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# taz.de -- Benotung von Schülern im Norden: Jeder wie er meint
> Die Frage, wie das Abi 2020 zustande kommt, ist noch nicht vom Tisch.
> Auch bei der Benotung der Heimarbeit von jüngeren Schülern herrscht
> Uneinigkeit.
Bild: Lernen ohne Schule trifft derzeit alle. Nur wo kommen dann die Noten her?
Hamburg taz | Mit harten Bandagen hat Schulsenator Ties Rabe (SPD) jüngst
dafür gekämpft, dass in Hamburg trotz Schulschließungen Mitte April Abitur
geschrieben wird. Als seine Kollegin Karin Prien (CDU) in Kiel am Dienstag
erklärte, dass sie in den Gremien der Kultusministerkonferenz (KMK) für
eine [1][Absage der Abiturprüfungen „plädiert“], schäumte Rabe, er
bedauere, dass Schleswig-Holstein „im Alleingang“ die Prüfungen
„[2][komplett ausfallen lässt]“.
Da war das noch gar nicht beschlossen. Doch Rabes Grammatik und Wording
wurde in den Medien größtenteils übernommen, sodass Prien als vermeintliche
Verliererin da stand, als sie tags drauf nach einer KMK-Schalte verkündete,
dass es bei den [3][April-Abi-Terminen bleibt].
Doch das Szenario, dass es 2020 ein „Anerkennungsabitur“ geben könnte,
errechnet aus den Kursnoten der Oberstufe, ist nicht vom Tisch.
Niedersachsens Kultusminister Grant Hendrik Tonne (SPD) gab am Freitag
bekannt, dass er den [4][Start der schriftlichen Abi-Prüfungen] vom 15.
April auf den 11. Mai verschiebt.
Sollte auch dies nicht möglich sein, weil es das Infektionsgeschehen der
Pandemie es nicht erlaubt, würden die Prüfungen „ersatzlos abgesagt“,
kündigte Tonne an. Niedersachsen und Bremen haben den Vorteil, dass sie
mehr Zeit haben, weil die Sommerferien erst Mitte Juli beginnen, zwei
Wochen später als in Hamburg oder Schleswig-Holstein.
## Landesschülerrat beschwert sich
Doch auch sonst agiert Tonne [5][schülerfreundlich in der Krise], die seit
dem 16. März zur Schließung aller Schulen führte. Das wurde deutlich, als
sich am Mittwoch der [6][Landesschülerrat Niedersachsen beklagte]: Lehrer
wollten die Aufgaben, die sie den Schülern ins Haus schickten, auch benoten
– entgegen der Vorgaben des Ministers. Tonne hatte verfügt, dass der
Unterricht bis zu den Osterferien „ersatzlos ausfällt“. Die Lehrer dürften
die Schüler zwar mit Materialien versorgen, doch die Aufgaben hätten
„freiwilligen Charakter“ und dürften nicht in die Leistungsbewertung
einfließen.
„Ich finde das richtig“, sagt Ole Moszczynski vom Landesschülerrat. „Nic…
alle Schüler haben die gleichen Voraussetzungen zu Hause.“ Viele hätten
keinen Computer oder müssten auf jüngere Geschwister aufpassen, weil die
Eltern arbeiten. „Die dürfen nicht durch verpflichtende Aufgaben abgehängt
werden.“
Minister Tonne hielt am Mittwoch im Landtag eine Rede, in der er das
weitere Vorgehen darlegte. Sollte die Schule auch noch über die Osterferien
hinaus bis Ende Mai zu sein, würden als Basis für die Noten des zweiten
Schulhalbjahrs die 13 Wochen Unterricht vor und nach der Schulschließung
noch reichen. Sollten die Schule gar bis zu den Sommerferien geschlossen
sein, würde die Leistung des ersten Halbjahres und der ersten Wochen des
zweiten Halbjahres bewertet. Fächer, die nur im zweiten Halbjahr erteilt
werden, würden benotet, aber nur berücksichtigt, wenn sie zum Ausgleich
schwacher Leistungen in anderen Fächern beitragen.
