# taz.de -- Corona-Krise: Berlin im Stresstest: Die U-Bahn bleibt sicher | |
> Gesundheitssenatorin Dilek Kalaycı (SPD) sieht erste „Stressmomente“ in | |
> den Gesundheitsämtern. Bezirke entscheiden weiter über | |
> Großveranstaltungen. | |
Bild: Je voller die U-Bahn, desto größer die Ansteckungsgefahr | |
BERLIN taz | Die Kapazitäten im Gesundheitsdienst hochfahren, keine Panik | |
und auf jeden Fall weiter U-Bahn fahren: Wir haben die Corona-Krise im | |
Griff, war die Botschaft von Gesundheitssenatorin Dilek Kalaycı (SPD) am | |
Montag im Gesundheitsausschuss des Abgeordnetenhauses. 48 bestätige | |
Infektionsfälle mit dem Virus Sars-CoV-2 zählte sie am Montagmorgen. Am | |
Freitag waren es noch 19 gewesen. Der erste Fall in Berlin liegt gerade mal | |
eine Woche zurück. Kalaycı sagte, sie rechne für die nächsten Tage mit | |
einer „sehr deutlichen Fallzahlsteigerung.“ | |
Streit gab es am Montag um die „Empfehlung“ von Bundesgesundheitsminister | |
Jens Spahn (CDU): Der hatte am Sonntag getwittert: „Empfehle, | |
[1][Veranstaltungen mit mehr als 1.000 Besuchern abzusagen].“ | |
So pauschal mochte man das in Berlin nicht unterschreiben. Es bleibe bei | |
der bisherigen Linie, dass jeder Veranstalter eine eigene Risikoanalyse | |
treffen müsse und dann gemeinsam mit den bezirklichen Gesundheitsämtern | |
entscheide. | |
Wenn man eine Grenze für Veranstaltungen ziehe, brauche es dafür ein | |
einheitliches Vorgehen aller Länder. Soll heißen: Solange es das nicht | |
gibt, mag die Senatorin sich und den bezirklichen Gesundheitsämtern nicht | |
reinreden lassen. Auch Innensenator Andreas Geisel (SPD), dessen Verwaltung | |
einen etwaigen Corona-Katastrophenfall in Berlin koordinieren müsste, | |
zeigte sich not amused über die Spahnsche Obergrenze. | |
Im Bezirksamt Charlottenburg-Wilmersdorf wurde der Vorstoß des | |
Gesundheitsministers ebenfalls zurückhaltend aufgenommen. „Es wird in der | |
derzeitigen Situation kein pauschales Verbot geben“, sagte | |
Gesundheitsstadtrat Detlef Wagner (CDU) der taz. Sein Amt werde weiterhin | |
alle Veranstaltungen einzeln begutachten, auch jene mit mehr als 1.000 | |
TeilnehmerInnen. Und da in dem Bezirk mit der Messe, dem Olympiastadion, | |
der TU und vielen weiteren Hallen zahlreiche Orte mit dieser Kapazität | |
liegen, sind das laut Wagner mindestens zehn pro Woche. | |
## Auch kleine Veranstaltungen gefährlich | |
Wagner betrachtet Spahns Vorschlag als „das, was er ist: eine Empfehlung“, | |
sprich als einen Faktor unter vielen. Sein Amt und seine Amtsärztin müssten | |
abwägen zwischen schwersten Einschränkungen eines Grundrechts und dem | |
Schutz der Bevölkerung. „Und ich weiß noch aus meiner Zeit als Polizist: | |
Den einfachen Weg zu gehen ist nicht immer der Weg, der dem Handeln nach | |
Recht und Gesetz entspricht.“ Es gäbe auch kleine Veranstaltungen, die etwa | |
aufgrund der Herkunft der TeilnehmerInnen eine viel größere Gefahr für eine | |
Verbreitung des Virus darstellten. | |
Senatorin Kalaycı vermeldete indes „Stressmeldungen“ aus den Krankenhäuse… | |
und den Gesundheitsämtern – allerdings nichts, womit die momentan nicht | |
fertig würden. Die inzwischen sechs Extra-Anlaufstellen für „begründete | |
Verdachtsfälle“ würden keinesfalls überrannt, sondern überlegt aufgesucht. | |
Zudem hätten bisher kaum Fälle stationär aufgenommen werden müssen, sodass | |
es auch keine Betten-Engpässe gebe. Die Krankenhäuser würden von Tag zu Tag | |
neu schauen und gegebenenfalls nicht notwendige Operationen verschieben. | |
Die bezirklichen Gesundheitsämter indes ziehen inzwischen auch | |
MitarbeiterInnen aus anderen Abteilungen des Bezirksamts zusammen – | |
„Pooling“, nannte das Kalaycı. Man sei, sagte ihre Sprecherin, „in einer | |
neuen Situation die Dynamik und der Vielzahl von Kontaktpersonen | |
betreffend.“ Die Amtsärzte seien durch die Nachverfolgung der | |
Kontaktpersonen „stark beansprucht.“ Der Krisenstab der | |
Gesundheitsverwaltung habe deshalb empfohlen, „die Teams die Amtsärztinnen | |
und Amtsärzte mit bis zu 50 Personen aus den bezirklichen Ämtern zu | |
verstärken.“ | |
Die SPD-Abgeordnete Ülker Radizwill beunruhigte das eher: „Bei gerade mal | |
48 Fällen macht mir das Sorge.“ Derzeit sind 60 Stellen in den | |
Gesundheitsämtern nicht besetzt. | |
## Arztpraxen fehlt Schutzkleidung | |
[2][Schwierig indes sei die Lage bei den hausärztlichen Praxen], sagte | |
Kalaycı: „Da haben wir in der Krise eine Lücke entdeckt.“ Die Lücke sei … | |
allem eine mangelhafte Ausrüstung mit Schutzkleidung. Kalaycı sagte, da sei | |
der Senat selbst im Katastrophenfall „nicht in der Pflicht, das müssen die | |
Arztpraxen eigenverantwortlich organisieren.“ | |
Das allerdings ist schwierig: Mundschutz und Anzüge sind europaweit quasi | |
ausverkauft. Die Krankenhäuser seien gut bevorratet. Feuerwehr, Polizei, | |
Gesundheitsämter würden aus den Beständen für einen Katastrophenfall | |
bedient. Ansonsten hoffe man auf die „zentrale Beschaffung“, die jetzt auf | |
Bundesebene anlaufen solle. | |
Der FDP-Abgeordnete Florian Kluckert regte indes am Montag „flächendeckende | |
Tests“ der BerlinerInnen auf das Virus an. Das brachte den | |
Ausschussvorsitzenden Wolfgang Albers (Linke), selbst Mediziner, auf die | |
Palme. Der rechnete vor, dass die Mortalitätsraten kaum höher als bei der | |
Influenza lägen, wenn man den Experten vom Robert-Koch-Institut Glauben | |
schenke, die sagten: Rechne man alle wahrscheinlich nicht erkannten Fälle | |
mit rein, komme man auf eine Mortalitätsrate von 0,4 Prozent. | |
Was Albers suggerierte: Eventuell fahren wir das Gesundheitssystem umsonst | |
an seine Grenzen, wenn um jeden Corona-Fall Wirbel gemacht wird. | |
Sicher war am Montag laut Kalaycı nur soviel: Der ÖPNV ist sicher. „Auf | |
Haltegriffen ist das Virus nicht stabil.“ | |
9 Mar 2020 | |
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## AUTOREN | |
Anna Klöpper | |
Bert Schulz | |
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