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# taz.de -- Grün statt Grau: Kreuzberg an der Seine
> Friedrichshain-Kreuzberg will mehr Grün. Eine Studie im Auftrag der
> grünen Umweltstadträtin Clara Herrmann zeigt nun, wie das gehen könnte.
Bild: Am Halleschen Ufer bekommt der Landwehrkanal eine Promenade
Ein bisschen weht gerade Pariser Wind durch das Rathaus in der Kreuzberger
Yorckstraße. So wie die Uferstraßen an der Seine im Sommer für den
Autoverkehr gesperrt werden, soll es künftig auch am Landwehrkanal zugehen.
Am Halleschen Ufer könnte auf der Nordseite eine Promenade entstehen. Der
Autoverkehr soll dann in beiden Richtungen auf der Südseite stattfinden.
Das sieht eine Potenzialanalyse mit dem Titel „Mehr Grün in
Friedrichshain-Kreuzberg“ vor, die die Bezirksstadträtin für Umwelt Clara
Herrmann (Grüne) an diesem Montag veröffentlicht.
„Wir leben in einer Zeit, in der uns der Klimawandel vor große
Herausforderungen stellt“, sagt Herrmann. „Mit der Studie wollen wir
Vorschläge erarbeiten, wie wir mehr Grün und weniger Grau bekommen. Wir
wollen alle ein lebenswertes Friedrichshain-Kreuzberg, in dem man
durchatmen und nachts schlafen kann.“
Dass der Bezirk mehr Grün verdient hat, zeigen die Zahlen. Fast 190.000
Menschen leben in Friedrichshain-Kreuzberg auf 20,4 Quadratkilometern,
14.172 Personen pro Quadratkilometer. Damit ist der Bezirk der am
dichtesten besiedelte in Berlin. Wegen seiner Insellage, heißt es in der
Studie, bestehe für die Bewohnerinnen und Bewohner nicht die Möglichkeit,
„im direkten Umfeld aus der Stadt und in das grüne Umland zu gelangen“.
Damit nehme die Bedeutung von Parks und Erholungsanlagen eine größere Rolle
als in anderen Bezirken ein.
## Wenig Grün, viel Versiegelung
Doch mit Grün ist der Bezirk nicht allzu üppig ausgestattet. So beträgt der
Versiegelungsgrad in Berlin im Schnitt 32,8 Prozent, in
Friedrichshain-Kreuzberg sind 64,4 Prozent der Bezirksfläche überbaut. Die
Folge: „Die vorhandenen Grünflächen sind aufgrund ihrer Zentrumsnähe und
der großen Beliebtheit des Bezirks einem erhöhten Nutzungsdruck
ausgesetzt.“
Diesem Druck soll nun mit dem Ausbau der so genannten grünen und blauen
Infrastruktur entgegengewirkt werden. Dass das in weiten Teilen zu Lasten
der „grauen Infrastruktur“, also von Straßen und Parkplätzen, gehen wird,
verschweigen die Autorinnen und Autoren der Studie, die von den Büros bgmr
Landschaftsarchitekten und yello z urbanism architecture erstellt wurde,
nicht. „Als Potenzialflächen für ein ‚Mehr an Grün‘ sind sowohl besteh…
Grünräume, aber auch Straßenräume, Wasserlagen und die gebaute Struktur zu
untersuchen“, heißt es.
So können zum Beispiel bestehende Grünflächen und Parkanlagen etwa durch
mehr Vielfalt bei der Bepflanzung an die neuen Herausforderungen des
Klimawandels angepasst werden. Zudem soll künftig „eine ausreichende Pflege
des Bestands zur Wiederherstellung“ gegeben sein. Aber auch neue Flächen
für Grünanlagen hat die Potenzialstudie ausgemacht: auf dem RAW-Gelände
etwa oder der nördlichen Lohmühleninsel, wo derzeit noch Gewerbe
angesiedelt ist. Auch die Neugestaltung von Sportplätzen und Schulhöfen
sowie die Intensivierung der Dach- und Fassadenbegrünung sind Teil der
Studie.
Dass das alles Geld kostet, liegt auf der Hand. Insbesondere dann, wenn
auch die Friedhöfe im Bezirk als neue, potenzielle Grünflächen
identifiziert werden. Um nicht mehr benötigte Friedhofsflächen vor Bebauung
zu sichern, fordert der Bezirk, „frühzeitig Kaufansprüche geltend zu
machen, damit die Flächen als Grünflächen mit Parkcharakter gesichert
werden“. Dabei soll „der Erwerb von Friedhofsflächen frühzeitig in der
Haushaltsplanung berücksichtigt werden, um einen schnellen Zugriff zu
ermöglichen“.
## Umbau von Plätzen geht ohne Senat
„Im Bezirkshaushalt haben wir dafür noch keine Gelder ausgewiesen“, räumt
Umweltstadträtin Herrmann ein. Allerdings seien solche Mittel im
Sondervermögen der wachsenden Stadt, dem Siwana-Fonds, vorgesehen.
„Generell wollen wir aber versuchen, Friedhofsflächen auch ohne Ankauf als
Grünflächen zu sichern“, so Herrmann. „Mit den alten Baumbeständen und
ihrer biologischen Vielfalt sind diese besonders wertvoll.“
Mit Sicherheit werden aber die Vorschläge zur Verbesserung der „blauen
Infrastruktur“ Geld kosten, etwa neue Zuwegungen zur Spree und zum
Landwehrkanal. Wo die Bebauung direkt ans Wasser geht, sollen vorgelagerte
Stege errichtet werden. „Mit dieser Lösung können besondere Orte am Wasser
entstehen“, heißt es in der Potenzialanalyse.
Am konfliktträchtigsten dürfte der Umbau der grauen Infrastruktur werden.
So soll die Promenade am nördlichen Ufer des Landwehrkanals nicht nur
temporär entstehen, sondern als „langfristige Vision“. Sie soll eine ganze
Kette von Grünflächen miteinander verbinden: angefangen vom Kulturforum
über den Park am Karlsbad, den Tilla Durieux-Park, den Park am
Gleisdreieck, den Elise Tilse Park bis zum Mehringplatz und zum Urbanhafen.
Dass da nicht nur andere Bezirke, sondern auch der Senat ein Wörtchen
mitzureden hat, ist Herrmann bewusst: „Wir haben mit der Studie erste
Vorschläge gemacht“, bremst sie die Erwartungen. „Konkrete Gespräche mit
der Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz gibt es noch
nicht.“ Sie glaubt aber, dass sie mit ihren Vorschlägen auf offene Ohren
stößt. „Aus unserer Sicht ist das die Stadt der Zukunft.“
Anders als am Halleschen Ufer kann der Bezirk an untergeordneten Straßen
und Plätzen eigenständig mit der Wende zu mehr Grün beginnen. „Wir wollen
in der Rudolfstraße ein Pilotprojekt für einen blau-grünen Stadtplatz
starten“, kündigt Umweltstadträtin Clara Herrmann an. Mit einem dezentralen
Regenwassermanagement und Schild soll für eine stärkere Verdunstung und
Abkühlung gesorgt werden.
Als weiterer Platz soll dann die Südseite des Boxhagener Platzes begrünt
werden. „Wir werden nicht alle Vorschläge aus der Studie sofort umsetzen
können“, sagt Herrmann. „Aber wir wollen eine Perspektive aufzeigen für
konkreten Klimaschutz und für mehr Lebensqualität.“
16 Mar 2020
## AUTOREN
Uwe Rada
## TAGS
Friedrichshain-Kreuzberg
Verkehrswende
Grünflächen
Manja Schreiner
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