# taz.de -- Clara Herrmann über ihre Kandidatur: „Die Zukunft liegt vor der … | |
> Im September will die grüne Umweltstadträtin Bezirksbürgermeisterin in | |
> Friedrichshain-Kreuzberg werden. Sie sei Mannschaftsspielerin, betont | |
> sie. | |
Bild: Clara Herrmann vor dem Anhalter Bahnhof, wo das Exilmuseum entstehen soll | |
taz: Clara Herrmann, Sie wollen bei der Wahl im September als grüne | |
Bürgermeisterkandidatin antreten und Monika Herrmann beerben. Warum? | |
Clara Herrmann: Warum nicht? Mir macht die Arbeit als Stadträtin in | |
Friedrichshain-Kreuzberg sehr große Freude. Da erlebe ich auch jeden Tag | |
unmittelbar, wie Kommunalpolitik wirkt und was wir alles Gutes bewirken | |
können. Friedrichshain-Kreuzberg ist ein ganz besonderer Bezirk mit dieser | |
Mischung aus Herausforderungen und Highlights. Ich will hier gerne weiter | |
Verantwortung tragen. | |
Haben Sie lange gebraucht, darüber nachzudenken? | |
Ja, schon. Das ist keine Entscheidung, die man aus dem Bauch heraus trifft. | |
Die vielen positiven Rückmeldungen auf meine Arbeit haben es mir am Ende | |
leicht gemacht. | |
Was hätte dagegen gesprochen? | |
Mit den vielen Abendsitzungen, und auch das Wochenende bleibt ja nicht oft | |
frei von Terminen, ist das nicht gerade ein familienfreundlicher Job. | |
Sie stehen auch ganz anders im Rampenlicht. | |
Nach zehn Jahren Abgeordnetenhaus und fünf Jahren als Stadträtin für | |
Finanzen, Umwelt und Kultur habe ich meine Erfahrungen damit, sodass ich da | |
jetzt keine Befürchtungen habe. | |
Rechnen Sie damit, dass auch andere ihren Hut in den Ring werfen? | |
Bisher ist mir das von niemandem bekannt. Aber es wäre nicht angebracht, | |
das auszuschließen. Wir sind eine basisdemokratische Partei. | |
Wie ist das Prozedere? Am Dienstagabend haben Sie Ihre Kandidatur bei der | |
Bezirksgruppe der Grünen in Friedrichshain-Kreuzberg bekannt gegeben. | |
Welche Schritte braucht es, um auf Platz eins der Bezirksliste für die Wahl | |
zur Bezirksverordnetenversammlung zu stehen? | |
Bei uns in der Partei entscheiden die Mitglieder. Die Bezirksgruppe wird | |
bis Ende Februar das Bezirkswahlprogramm abstimmen und eine | |
Spitzenkandidatin oder einen Spitzenkandidaten nominieren. Im April wird | |
dann die Liste für das Bezirksparlament aufgestellt. | |
Monika Herrmann hatte in einem Interview in der taz gesagt, dass es bereits | |
klar sei, dass Platz eins von einer Frau besetzt wird. Wäre aber nicht | |
Florian Schmidt, der Baustadtrat, aufgrund seiner Bekanntheit der | |
aussichtsreichere Kandidat gewesen? | |
Ich hoffe, dass meine Erfahrung als Stadträtin, meine erfolgreiche Arbeit | |
und auch meine zehn Jahre Arbeit im Abgeordnetenhaus für mich sprechen. Bei | |
den Grünen mussten sich Frauen zum Glück noch nie dafür entschuldigen, wenn | |
sie einen Spitzenplatz beanspruchten. Ich würde mich aber freuen, wenn ich | |
auch weiterhin mit meinem Kollegen Florian Schmidt zusammenarbeiten könnte. | |
Ich kandidiere als Mannschaftsspielerin und nicht als Solokünstlerin. | |
Die Zusammenarbeit mit Florian Schmidt war auch für Monika Herrmann nicht | |
immer ganz einfach. Manchmal musste sie ihn an die kurze Leine nehmen. | |
Gehört das dann zum Mannschaftsspiel auch dazu? | |
Florian Schmidt und ich arbeiten sehr gut zusammen. Das würde ich gerne, | |
wenn auch in anderen Rollen, fortsetzen. | |
Was ist Ihre Bilanz als Stadträtin? | |
Ich will mich jetzt nicht selber loben. Wir haben als Grüne im Bezirk in | |
den letzten Jahren viele positive Veränderungen angestoßen, und ich freue | |
mich, wenn das wahrgenommen wird. Denken Sie nur an die Pop-up-Radwege, die | |
Pop-up-Parks, die Rekommunalisierung von Wohnungen. Wir sind Kommune für | |
biologische Vielfalt, haben die bezirklichen Kultureinrichtungen gestärkt | |
und geben mehr Geld für die freie Kulturszene aus. | |
Und mit welchen politischen Schwerpunkten wollen Sie Ihre Kreuzberger | |
Grünen und die Wählerinnen und Wähler im Herbst überzeugen? | |
Mit dem Superwahljahr 2021 werden die Weichen für eine nachhaltige und | |
gerechte Zukunft gestellt. Das reicht von der Frage, ob wir die Klimakrise | |
in den Griff bekommen, bis hin zu grundsätzlichen Gerechtigkeitsthemen. Das | |
zeigt sich in Zeiten der Coronapandemie noch einmal deutlicher als bisher. | |
All diese Richtungsfragen entscheiden sich vor der Haustür. Pop-up-Radwege | |
oder Blechlawine, Pocketpark oder Ballermann, Mieterinnenschutz oder | |
Spekulantenparadies, Diversity oder Einheitsbrei. Für den am dichtesten | |
besiedelten Bezirk in Berlin ist es auch wichtig, wie sich der öffentliche | |
