# taz.de -- BBC in Coronakrise: Atempause für Johnsons „Todfeind“ | |
> In der Coronakrise erfährt die BBC einen Aufwind. Dennoch müssen | |
> zahlreiche Mitarbeiter*innen um ihren Arbeitsplatz bangen. | |
Bild: 450 journalistische Jobs könnten bei der BBC gefährdet sein | |
Noch senden die meisten BBC-Programme aus den dafür vorgesehenen Studios. | |
Doch vor allem beim Radio wird ein möglicher Umzug ins Homeoffice | |
vorbereitet. Wie den [1][öffentlich-rechtlichen Programmen in Deutschland] | |
kommt der British Broadcasting Corporation während der Coronakrise eine | |
wichtige nationale Aufgabe zu. Der frühere Guardian-Chefredakteur Alan | |
Rusbridger stellte sie in einem Kommentar sogar auf eine Stufe mit dem NHS, | |
dem steuerfinanzierten britischen Gesundheitssystem. | |
Seit Anfang März steigt die Nutzung aller klassischen Medien in | |
Großbritannien rapide an. Die BBC liegt in Sachen Vertrauen und | |
Zuverlässigkeit dabei unangefochten an der Spitze. Für 64 Prozent der | |
Befragten ist die BBC die zuverlässigste Informationsquelle, es folgen der | |
private Nachrichtensender Sky News mit 29 Prozent vor der ersten Zeitung, | |
dem liberalen Guardian (15 Prozent). | |
Ist also alles wieder schick für die Corporation, die noch vor ein paar | |
Wochen [2][auf der Abschussliste der konservativen Regierung] von | |
Premierminister Boris Johnson stand? Leider nicht. Denn auch wenn die | |
Umfrage- und Nutzungswerte der BBC massiven Aufwind bescheren, bleibt die | |
grundsätzliche politische Haltung von Johnson und seinem einflussreichen | |
Chefberater Dominic Cummings dieselbe. | |
Cummings hatte schon in seiner Zeit als Direktor des ultrakonservativen | |
Thinktanks New Frontiers Foundation die BBC als „mortal enemy“, als | |
„Todfeind“ der konservativen Partei bezeichnet. „Die BBC muss komplett auf | |
den Kopf gestellt werden, ihr Fortbestand sollte Thema einer intensiven und | |
gut finanzierten Kampagne sein, die sich auch auf Whistleblower stützt“, | |
forderte Cummings damals. | |
## Einschränkungen längst umgesetzt | |
Diese sollten „internes Material und Mitschnitte von Gesprächen und | |
Besprechungen“ liefern. Cummings umriss dabei drei konkrete „strukturelle | |
Ziele“, die klarmachen, wohin die Reise geht: Erstens müsse man die | |
„Glaubwürdigkeit der BBC unterminieren“, zweitens ein „Äquivalent zu Fox | |
News“ und den konservativen Talk-Radio-Formaten in den USA aufbauen und | |
drittens „das Verbot politischer TV-Werbung“ kippen. Die ist im britischen | |
Fernsehen wie in Deutschland mit Ausnahme von klar geregelten | |
Wahlwerbespots zu Wahlkampfzeiten untersagt. | |
Auch wenn ein kompletter Durchmarsch von Cummings unrealistisch erscheint: | |
Einige Punkte sind längst umgesetzt. Auftrittsverbote für | |
Kabinettsmitglieder in bestimmten, als zu kritisch geltenden BBC-Sendungen | |
wie dem „Today Programme“, das eigentlich täglich die politische Agenda im | |
Vereinigten Königreich bestimmt, sind längst an der Tagesordnung. | |
Dazu gehört auch, dass sich Boris Johnson bis zu den Einschränkungen durch | |
die Coronakrise und seine eigene Infektion mit Sars-CoV-2 via Facebook mit | |
seiner „Peoples Prime Ministers Question Time“ so direkt wie populistisch | |
an die Öffentlichkeit wendet. | |
## Kein Durchatmen in Sicht | |
Für die BBC ist das Ganze also bestenfalls eine Atempause. Doch auch wenn | |
im Programm alles gut läuft, steht der öffentlich-rechtliche Sender vor | |
enormen strukturellen Veränderungen. Dass ihr oberster Chef, Direktor | |
General Tony Hall, im Januar seinen vorzeitigen Rückzug für den Sommer | |
angekündigt hat, schien damals als kluger Schachzug. Denn während Halls | |
Vertrag nur bis 2022 läuft, würde sein*e Nachfolger*in nun sowohl bei | |
den 2022 und 2027 anstehenden wichtigen Entscheidungen wie der Erneuerung | |
der BBC Charter im Amt sein. Jetzt erweist sich das möglicherweise als | |
Bumerang, weil die Nachfolge mitten in der Coronakrise geregelt werden | |
muss. | |
Intern herrscht in fast allen Bereichen der BBC große Verunsicherung. Es | |
bleibt unklar, was nun aus den Ende Januar angekündigten Sparmaßnahmen | |
wird. 80 Millionen Pfund muss die BBC auf Druck der Regierung sparen. 450 | |
journalistische Jobs sollten gestrichen und diverse Programme abgesetzt | |
werden. Nun verkündete Hall erst mal einen Stopp, schrieb den über 22.000 | |
BBC-Mitarbeiter*innen aber gleichzeitig, das Management „werde zu | |
gegebener Zeit darauf zurückkommen“. | |
Die BBC steht so gleich doppelt unter Druck: kurzfristig und intern wegen | |
der Unsicherheit für ihre Mitarbeiter*innen – und langfristig und | |
extern wegen der strategischen Ziele von Cummings & Co. Daran kann auch der | |
momentane Aufwind in der Coronakrise wenig ändern. | |
30 Mar 2020 | |
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## AUTOREN | |
Steffen Grimberg | |
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