| # taz.de -- Ärger mit AfD-Stadtrat: Theater in Treptow | |
| > Rassismus? Der epidemieerfahrene Arzt Denis Hedeler bewirbt sich als | |
| > Amtsarzt im Gesundheitsamt Treptow-Köpenick und wird nicht genommen. | |
| Bild: Denis Hedeler, Amtsarzt in Treptow-Köpenick | |
| Mitten in der Pandemie passiert im Bezirk Treptow-Köpenick Bizarres: Der | |
| Hygienereferent im Bezirksamt, Denis Hedeler, war bis vor wenigen Tagen | |
| stellvertretender Amtsarzt. Bereits zwei Mal hat er sich um die freie | |
| Amtsarztstelle beworben und sie nicht bekommen. Bis heute ist sie nicht | |
| besetzt. Seine Vermutung: Das könnte fachfremde Gründe haben. Hedeler ist | |
| gebürtiger Kubaner und mit einem Mann verheiratet. Der Gesundheitsstadtrat | |
| in Treptow-Köpenick, von dem sich Hedeler verhindert sieht, heißt Bernd | |
| Geschanowski und kommt von der AfD. | |
| Hedeler hat an der Universität Havanna auf Kuba Medizin studiert und kam | |
| 1997 nach Deutschland. Hier machte er seinen Master im Fach | |
| Gesundheitswissenschaften und steckt momentan neben seinem Job in der | |
| Facharztausbildung für öffentliches Gesundheitswesen. Hedeler arbeitete | |
| mehrere Jahre im Gesundheitsamt Bremen und war 2014 für Ärzte ohne Grenzen | |
| in Sierra Leone, um die Ebola-Epidemie einzudämmen. Er hat also als einer | |
| der wenigen Ärzte in einem Berliner Gesundheitsamt bereits Erfahrungen mit | |
| einer Epidemie. | |
| 2018 wurde er als Hygienereferent im Bezirksamt Treptow-Köpenick | |
| eingestellt. In dieser Tätigkeit entscheidet er etwa darüber, ob | |
| Seniorenheime unter Quarantäne gestellt werden. Eingestellt hat ihn 2018 | |
| der inzwischen pensionierte Amtsarzt, der ihn zu seinem Stellvertreter | |
| machte. | |
| „Mit Geschanowski hatte ich erst während der Coronapandemie zu tun“, sagt | |
| Hedeler der taz. „Geschanowski mag mich ganz klar nicht. Er muss mich nicht | |
| mögen, aber eine Zusammenarbeit muss funktionieren. Das ist nicht der | |
| Fall“, sagt Hedeler im Gespräch mit der taz und fügt hinzu: „Er sieht mich | |
| menschlich nicht als gleichwertig an.“ | |
| Zu einem ersten großen Konflikt kam es im Mai. Hedeler hatte die Eröffnung | |
| des Müggelturms zwei Tage früher genehmigt als andere Bezirke vergleichbare | |
| Einrichtungen wie die Siegessäule und den Grunewaldturm. „Geschanowski warf | |
| mir eine pflichtwidrige Entscheidung vor und forderte den Amtsarzt auf, ein | |
| Disziplinarverfahren gegen mich einzuleiten“, sagt Hedeler der taz. Der | |
| aber habe das abgelehnt und sich hinter seinen Stellvertreter gestellt. | |
| Geradezu unerträglich, so Hedeler, sei das Arbeitsklima geworden, nachdem | |
| der Amtsarzt im September in Pension gegangen sei. | |
| „Der Stadtrat hat mich in einem persönlichen Gespräch aufgefordert, meine | |
| Außendarstellung zu ändern“, sagt Hedeler der taz. „Ich fragte, was er | |
| damit meinte. Sollte ich vielleicht Anzug und Krawatte tragen?“ Aber | |
| Geschanowski hätte wortlos auf seine Haut gezeigt. Hedeler ist schwarz. Das | |
| Gespräch, nach dem der Mediziner nach eigenen Angaben das Zimmer des | |
| Stadtrates wie geschockt verließ, fand ohne Zeugen statt. Belegen kann | |
| Hedeler seine Vorwürfe deshalb nicht. | |
| Auch für andere „Diskriminierungen“, wie Hedeler es sagt, hätte er kaum | |
| Belege. Es seien Blicke gewesen, abschätzige Worte und Gesten. Nichts, was | |
| bei einer gerichtlichen Auseinandersetzung als harte Fakten bewertet werden | |