Raum und die Freiräume entwickeln. | |
Ihr Amtsantritt könnte in eine Zeit fallen, in der die öffentlichen Kassen | |
nach der Pandemie leer sind. | |
Für mich ist ganz wichtig, dass die Bezirke nicht das Sparschwein einer | |
falschen Politik des Landes oder des Bundes werden. Im Gegenteil: Wir | |
brauchen jetzt gestärkte Kommunen mit einer starken Verwaltung. Vom | |
Gesundheitsamt über die Bibliotheken bis zum Jugendzentrum. Die kommunale | |
Ebene ist das Fundament unserer demokratischen Gesellschaft. Vielleicht | |
braucht es gerade jetzt eine Finanzerin als Bürgermeisterin. | |
Die Grünen in Friedrichshain-Kreuzberg gelten ja als besonders | |
prinzipientreu, manche sagen auch ideologisch. Zuletzt wollten sie die | |
Bundeswehr nicht bei der Unterstützung der Nachverfolgung von | |
Infektionsketten haben. Hätten Sie sich für diese Unterstützung | |
entschieden? | |
Am Ende haben wir uns für die Unterstützung der Bundeswehr entschieden. Und | |
das sehr pragmatisch. Die Frage war, ob unsere Verwaltung Amtshilfe braucht | |
oder nicht. Am Anfang ging es ohne. Und als es nicht mehr ging, haben wir | |
das Angebot der medizinischen Unterstützung angenommen. | |
Dann war es am Ende doch aber nur ein symbolischer Akt, um zu zeigen: Hey, | |
wir sind hier immer noch das kleine gallische Dorf. | |
Nein, es war eine ganz pragmatische Entscheidung, die wir getroffen haben. | |
War es auch pragmatisch, zu sagen: „Wir wollen die Bundeswehr nicht“? | |
Als es ohne Amtshilfe ging, war es zu diesem Zeitpunkt die richtige | |
Entscheidung. | |
Sie sind 35 Jahre alt. Werden die Grünen mit Ihnen nicht nur jünger, | |
sondern auch pragmatischer? | |
Die Grünen übernehmen im Bezirk mit seinen 290.000 Einwohnerinnen und | |
Einwohnern schon lange Verantwortung. Wir treffen jeden Tag pragmatische, | |
um nicht zu sagen: sogar realpolitische Entscheidungen. Ich halte den | |
Ideologieverdacht gegen uns mit Verlaub für ziemlich ideologisch motiviert. | |
Die Grünen in Xhain machen Politik mit einer klaren Haltung. | |
Also folgt Clara Herrmann Monika Herrmann mit einem „Weiter so“? | |
Ich sehe nicht, dass wir einen grundsätzlichen Kurswechsel brauchen. Aber | |
natürlich ist eine Clara Herrmann nicht eine Monika Herrmann. Was sicher | |
anders sein wird: Ich möchte auch weiterhin für die Finanzen im Bezirk | |
zuständig sein. Das war die bisherige Bürgermeisterin nicht. | |
Also mehr Macht. | |
Das hat eher mit meiner fachpolitischen Geschichte zu tun. Ich habe schon | |
im Abgeordnetenhaus Finanzpolitik gemacht. Das ist mein Steckenpferd. | |
Natürlich sind die Finanzen das Fundament der Politik. Aber ebenso klar | |
ist: Das Bezirksamt ist und bleibt ein Kollegialorgan. | |
Wie stark sind die Grünen im Bezirk noch? Bei der letzten Bundestagswahl | |
konnte Canan Bayram nur knapp das grüne Direktmandat gegen die Linke | |
verteidigen. | |
Es wäre arrogant, anzunehmen, dass wir einfach so gewählt werden. Wir | |
müssen klarmachen, dass es echten Klimaschutz, eine konsequente | |
Verkehrswende, eine gemeinwohlorientierte Wohnungspolitik, eine vielfältige | |
Kulturlandschaft und eine offene Gesellschaft nur mit uns gibt. | |
Monika Herrmann hat beklagt, dass der politische Konflikt manchmal sogar in | |
den privaten Raum reicht, etwa bei Schmierereien im Hausflur. | |
Politikerinnen und Politiker sind leider immer wieder im Fokus von | |
persönlichen Angriffen. Man darf sich davon nicht unterkriegen lassen. | |
Fürchten Sie Angriffe eher von links oder von rechts? | |
Ich fürchte mich gar nicht. Ich hoffe darauf, dass wir in | |
Friedrichshain-Kreuzberg auch an die schönen Dinge weiterhin anknüpfen, | |
die uns alle verbinden. Wenn es die Zeiten zulassen, werden wir auch | |
wieder unseren Anspruch auf öffentlichen Diskurs und Beteiligung stärker | |
mit Leben füllen können. | |
Sie sind Stadträtin in einem Bezirk, in dem die SPD hinter Grünen und | |
Linken liegt. Gut möglich, dass das bei den Abgeordnetenhauswahlen ebenso | |
sein wird. Welchen Rat geben Sie Bettina Jarasch für den Umgang mit einer | |
SPD, die nicht mehr stärkste Partei ist? | |
Bettina Jarasch ist eine erfahrene Politikerin, die braucht von mir keine | |
Ratschläge. Wir beide wollen Bürgermeisterin werden. Vielleicht kann aber | |
die SPD etwas von ihren Genossinnen und Genossen in | |
Friedrichshain-Kreuzberg lernen. Man kann auch mitgestalten, wenn man nicht | |
die erste Geige spielt. Immer vorausgesetzt, es kommt einem auf die Inhalte | |
an. | |
10 Feb 2021 | |
## AUTOREN | |
Uwe Rada | |
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