# taz.de -- Studieren während der Pandemie: Kontaktloser Semesterstart | |
> Die Unis in Norddeutschland beginnen das Sommersemester mit reinem | |
> Online-Betrieb. Keiner soll Nachteile haben. Die Asten sind skeptisch. | |
Bild: Der Hörsaal bleibt erstmal leer. Die Uni-Hamburg will trotzdem viel Norm… | |
HAMBURG taz | Es sah kurz so aus, als wiederholte sich [1][der Abi-Streit | |
von neulich]. Der [2][Ring Christlich-Demokratischer Studenten] (RCDS) | |
Schleswig-Holstein warnte vor einem „Schlag ins Gesicht für die | |
Univerwaltungen im ganzen Land“, sollte das Sommersemester 2020 verschoben | |
werden. Solche Überlegungen von CDU-Wissenschaftsministerin Karin Prien | |
kämen zum „völlig falschen Zeitpunkt“, da die Unis seit Mitte März mit | |
Hochdruck an digitalen Lösungen gearbeitet hätten. | |
Doch Prien habe dies „direkt“ nicht gesagt, relativierte am Freitag der | |
RCDS-Landeschef Chwalibog Bouman im Gespräch mit der taz. Es handle sich um | |
ein „Missverständnis“ aufgrund einer Zeitungsüberschrift. Denn es war der | |
Chef der Hochschulrektorenkonferenz (HRK), [3][Peter-André Alt, der am 1. | |
April im Handelsblatt anregte], man solle das Semester deutschlandweit | |
„etwas später starten – natürlich nur, wenn der Shutdown bis dahin | |
aufgehoben ist“. | |
Alts Vorschlag wurde tags drauf in einer Telefonschalte der | |
[4][Kultusministerkonferenz] diskutiert. Dabei verabredeten die 16 Länder, | |
dass das Sommersemester 2020 „ein ungewöhnliches, jedoch kein verlorenes“ | |
sein solle. Anfang und Ende sollen nicht verschoben, aber die | |
Vorlesungszeiten „flexibel“ gestaltet werden. | |
Niedersachsens Wissenschaftsminister Björn Thümler (CDU) gab schon | |
Donnerstagabend bekannt, was das heißt: Das Semester startet nun am 20. | |
April als „Online-Semester“. Es könne „Geruckel“ geben, doch die Server | |
reichten aus. Bis zum 19. April sind Mensen, Hörsäle und Bibliotheken | |
[5][eh wegen der Pandemie dicht]. „Falls ein Präsenzbetrieb in diesem | |
Semester möglich sein sollte, würde er in geeigneter Form aufgenommen“, | |
erläutert Hamburgs Wissenschaftssenatorin Katharina Fegebank (Grüne) am | |
Freitag. Nur weiß das keiner. Auch in Bremen finde das neue Semester | |
digital statt, teilt ein Sprecher mit. Ab dem 13. April werde die Uni | |
„intensiv über die neuen Formate informieren“. | |
## Offene Hörsäle vielleicht später | |
An der Christian-Albrechts-Uni in Kiel, wo auch Bouman im 6. Semester | |
Politik studiert, geht es schon an diesem Montag los. Er sagt: „Das ist | |
fast wie ein Fernstudium.“ Die rund 27.000 Studierenden sollten sich an | |
verschieden Tagen anmelden, damit die Server nicht überlastet werden. „Alle | |
acht Fakultäten bieten Online-Lehre an, einige zu 100 Prozent, andere zu 70 | |
bis 80 Prozent“, sagt Uni-Sprecher Boris Pawlowski. | |
Das Ziel sei, dass in diesem Semester möglichst viele Studierende viele | |
Leistungspunkte erwerben. Die Lehrangebote mit Praxisanteilen sollten im | |
Lauf des Semesters hinzukommen. Sollte es Schwierigkeiten geben, etwa weil | |
Studierende kein Endgerät haben, „wird ein Nachteilsausgleich gewährt“. | |
Die Europa-Universität in Flensburg startete ihr Semester schon am 16. | |
März. „Wir sind im Betrieb überrascht worden“, sagt Sprecherin Kathrin | |
Fischer. „Seitdem halten wir den Lehrbetrieb aufrecht.“ Dies gelinge mit | |
viel Improvisation und Engagement und einer Kombination verschiedener | |
