# taz.de -- Ministerpräsidentenwahl in Thüringen: Eins, zwei oder drei? | |
> Wird der Linke Bodo Ramelow im ersten Anlauf gewählt? Oder könnte auch | |
> Björn Höcke gewinnen? Mögliche Szenarien der heutigen Wahl. | |
Bild: Vor der Wahl im Thüringer Landtag: Mit einem Wisch ist alles weg | |
BERLIN taz | Dirk Adams schaut zuversichtlich in den Tag. „Ich glaube, dass | |
Bodo Ramelow im ersten Wahlgang gewählt wird“, sagt der Fraktionschef der | |
Grünen im Thüringer Landtag. Man habe mit der CDU-Fraktion schließlich | |
vereinbart, dass man Stabilität für Thüringen schaffen wolle. Die sei am | |
ehesten gegeben, wenn Ramelow im ersten Anlauf gewählt werde. „Nach dem | |
ersten Wahlgang wird alles fragiler.“ | |
Der Linke Bodo Ramelow selbst hatte ebenfalls darauf gesetzt, im ersten | |
Wahlgang gewählt zu werden. Doch kurz vor der Wahl rudert er zurück: „Ich | |
habe mich gestern mit dem CDU-Fraktionsvorsitzenden Mario Voigt | |
ausgetauscht und ihm mitgeteilt, dass ich erforderlichenfalls in allen drei | |
Wahlgängen antreten werde“, schreibt [1][Ramelow in seinem Webtagebuch]. | |
Dem Spiegel sagte er zudem, er werde die CDU um konsequente Stimmenthaltung | |
bitten. | |
Der Ministerpräsident muss laut Landesverfassung von der Mehrheit der | |
Mitglieder in geheimer Abstimmung gewählt werden. Im dritten Wahlgang | |
reicht die einfache Mehrheit. Grüne, Linke und SPD, die Ramelow als | |
Kandidaten nominiert haben und zusammen regieren wollen, haben im Landtag | |
aber keine absolute Mehrheit. Rot-Rot-Grün hofft deshalb, dass auch einige | |
Abgeordnete der CDU für Ramelow stimmen werden. Die AfD-Fraktion hat Björn | |
Höcke als Gegenkandidaten aufgestellt. | |
Ein zwischen Rot-Rot-Grün und der CDU am 21. Februar [2][ausgehandelter | |
„Stabilitätsmechanismus“] soll verhindern, dass die Stimmen der AfD im | |
Parlament spielentscheidend sind. Die Vereinbarung, die am | |
Mittwochvormittag unterzeichnet wird, macht aber keine konkreten Angaben | |
zur Wahl des Ministerpräsidenten. Folgende Szenarien sind deshalb möglich: | |
## I. Alles klar im ersten Anlauf | |
Ramelow wird im ersten Wahlgang zum Ministerpräsidenten gewählt. Das heißt: | |
Mindestens 46 der 90 Abgeordneten stimmen für ihn. Neben den 42 | |
Abgeordneten, die Linke (29), SPD (8) und Grüne (5) stellen, müssten | |
demnach noch mindestens vier Abgeordnete der 21-köpfigen CDU-Fraktion für | |
ihn stimmen. Björn Höcke bekommt die 22 Stimmen der AfD-Abgeordneten. Eine | |
absolute Mehrheit für ihn ist praktisch ausgeschlossen. Die FDP, die fünf | |
Abgeordnete stellt, hat bereits angekündigt, den Saal während der | |
Abstimmung zu verlassen, um klarzumachen, dass sie beide Kandidaten | |
ablehnt. | |
## II. Alles scheinbar klar im ersten Anlauf | |
Ramelow wird im ersten Wahlgang mit 46 Stimmen zum Ministerpräsidenten | |
gewählt. Björn Höcke erhält 18 Stimmen, die CDU enthält sich. Dann wäre | |
Ramelow ziemlich sicher mit den Stimmen der AfD zum Ministerpräsidenten | |
gewählt. Er würde die Wahl gemäß seiner Ankündigung nicht annehmen, könnte | |
sich aber im zweiten Wahlgang erneut zur Wahl stellen. | |
## III. Nichts ist klar im ersten Anlauf | |
Ramelow erhält weniger als 46 Stimmen, Höcke ebenso. Keiner der beiden ist | |
gewählt, es kommt zum zweiten Wahlgang. Die Linke hatte ursprünglich | |
angekündigt, einen Antrag auf Auflösung des Parlaments einzubringen, falls | |
Ramelow nicht im ersten Wahlgang gewählt werde. Der stellvertretende | |
Landesvorsitzende Steffen Dittes sagte der taz, man werde auf jeden Fall | |
Auszeit beantragen und sich beraten, falls Ramelow nicht im ersten Wahlgang | |
gewählt werde. | |
## IV. Alles klar im zweiten Anlauf | |
Falls Ramelow im zweiten Wahlgang mit absoluter Mehrheit nach Szenario I | |
gewählt würde, wäre er gewählt und die Wahl abgeschlossen. Falls nicht, | |
kommt es zum dritten Wahlgang. | |
## V. Die einfache Mehrheit genügt | |
Im dritten Wahlgang genügt die einfache Mehrheit. Falls Ramelow 42 Stimmen | |
erhielte und Höcke 22, dann wäre Ramelow gewählt. Für den | |
ultra-unwahrscheinlichen Fall, dass die gesamte CDU-Fraktion für Höcke | |
stimmen sollte, könnte auch dieser die Wahl mit 43 zu 42 Stimmen gewinnen. | |
## VI. Kemmerich bleibt im Amt | |
Am 5. Februar hatte die AfD im dritten Wahlgang nicht mehr für ihren | |
eigenen Kandidaten gestimmt, sondern geschlossen für den [3][FDP-Kandidaten | |
Thomas Kemmerich]. Dadurch gewann dieser mit einer Stimme Vorsprung vor | |
Ramelow. Kemmerich trat am 8. Februar zurück und ist seitdem | |
geschäftsführend im Amt. Stefan Möller, Landessprecher der AfD, hatte nach | |
der Wahl Kemmerichs frohlockt, man habe die strategische Karte ausgespielt | |
und gewonnen. | |
Was, wenn die AfD heute erneut strategisch darauf setzt, Ramelow zu | |
verhindern, um Thomas Kemmerich im Amt zu halten? Die Abgeordneten müsste | |
nur statt für Höcke für Ramelow stimmen. Da dieser eine Wahl durch | |
AfD-Stimmen ausgeschlossen hat, wäre er dann gezwungen, die Wahl | |
abzulehnen. Wie der Tagesspiegel am Dienstag berichtete, hat die FDP einen | |
Plan B. Falls Ramelow nicht gewählt werde oder gezwungen sei, die Wahl | |
abzulehnen, könne man ab Donnerstag neue Staatssekretäre berufen und | |
einfach weitermachen. | |
4 Mar 2020 | |
## LINKS | |
[1] https://www.bodo-ramelow.de/aktuell/article/2020/03/03/tag-der-entscheidung/ | |
[2] /Einigung-in-Thueringen/!5665535 | |
[3] /FDP-stellt-Thueringer-Ministerpraesident/!5658263 | |
## AUTOREN | |
Anna Lehmann | |
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