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# taz.de -- Urteil zur Flüchtlingsverteilung: EU-Recht gebrochen
> Polen, Tschechien und Ungarn hätten 2015 Flüchtlinge aufnehmen müssen.
> Für ihre Weigerung wurden die Länder nun verurteilt.
Bild: Syrische Flüchtlinge an der serbisch-ungarischen Grenze 2015
Freiburg taz Alle EU-Staaten mussten sich ab 2015 an der Umverteilung von
Flüchtlingen beteiligen, auch Ungarn, Polen und Tschechien. Das hat jetzt
der Europäische Gerichtshof (EuGH) entschieden.
Die Umverteilung war auf dem Höhepunkt des Flüchtlingszustroms im Jahr 2015
beschlossen worden. Vor allem die Länder an den EU-Außengrenzen waren
überlastet. Nach den Dublin-Regeln hätten sie den größten Anteil der
Asylverfahren durchführen müssen. Im September 2015 beschloss daher der
EU-Ministerrat, Griechenland und Italien zu entlasten. In zwei Beschlüssen
einigten sich die EU-Staaten auf die Umverteilung von insgesamt 160.000
Flüchtlingen binnen zwei Jahren.
Im Ergebnis wurde dann aber nur rund 30.000 Flüchtlinge umverteilt.
Deutschland nahm in diesem Verfahren rund 8000 Menschen auf. Anfangs
stellten viele Flüchtlinge in Italien und Griechenland gar keine
Asylanträge, sondern schlugen sich auf eigene Faust Richtung Deutschland
und Skandinavien durch. Außerdem war das Umverteilungsprogramm auf
Flüchtlinge begrenzt, die aus Ländern mit Anerkennungsquoten über 75
Prozent stammen, zum Beispiel Syrien.
Die osteuropäischen EU-Staaten nahmen aber eine generelle
Verweigerungshaltung ein. Ungarn und Polen akzeptierten im Rahmen des
Programms keinen einzigen Flüchtling, Tschechien nur 12 Personen.
## Ungarn und Slowakei klagten gegen EU-Beschlüsse
Ungarn und die Slowakei klagten damals sogar gegen die EU-Beschlüsse und
wurden dabei von Polen unterstützt. [1][Doch im September 2017 stellte der
EuGH fest, dass die beiden Umverteilungsbeschlüsse rechtmäßig waren].
[2][Die Rechtsgrundlagen in den EU-Verträgen seien ausreichend.]
Finanzielle Hilfen an Italien und Griechenland wären weniger geeignet als
eine Umverteilung von Flüchtlingen.
Doch Polen, Ungarn und jetzt auch Tschechien weigerten sich weiterhin,
Flüchtlinge aus Italien und Griechenland aufzunehmen. Deshalb erhob die
EU-Kommission im Dezember drei Vertragsverletzungsklagen. Dass der EuGH
erneut gegen die osteuropäischen Staaten entscheiden würde, war nach dem
Urteil von 2017 allgemein erwartet worden.
Die drei Staaten hatten sich auf ihr Recht berufen, die öffentliche
Sicherheit und Ordnung aufrechtzuerhalten. Dies habe Vorrang vor
EU-Beschlüssen. Sie befürchteten, dass sich unter den Flüchtlingen auch
Gewalttäter und Terroristen befinden könnten.
Der EuGH erläuterte nun, dass die Mitgliedstaaten zwar die Aufnahme von
konkreten Personen verweigern können, wenn sie „objektive und eindeutige“
Beweise für deren Gefährlichkeit haben. Sie könnten die Aufnahme von
Flüchtlingen aber nicht generell aufgrund bloßer Befürchtungen ablehnen.
## Keine Bedeutung für Premier
Das EuGH-Urteil hat vor allem politische Bedeutung. Ob die Pflicht zur
Aufnahme von Flüchtlingen aus diesen (inzwischen abgelaufenen) Programmen
noch besteht, musste der EuGH nicht entscheiden.
EU-Kommissions-Präsidentin Ursula von der Leyen schaute in einer ersten
Reaktion mehr Richtung Zukunft. Nach Ostern will die Kommission ihren
Vorschlag für einen Migrations- und Asylpakt vorlegen. Er soll einen
Durchbruch bei den jahrelangen Verhandlungen um eine generelle EU-Regelung
zur Verteilung von Flüchtlingen bringen.
Keines der drei Länder misst dem Urteil irgendeine Bedeutung bei. Der
tschechische Ministerpräsident Andrej Babis etwa sagte der Agentur CTK:
„Wir haben diese juristische Auseinandersetzung zwar verloren, aber das ist
nicht wichtig.“ Entscheidend sei, „dass wir keine Migranten aufnehmen
werden und dass das Quotenprojekt in der Zwischenzeit beendet wurde – und
das hauptsächlich dank uns.“ (mit dpa)
2 Apr 2020
## LINKS
[1] /Entscheidung-des-EuGH/!5445732&s=Fl%C3%BCchtlinge+Ungarn+Eugh/
[2] /Kommentar-EuGH-zur-Fluechtlingsquote/!5442504&s=Fl%C3%BCchtlinge+Ungar…
## AUTOREN
Christian Rath
## TAGS
EuGH
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