# taz.de -- „Daily Telegraph“ vor Verkauf: Zoff um Johnsons Hausblatt | |
> Das erzkonservative Blatt steckt in wirtschaftlichen Schwierigkeiten. Die | |
> adligen Eigentümer sind zerstritten. | |
Bild: Den „Daily Telegraph“ nach unten geschrieben: Premier Boris Johnson | |
BERLIN taz | Großbritanniens Brexit-Premier Boris Johnson sieht sich ja als | |
eine Art Winston Churchill in Blond. Sogar eine Biografie hat er über | |
seinen Helden geschrieben. Die handelte mehr von ihm selber und wurde von | |
der historischen Zunft nicht ernst genommen. Bei Johnson reicht es eben | |
nicht für Churchill. Sondern nur für Margaret Thatcher. Jetzt | |
veröffentlichte Papiere aus ihrem Nachlass sollen belegen, dass ein Artikel | |
eines jungen EU-Korrespondenten des stockkonservativen Daily Telegraph im | |
Jahr 1990 ihre legendäre [1][„No, no, no“-Rede gegen die EU] inspiriert | |
habe. Der Name des jungen Mannes? [2][Boris Johnson]. | |
Von 1989 bis 1994 verbreitete der heutige Premier Nachrichten und | |
Halbwahrheiten über die Krake Europa und ihre Machenschaften. Und allen | |
Euroskeptiker*innen im angeblich um seine Souveränität beraubten Königreich | |
wurde warm ums Herz. Für Thatcher erwies sich die Nummer ihres Herzchens | |
Boris als Bumerang: Außenminister Geoffrey Howe trat wegen ihrer | |
antieuropäischen Brachialpolitik zurück, Thatcher verlor den Rückhalt. Und | |
musste Ende November 1990 selbst die Handtasche nehmen. | |
Genauso wenig segensreich entpuppt sich dieser Tage auch Boris Johnsons | |
zweites Engagement beim Daily Telegraph. Hier hatte Johnson gleich nach | |
seinem Rücktritt als Außenminister 2018 eine wöchentliche Kolumne bekommen, | |
für stolze 275.000 Pfund (rund 316.000 Euro) Jahreshonorar. Jeden Montag | |
schrieb er bis zum Amtsantritt als Premier und schaffte es mit seiner | |
Kolumne fast immer auf die Titelseite. Auch heute hält ihm das Blatt auf | |
Biegen und Brechen die Treue, so dass der bislang als „Torygraph“ | |
bespöttelte Titel jetzt einen neuen Spitznamen hat: „Daily Boris“. | |
Auflage und Ansehen bekommt das allerdings so gar nicht. Das einstige | |
Millionenblatt druckte Ende 2019 nur noch 315.000 Exemplare und kehrte | |
Anfang des Jahres prompt der offiziellen Auflagenkontrolle den Rücken. Der | |
Gewinn war laut der letzten Zahlen um 94 Prozent auf unter eine Million | |
Pfund eingebrochen. Und nun wollen die Besitzer den Telegraph verkaufen. | |
Eigentümer sind die geadelten Zwillingsbrüder Sir Frederick und David | |
Barclay, zwei der reichsten Männer Großbritanniens. Normalerweise üben sich | |
die Barclays in höchster Zurückhaltung. Interviews gibt es keine, | |
Klatschgeschichten noch viel weniger. Doch weil nun der einstmals so stolze | |
Telegraph nichts mehr wert zu sein droht, ist eine Familienfehde entbrannt. | |
Und weil man sich mittlerweile gerichtlich streitet, werden pikante Details | |
bekannt. Bisheriger Höhepunkt: Einer von Sir Davids Söhnen soll das Ritz | |
verwanzt haben, um den Onkel Frederick Barclay abzuhören. Zu schade, dass | |
Kolumnist Boris J., der ja gerne mal auf anderer Leute Kosten in | |
Luxusherbergen absteigt, nicht mehr drüber schreiben kann. | |
4 Mar 2020 | |
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## AUTOREN | |
Steffen Grimberg | |
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