# taz.de -- Blauer Brief von den Vereinten Nationen: Paragraf 218a in der Kritik | |
> Das UN-Menschenrechtskommissariat kritisiert, dass die Bundesregierung | |
> die Situation von ungewollt Schwangeren nicht ausreichend verbessere. | |
Bild: Protest gegen den Paragrafen 218 – hier vor dem CDU-Bundesparteitag in … | |
Das Menschenrechtskommissariat der Vereinten Nationen hat die | |
Bundesregierung scharf kritisiert. In einem Brief an den Botschafter | |
Deutschlands bei den Vereinten Nationen in Genf schreibt die | |
Berichterstatterin des zuständigen Ausschusses, der die Umsetzung der | |
internationalen Frauenrechtskonvention Cedaw kontrolliert: Sie nehme zur | |
Kenntnis, dass der deutsche Staat eine Verbesserung der Situation um den | |
Abtreibungsparagrafen 218a des Strafgesetzbuchs „zurückweist“. | |
Der Paragraf schreibt eine Pflichtberatung für ungewollt Schwangere und | |
eine Wartezeit von drei Tagen zwischen Beratung und Abbruch vor. Zudem | |
verweigere der Staat eine Kostenübernahme von Schwangerschaftsabbrüchen, so | |
die Berichterstatterin. Deutschland sei damit daran „gescheitert, mit dem | |
Ausschuss zu kooperieren“. | |
Das [1][„Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der | |
Frau“ Cedaw] wurde 1979 von der UNO verabschiedet und 1985 von der | |
Bundesrepublik ratifiziert. Die Vertragsstaaten verpflichten sich zur | |
rechtlichen und faktischen Gleichstellung von Frauen. | |
Über die Umsetzung wacht der UN-Fachausschuss des | |
Menschenrechtskommissariats, der neben staatlichen auch | |
zivilgesellschaftliche Berichte prüft. Der jetzige Brief kommentiert einen | |
Zwischenbericht der Bundesregierung über die Umsetzung der | |
Frauenrechtskonvention. 2021 muss die Bundesregierung das nächste Mal auf | |
Fragen des Ausschusses reagieren. | |
## Grüne und Linke kritisieren Giffey | |
Die frauenpolitische Sprecherin der Grünen, Ulle Schauws, sagte: „Das | |
Menschenrechtskommissariat der Vereinten Nationen betrachtet Deutschland in | |
Bezug auf reproduktive Rechte als rückständig. Dieser Erkenntnis kann sich | |
die Bundesregierung nicht länger verweigern.“ | |
Ministerin Giffey habe angekündigt, während der deutschen | |
EU-Ratspräsidentschaft auf der internationalen Bühne frauenpolitisch zu | |
glänzen, so Schauws. Aber sie mache sich „vollkommen unglaubwürdig“, wenn | |
sie sich gleichzeitig weigere, Cedaw umzusetzen. „Die Bundesregierung muss | |
endlich die Selbstbestimmungsrechte von Frauen in den Vordergrund stellen“, | |
forderte Schauws. | |
Das Schreiben zeige deutlich, „dass die Geduld langsam am Ende ist“, sagte | |
auch die frauenpolitische Sprecherin der Linksfraktion, Cornelia Möhring. | |
Es sei „beschämend“, wie respektlos und ignorant die Bundesregierung die | |
Empfehlungen des Cedaw-Ausschusses „wegnicke“. | |
Doch wenn die Regierung jegliche Kooperation versage, müsse eben ein | |
deutliches Zeichen aus dem Bundestag kommen, so Möhring. Denkbar wäre ein | |
fraktionsübergreifender Antrag, um die Bundesregierung an ihre | |
Verpflichtungen zu erinnern, sagte Möhring, und die Umsetzung des | |
Cedaw-Abkommens einzufordern. | |
## Versorgungslücken und Kriminalisierung | |
Erst Anfang Februar hatte sich die zivilgesellschaftliche Initiative | |
„German Alliance for Choice“ [2][mit einem eigenen Bericht zur Situation | |
ungewollt Schwangerer] in Deutschland an die Vereinten Nationen gewandt. | |
Heike Spohr von der German Alliance for Choice sagte der taz nun: Sie gehe | |
davon aus, dass der Ausschuss die Bundesregierung künftig auffordern werde, | |
auch zu weiteren Problemen im Bereich reproduktiver Rechte Stellung zu | |
beziehen, die im zivilgesellschaftlichen Bericht dargelegt wurden. Als | |
Beispiele nannte sie Versorgungslücken für ungewollt Schwangere oder die | |
Kriminalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen hierzulande. | |
Und die Bundesregierung? Will mit der Kritik der Vereinten Nationen am | |
liebsten nichts zu tun haben. Das Bundesfamilienministerium verweist auf | |
das Bundesjustizministerium, das Bundesjustizministerium auf das | |
Bundesfamilienministerium. „Eine Änderung des Paragrafen 218“, heißt es | |
schließlich, „ist nicht vorgesehen.“ | |
2 Mar 2020 | |
## LINKS | |
[1] /Frauenrechte-in-Deutschland/!5650852 | |
[2] /Bericht-zu-Frauengesundheit/!5657937 | |
## AUTOREN | |
Patricia Hecht | |
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