Hamburg, das seine Frühlingsferien schon hinter sich hat, geht einen
anderen Weg und benotet den „Fernunterricht“. In einem Brief des
Landesschulrats von Freitag heißt es: „Die im Fernunterricht erbrachten
Leistungen sind Gegenstand der Beurteilung und Leistungsbewertung.“ Die
Lehrer sollen zwar „erschwerte Bedingungen im häuslichen Umfeld“
berücksichtigen, aber zugleich beachten, dass die „Fernlernzeiten“ der
Kinder dem üblichen Stundenplan in der Schule entsprechen.
Mindestens einmal in der Woche soll mit jedem Schüler per Telefon oder
Video direkt gesprochen werden. Auch Eltern von Vorschulkindern sollen den
Lehrern Ergebnisse zeigen, etwa „Fotos von Bildern oder Gebasteltem“ oder
„kleine Audioaufnahmen von Reimen“.
Rabes Sprecher Peter Albrecht sagt, Unterricht finde aktuell in anderer
Form statt, insofern hätten die Aufgaben „keinen freiwilligen Charakter“.
Eine Benotung hänge auch davon ab, ob vergleichbare Bedingungen der Schüler
gegeben sind. Albrecht: „Wenn es daran im Einzelfall Zweifel gibt, freuen
wir uns über entsprechende Hinweise.“
Auch aus Bremen heißt es, mit eingestelltem Schulbetrieb sei die
Schulpflicht nicht aufgehoben. Aufgaben der Lehrer seien „prinzipiell zu
erledigen“ und könnten auch benotet werden. Schleswig-Holstein will die
Heim-Lernzeit bis zu den Osterferien nicht benoten, Schüler sollten die
Zeit zur Wiederholung nutzen.
## Früher gab es weniger Prüfungen
Sowohl in Niedersachsen als auch in Hamburg gibt es Klagen, dass Lehrer zu
viele Aufgaben geben. Unnötigen Stress sehen Lehrer in den ebenfalls nicht
abgesagten Prüfungen der zehnten Klassen für den Ersten und Mittleren
Abschluss. Diese wurden 2005 erst eingeführt. „Es ging früher auch ohne
diese Prüfungen“, sagt Hamburgs GEW-Chefin Anja Bensinger-Stolze und mahnt,
an die Gesundheit zu denken. Und auch die Linken-Schulpolitikerin Sabine
Boeddinghaus sagt, Hamburg sollte „die Leistung über das ganze Schuljahr
betrachten und sich von liebgewonnenen Regelungen distanzieren“.
Gar nicht zufrieden bei der Abi-Frage ist die Hamburger Schülerkammer.
„Keiner weiß genau, wie der Infektionsschutz während der Abiturprüfungen
aussehen soll“, sagt der Vorsitzende Henry Behrens. Auch sei die psychische
Belastung groß. Die Kammer fordert eine flexible Lösung. Schüler sollten
selber wählen, ob sie zu den Prüfungen hingehen oder ein Anerkennungsabitur
erhalten, oder, als dritte Option, die Vorabiturklausuren werten lassen.
Gut an kommt dagegen Grant Hendrik Tonne in Niedersachsen. Die Planungen
wirkten „verständig und mitdenkend“, sagt Florian Reetz vom
Landesschülerrat. „Dass das Ministerium Lösungen für verschiedene Szenarien
vorhält, zeigt, dass wir flexibel vorbereitet sind“, ergänzt Ole
Moszczynski. Er vertraue auf die Wissenschaft. Sollten die Prüfungen im Mai
nicht möglich sein, gebe es halt das „Durchschnittsabi“.
30 Mar 2020
## LINKS
[1] https://www.schleswig-holstein.de/DE/Landesregierung/III/Presse/PI/2020/Mae…
[2] https://www.hamburg.de/bsb/pressemitteilungen/13756954/2020-03-25-bsb-abitu…
[3] https://www.schleswig-holstein.de/DE/Landesregierung/III/Presse/PI/2020/Mae…
[4] https://www.mk.niedersachsen.de/startseite/aktuelles/presseinformationen/co…
[5] https://www.mk.niedersachsen.de/startseite/aktuelles/covid_19_corona_inform…
[6] https://www.lsr-nds.de/Pressemitteilungen/index.php/;focus=STRATP_cm4all_co…
## AUTOREN
Kaija Kutter
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