# taz.de -- Feiern in Zeiten von Corona: Kommt runter! | |
> Der Krankheit gemeinsam trotzen? Sorry, das ist fatal. Besser: Widerstand | |
> zeigen, indem wir zu Hause bleiben. | |
Bild: Feiern bis der Arzt kommt- Coronaparty | |
Wahrscheinlich sollte in der Überschrift besser kein Ausrufezeichen stehen. | |
Wer beruhigt sich schon, wenn man sie oder ihn dazu zwingt? In Zeiten | |
[1][der Corona-Pandemie] braucht es jedoch mehr Ausrufezeichen als sonst, | |
um gutgemeinten und notwendigen Warnungen Nachdruck zu verleihen – denn | |
viele scheinen diese nicht zu verstehen. | |
Auf Facebook werden Einladungen zu Corona-Partys verschickt: nettes | |
Beisammensein, Unterstützung und Beistand in Zeiten der Pandemie, das | |
klingt verlockend. Der Gedanke daran, einen Anflug von Langeweile oder gar | |
Einsamkeit verspüren zu können, scheint bei vielen [2][mehr Angst] | |
auszulösen, als die Gefahr mit entzündeter Lunge im Bett liegen zu müssen | |
und davor noch vierzehn andere, vielleicht viel geschwächtere Menschen | |
angesteckt zu haben. | |
Am 29. Februar feierte ein Infizierter [3][in einem Berliner Club] und gab | |
das Virus an 42 weitere ClubbesucherInnen weiter. Eigentlich sollten alle | |
Berliner Bars und Clubs ab diesem Dienstag für fünf Wochen schließen. | |
Angesichts der sich rasant ausbreitenden Infektion beschloss der Senat dem | |
Nachtleben schon am Samstag das Licht auszuknipsen. | |
Viele Kneipen- und Club-BesitzerInnen reagierten vorbildlich und schlossen | |
ihre Türen am Samstag freiwillig, forderten bereits in den Tagen zuvor ihre | |
Gäste dazu auf, E-Mail-Adresse und Kontaktdaten an der Theke zu | |
hinterlegen, um bei einem Coronaverdachtsfall sofort alle an diesem Abend | |
anwesenden Gästen zu informieren. | |
## Solidarisch sein mit den Schwächeren | |
Andere BetreiberInnen wollten dem Virus trotzen und den Barbetrieb am | |
Samstag trotz Verbot weiterführen. Mit wenig Erfolg: Die Polizei war mit | |
100 Beamten extra im Einsatz um etwaige Veranstaltungen, beziehungsweise | |
alternative Feierorte in der Öffentlichkeit aufzulösen. | |
Raus gehen, zeigen, dass man sich nicht einschüchtern lässt, den Widerstand | |
sichtbar machen – das hilft vielleicht gegen Naziaufmärsche, aber, sorry, | |
bei keiner Pandemie. Sind wir doch einfach mal offen für eine neue Form des | |
Widerstandes: Runter von der Straße und rein in die Wohnung! | |
Wenn wir sonst auf die Straße gehen, tun wir das, um uns solidarisch zu | |
zeigen: mit den marginalisierten, benachteiligten Gruppen in unserer | |
Gesellschaft. Genau das müssen wir gerade jetzt auch: Solidarisch sein mit | |
den Schwächeren. Und deshalb zuhause bleiben. Und nicht vergessen, dass | |
soziale Komponenten – Versicherung, Verdienst und soziale Kontakte – mit | |
der Wahrscheinlichkeit einer Ansteckung und der Genesung korrelieren. | |
„[4][Das Coronavirus wird uns eine schreckliche Lektion erteilen: | |
Ungleichheit tötet]“, titelt der Guardian. | |
## Verantwortung zeigen | |
Und ohnehin: Was ist aus unserem Generationenvertrag geworden? Sollte | |
dieser nicht auf Gegenseitigkeit beruhen? Es geht nicht nur darum, | |
marginalisierte Gruppen zu schützen, sondern eine ganze Generation, für die | |
das Virus lebensbedrohlich sein kann. [5][Freitags demonstrieren wir für | |
die Zukunft „unserer Generation“] und ziehen die Älteren zur Verantwortung. | |
Jetzt müssen wir Verantwortung zeigen. Abschied vom öffentlichen Leben zu | |
nehmen, mag für Menschen, die konstant unterwegs sind, schwer vorstellbar | |
sein. Wir können in vierzehn Tagen Quarantäne jedoch sehr viel über uns und | |
unsere Beziehungen lernen: Ob dies nun eine erhöhte Scheidungsrate oder | |
zahlreiche Neujahrsbabys 2021 bedeutet, können wir in unseren eigenen vier | |
Wänden mit entscheiden. | |
Schulschließungen und Ausgangssperren sind wichtige Maßnahmen im Kampf | |
gegen das Virus, die von oben getroffen werden müssen. Letztendlich wird | |
aber das Verhalten des Einzelnen über Länge und Ausgang dieser Pandemie | |
entscheiden. Das sollten wir mittlerweile wissen und uns dementsprechend | |
verhalten: Selbstreflexion und Ehrlichkeit sich selbst gegenüber können | |
dabei helfen. | |
Während ich diesen Text schreibe, sitze ich im Zug und gefährde weitaus | |
mehr Menschen, als wenn ich einfach zu Hause geblieben wäre. Ich sollte | |
wohl ein Ausrufezeichen mehr hinter die Überschrift setzen und dafür auf | |
ein „t“ verzichten. | |
17 Mar 2020 | |
## LINKS | |
[1] /Europa-im-Corona-Schock/!5671852 | |
[2] /Chance-in-der-Coronakrise/!5668590 | |
[3] /Kulturbetriebe-fordern-Rettungspaket/!5671315 | |
[4] https://www.theguardian.com/commentisfree/2020/mar/14/coronavirus-outbreak-… | |
[5] /Klimaproteste-in-Corona-Zeiten/!5668682 | |
## AUTOREN | |
Luisa Kuhn | |
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