| würde. Als die Amtsarztstelle ausgeschrieben wurde, bewarb Hedeler sich. Er | |
| war einer von zwei Bewerbern. Eine Auswahlkommission, der Geschanowski und | |
| weitere Personen angehörten, gab Hedelers Mitbewerber den Vorzug. Hedeler: | |
| „Das war ein sehr qualifizierter Bewerber und ich hätte mich gefreut, wenn | |
| er Amtsarzt geworden wäre.“ Aber der Mitbewerber entschied sich für ein | |
| anderes Stellenangebot. Die Stelle blieb frei und ist seitdem | |
| ausgeschrieben. Andere Bewerber als Hedeler sind nicht in Sicht. | |
| In Berlin ist es schwierig, Amtsärzte zu finden. Auch in Lichtenberg und | |
| Marzahn-Hellersdorf sind die Stellen mangels Bewerbern unbesetzt. | |
| Erstaunlich ist deshalb, dass Treptow-Köpenick nach einer ins Leere | |
| gelaufenen Stellenausschreibung den einzigen Bewerber auf die zweite | |
| Bewerbung wegen fehlender „geforderter formaler Voraussetzungen“ überhaupt | |
| nicht berücksichtigte. | |
| Die Ausschreibung fordert formal ein abgeschlossenes Medizinstudium sowie | |
| entweder eine abgeschlossene Ausbildung als Facharzt für öffentliches | |
| Gesundheitswesen oder aber zumindest einen Bewerber „in fortgeschrittener | |
| Ausbildung“ als Facharzt. Hedeler wird seine Facharztausbildung | |
| voraussichtlich nächsten Sommer abschließen. Wurden formale Gründe | |
| vorgeschoben, damit der AfD-Stadtrat den dunkelhäutigen Bewerber nicht | |
| berücksichtigen muss? Marzahn-Hellersdorf akzeptiert für die Besetzung der | |
| freien Amtsarztstelle auch Fachärzte in Ausbildung, Lichtenberg sogar | |
| Mediziner, die bereit sind, ihren Facharzt für öffentliches | |
| Gesundheitswesen erst zu beginnen. | |
| Hedeler geht juristisch gegen seine Degradierung vor und erwägt jetzt eine | |
| Bewerbung im Gesundheitsamt eines anderen Bezirkes. Er liebe seine | |
| Tätigkeit und finde sie in der Pandemiesituation besonders wichtig, so der | |
| Arzt. | |
| Bezirksbürgermeister Oliver Igel (SPD) lassen die Vorwürfe nicht unberührt, | |
| „aus rassistischen Gründen werde ein Mitarbeiter in einem | |
| Stellenbesetzungsverfahren nicht erfolgreich berücksichtigt“, sagt er der | |
| taz. „Dies ist ein sehr starker Vorwurf. Die dahinter liegenden möglichen | |
| Gründe werden selbstverständlich in aller Tiefe ermittelt.“ Allerdings will | |
| der Bezirk Personaleinzelangelegenheiten nicht öffentlich kommunizieren. | |
| Über die Besetzung der Amtsarztstelle entscheide aber, so Igel, der | |
| Stadtrat nicht allein. Es wurde ein Auswahlgremium aus mehreren Personen | |
| eingesetzt. | |
| Gesundheitsstadtrat Geschanowski ließ die Frage der taz nach seiner | |
| Position unbeantwortet. In der Bezirksverordnetenversammlung, wo SPD und | |
| Linke kritisch nachfragten, hatte er erklärt, sich wegen des offenen | |
| Verfahrens nicht äußern zu wollen, den Rassismusvorwurf aber | |
| zurückgewiesen. Philipp Wohlfeil, der Fraktionschef der Linken, sagt der | |
| taz, man wolle den Stadtrat jetzt in einer nicht öffentlichen | |
| Ausschusssitzung befragen. „Nach meiner Kenntnis ist Herr Hedeler ein | |
| hervorragender Arzt.“ Mittlerweile haben 32.000 Menschen eine | |
| Online-Petition unterschrieben, in der Hedeler sich gegen die | |
| Diskriminierung aufgrund seiner Hautfarbe und seiner sexuellen Orientierung | |
| wendet und strafrechtliche Ermittlungen fordert. | |
| 3 Dec 2020 | |
| ## AUTOREN | |
| Marina Mai | |
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