungsänderung wäre eine
Zwei-Drittel-Mehrheit von 107 Parlamentariern nötig. Parlamentspräsident
Ralf Wieland (SPD) machte aber intern klar, dass für ihn nur ein von alle
sechs Fraktionen getragenes Notparlament in Frage kommt.
## Kein Geld für Hilfsprogramme?
Keine Übereinkunft zu erzielen, ärgert vor allem die CDU. „Nicht
beschlussfähig zu sein, können wir uns nicht leisten“, war vergangene Woche
schon von CDU-Fraktionschef Burkard Dregger zu hören, ohne
Parlamentsbeschluss gebe es auch kein Geld für die [2][Hilfsprogramme des
Senats in der Corona-Krise].
Denn den Landeshaushalt zu verändern oder aufzustocken, liegt allein in den
Händen des Abgeordnetenhauses. Erst vor knapp zwei Wochen hatte der für
alle Finanzangelegenheiten zuständige Hauptausschuss zusätzliche 25
Millionen Euro für Schutzausrüstung und medizinisches Material wie
Beatmungsgeräte und Tupfer frei gegeben.
Das mit der notwendigen Beschlussfähigkeit sehen die anderen Fraktionen
zwar nicht anders. Doch vor allem Grünen und FDP geht der Eingriff in die
Rechte direkt gewählter Abgeordneter zu weit. Die FDP-Fraktion drängt
darauf, Sitzungen mit digitaler Hilfe zu ermöglichen, auch wenn nicht alle
in einem Raum zusammen kommen können.
## Müller redet am Donnerstag
Am Donnerstag soll es in einer stark verkürzten Sitzung nach einer offenbar
auf 20 Minuten angesetzten Rede von Regierungschef Michael Müller (SPD)
eine Aussprache mit Beiträgen aller Fraktionsvorsitzenden geben. Tags zuvor
soll der sonst 28-köpfige Hauptausschuss in einem weitläufigen Saal mit nur
16 Mitgliedern tagen. Dort steht gleich Beginn ein Senatsbericht über die
aktuellen Maßnahmen zu den wirtschaftlichen Auswirkungen des Corona-Virus
an.
Für den parlamentarischen Geschäftsführer der Grünen-Fraktion, Daniel
Wesener, kommt die Parlamentssitzung einem Spagat gleich: „Wir versuchen,
handlungsfähig zu sein und sind es auch, und zugleich kein falsches Vorbild
für die Bevölkerung abzugeben, indem wir eng nebeneinander im Plenarsaal
zusammen sitzen.“
Mit Hilfe von Absprachen zwischen Abgeordneten von Regierung und
Opposition, dem vor allem im britischen Unterhaus üblichen sogenannten
„pairing“, soll es möglich sein, dass aus beiden Lager gleich viele
Abgeordnete nicht an der Sitzung teilnehmen, damit sich die
Mehrheitsverhältnisse nicht verschieben.
23 Mar 2020
## LINKS
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## AUTOREN
Stefan Alberti
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