Techniken. | |
„Manche Lehrende lassen Fachbücher lesen und regelmäßig Zusammenfassungen | |
schreiben, andere kombinieren Präsentationsfolien mit virtuellen | |
Kurstreffen“, erläutert Fischer. Wieder andere versuchten ganz neue Formate | |
wie „home cooking mit anschließendem Rezeptaustausch“ oder „Chats zwisch… | |
Figuren aus der Weltliteratur“, das variiere je nach Fachdisziplin. Das | |
Studium habe für viele der rund 6.000 Studierenden hohe Praxisanteile, | |
diese auf Online-Lehre zu übertragen, sei nicht einfach. Dennoch werde das | |
Semester nach bisheriger Maßgabe gewertet. | |
Generell beteuern die Kultusminister, dass Studierende keine Nachteile | |
haben sollen, etwa beim Bafög, wenn sie eine Leistung nicht in der | |
Regelstudienzeit erbringen können. Hier wolle man in Absprache mit der | |
Bundesbildungsministerin „flexible Lösungen“ finden, sagt Fegebank. | |
## Thema Prüfung noch in Klärung | |
An der Hamburger Hochschule für Angewandte Wissenschaften begann das | |
Semester Anfang März, dort wurde der Präsenzbetrieb ausgesetzt. Er bedanke | |
sich bei den Studierenden, für das „Sich-Einlassen und die vielen | |
Anregungen“, sagte Präsident Micha Teuscher. Einige Studierende haben nun | |
sogar Messlabore im eigenen Zimmer. | |
Die Uni Hamburg hat den Start noch vor sich. Präsident Dieter Lenzen sagt, | |
man wolle für die Studierenden „so viel Normalität wie möglich“ schaffen, | |
auch damit diese „keine Verlängerung des Studiums in Kauf nehmen müssen“. | |
Er merkt an, dass sich nicht alle Lehrformate ins Digitale überführen | |
lassen. Und das Thema „Prüfungsleistungen“ befinde sich noch in der | |
„technischen und rechtlichen Klärung“. Hausarbeiten seien unproblematisch, | |
Klausuren erwiesen sich als „herausfordernd“. | |
## Rektor fordert soziale Absicherung | |
Der Hamburger Asta-Vorsitzende Karim Kuropka ist skeptisch, ob es gelingt, | |
die Lehre für 40.000 Studierende online anzubieten. Das Semester dürfte | |
nicht verpflichtend sein. „Es sollte eine Art des Ausprobieren sein. Wenn | |
Dinge nicht klappen, darf es nicht Studierenden zur Last gelegt werden“, so | |
der Linguistik-Student. Da manche Kurse nur einmal in Jahr angeboten | |
werden, müsste die fürs Bafög wichtige Regelstudienzeit sogar um ein Jahr | |
verlängert werden. Auch Fristen für den Studienverlauf dürften nicht streng | |
gehandhabt werden. „Darauf haben wir die Wissenschaftsbehörde hingewiesen.“ | |
Fabian Zühlke von der Landes-Asten-Konferenz in Mecklenburg-Vorpommern | |
fordert explizit, auch bei Online-Kursen auf Anwesenheitspflicht zu | |
verzichten, „damit sich Studierende um die Sicherung ihrer Existenz kümmern | |
können“. Damit spricht er einen wichtigen Punkt an. Für Studierende fallen | |
wegen der Corona-Krise viele Jobs weg. Nur rund ein Viertel bekommt Bafög. | |
Hamburg bietet deshalb ein Notfall-Darlehen von 400 Euro an. HRK-Präsident | |
Peter-André Alt regt gar ein „Arbeitslosengeld“ für Studierende an. „Sie | |
müssen schließlich weiter wohnen und essen.“ | |
6 Apr 2020 | |
## LINKS | |
[1] /Laenderstreit-um-Abiturpruefungen/!5670784 | |
[2] https://rcds.de/ | |
[3] https://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/andre-alt-im-interview-hrk… | |
[4] https://www.kmk.org/aktuelles/artikelansicht/kmk-sommersemester-2020-findet… | |
[5] /Studieren-in-Zeiten-von-Corona/!5672828 | |
## AUTOREN | |
Kaija Kutter | |
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