# taz.de -- Wohlfeile Vorwürfe in Corona-Krise: Für eine Handvoll Likes | |
> Im Netz ereifert sich eine Social-Distance-Army über Menschen, die | |
> rausgehen. Dabei ist Solidarität gefragt. | |
Bild: Klare Ansage: T-Shirts in einem Modeladen in Berlin | |
Für den Fall einer Ausgangssperre in Deutschland müssten sich die Behörden | |
über die Durchsetzung keinen Kopf machen. Eine Armada von | |
Hobby-Epidemiologen stünde bereit, um den Gesundheitsämtern Verstöße | |
gegen [1][das Ausgangsverbot] zu melden. Die antiviröse Bürgerwehr hat ihre | |
Arbeit präventiv ja schon aufgenommen: Auf Facebook und Twitter ereifert | |
sich ein digitaler Mob über Menschen, die trotz der Corona-Krise | |
gelegentlich ihr Zuhause verlassen und Freizeit unter freiem Himmel | |
verbringen. Die Social-Distance-Army gefällt sich in Belehrungen, | |
Beleidigungen und Befehlston – und hat dabei jedes Gefühl für Umgangston | |
und Verhältnismäßigkeit verloren. | |
Zum einen liegt dem die Fehlannahme zugrunde, jede einzelne Minute an | |
frischer Luft beschleunige die Ausbreitung der Epidemie. Dabei betonen | |
Expert*innen ausdrücklich, dass unter Wahrung gewisser Vorsichtsmaßnahmen | |
ein Spaziergang im Freien nicht nur ungefährlich ist, sondern sogar die | |
Abwehrkräfte stärkt – und das selbst in kleinen Gruppen. | |
Zum anderen zeugt die rigorose Freiluft-Kritik von einem Mangel an | |
Einfühlungsvermögen für diejenigen, denen die totale Isolation aus diversen | |
Gründen Probleme bereitet: weil sie alleine leben oder mit vielen | |
Familienmitgliedern auf engem Raum, weil sie plötzlich arbeitslos sind oder | |
[2][Homeoffice und Kinderbetreuung] vereinbaren müssen, weil sie in dunklen | |
Hinterhäusern wohnen oder an lauten Hauptstraßen, weil sie psychische | |
Probleme haben oder einfach nur ein bisschen länger brauchen, um sich an | |
den tiefsten Einschnitt ins öffentliche Leben zu gewöhnen, den sie jemals | |
erlebt haben. | |
Solidarität ist in der Krise gefragt. Solidarität heißt, Corona-Partys auf | |
dem Spielplatz zu vermeiden. Solidarität heißt, [3][das Rad zu nehmen] | |
statt den Bus. Solidarität heißt, selbst zu Freund*innen zwei Meter | |
Abstand zu halten. Solidarität heißt aber auch, Empathie füreinander | |
aufzubringen und unterschiedliche Bedürfnisse grundsätzlich zu achten. Und | |
Solidarität heißt nicht, die Krise zu nutzen, um das eigene | |
Selbstwertgefühl mit wohlfeilen Tweets aufzupolieren. | |
19 Mar 2020 | |
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## AUTOREN | |
Tobias Schulze | |
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