| # taz.de -- Geschützter Auwald in Gefahr: Recycler rückt Natur auf den Leib | |
| > Der Osnabrücker Recycler Grannex hat mit Mikroplastik die Natur | |
| > verschmutzt und muss Filtertechnik einbauen. Jetzt will er geschützten | |
| > Auwald roden. | |
| Bild: Viele geschützte Arten: Der Auwald neben dem Grannex-Gelände | |
| Osnabrück taz | Plastik, heißt es, ist vielseitig. Stimmt, selbst noch als | |
| Müll. Macht man es richtig, ist es ein Wertstoff. Macht man es falsch, | |
| schädigt es die Umwelt. | |
| Der Osnabrücker Recycler Grannex hat [1][viel falsch gemacht]. Er sortiert, | |
| wäscht und schreddert Hartkunststoffe, bis zu 12.000 Tonnen pro Jahr. Das | |
| Mahlgut und Granulat, das dabei entsteht, geht in den Verkauf. Das Problem: | |
| Mikroplastik ist so in den nahen Stichkanal gelangt, auch in einen | |
| angrenzenden Fluss, viele Jahre lang. | |
| Polizei, Gewerbeaufsicht und Umweltamt waren oft vor Ort, alarmiert durch | |
| Umweltschützer wie Ralf Florian, einen Grannex-Nachbarn. Geholfen hat das | |
| jedoch „höchstens für ein paar Tage“, sagt Florian, „danach war alles | |
| wieder wie zuvor.“ | |
| Doch jetzt ändert sich etwas. Auch durch eine unangekündigte Kontrolle, | |
| die Anfang Februar „flächendeckende Verschmutzungen mit | |
| Kunststoffkleinstteilen“ auf dem Grannex-Gelände ergab, so Jürgen Bobe, | |
| stellvertretender Leiter des Gewerbeaufsichtsamts. „Bauliche | |
| Veränderungen“ mahnt Umweltamtsleiter Detlef Gerdts an. „Die bisherigen | |
| Siebe und Netze sind ja offenbar nur Bastelkram.“ | |
| ## Zwei Hektar Auwald auf städtischem Grund | |
| Alles gut also? Nicht ganz. Denn der Plastikmüll ist nicht das einzige | |
| Problem. Grannex will sein Firmengelände erweitern. Um ein fast zwei Hektar | |
| großes städtisches Grundstück direkt am Stichkanal, einen wertvollen | |
| Auwald. Ingmar Bojes, bei der Wirtschaftsförderung Osnabrück (WFO) | |
| Projektmanager Standortkommunikation, bestätigt: Es werde „in Bälde“ ein | |
| Gespräch mit Grannex geben, „bei dem es um diese Pläne geht“. | |
| Das Areal, das Grannex kaufen und roden will, ist ein Wald mit uraltem, | |
| seltenem Auelehmboden. Erle, Esche und Weide sind hier zu Hause, | |
| Teichfledermaus, Eisvogel und Baummarder, Hirschzungenfarn, Hasenglöckchen | |
| und Tausendgüldenkraut, Erlen-Grübling, Kupferroter Moorhautkopf und | |
| Käppchen-Morchel, also auch manch streng geschützte Art. Florian: „Das | |
| letzte Grün inmitten einer Industriewüste. Der einzige Grünzug hinaus in | |
| die offene Landschaft, wichtig für Tierwanderungen, das Stadtklima.“ | |
| Grannex, obwohl als Umweltverschmutzer derzeit schwer angezählt, rückt also | |
| erneut der Natur auf den Leib. Vergangenen Donnerstag jedoch, im | |
| Umweltausschuss der Stadt, hat sich Widerstand formiert. Denn ein Gutachten | |
| des Landschaftsplanungsbüros Volpers & Mütterlein kommt zu einem klaren | |
| Schluss: „Aus artenschutzrechtlicher Sicht ist das Vorhaben unzulässig.“ | |
| „Verbotstatbestände“ des [2][Bundesnaturschutzgesetzes] würden ausgelöst. | |
| Sebastian Bracke, Ratsmitglied der Grünen: „Der Wald hat eine hohe | |
| ökologische Wertigkeit.“ | |
| ## Fehlleistung der Stadt | |
| Wenn da nur nicht der fast 40 Jahre alte Bebauungsplan 163 wäre. Er weist | |
| das Gelände als „Industriegebiet“ aus. Dem widerspricht der 20 Jahre alte | |
| Flächennutzungsplan: „Waldfläche“. Eine Fehlleistung der Stadt. „Wir | |
| starten jetzt eine interfraktionelle Initiative“, sagt Bracke, „um den Wald | |
| auch planungsrechtlich abzusichern.“ Bracke, optimistisch, dass es zur | |
| Änderung des Bebauungsplanes kommt: „Da gab es ein mehrheitliches Nicken, | |
| quer durch die Parteien.“ | |
| Natürlich kann Grannex eine Ausnahmegenehmigung beantragen. Dazu müsse | |
| allerdings das „überwiegende öffentliche Interesse“ gegeben sein, so | |
| Umweltamtsleiter Gerdts, „Alternativlosigkeit nachgewiesen“ und | |
| sichergestellt, dass „geschützte Populationen nicht gefährdet sind“. Und | |
| das wird Grannex schwerfallen. Zumal Punkt 3. | |
| An die neuen Filtersysteme gegen die Mikroplastik-Verunreinigungen koppeln | |
| sich die Erweiterungspläne jedenfalls nicht. „Die müssten sie sonst ja auch | |
| bauen“, sagt Bracke. „Ich denke, die wollen einfach ihre Kapazitäten | |
| erhöhen.“ Kapazitäten für einen zunehmend lukrativen Markt, schließlich h… | |
| China 2018 einen Importstopp für Plastikmüll verhängt. | |
| Für eine Erweiterung wäre der Auwald übrigens gar nicht nötig. Denn da ist | |
| ja noch das brachliegende Grundstück zwischen Grannex und dem Hochlager der | |
| Spedition Hellmann, das Grannex ohnehin schon nutzt. „Das haben wir im | |
| Umweltausschuss auch ins Spiel gebracht“, sagt Bracke. Wer sich diese | |
| Brachfläche ansehen will, landet am Rande des Auwalds übrigens vor | |
| Nato-Draht. In dichten Rollen liegt er auf dem Boden, gefährlich für Tier | |
| und Mensch. | |
| Ganz sicher vor Grannex ist der Auwald also noch nicht. Aber er hat gute | |
| Überlebenschancen: „Selbst wenn Grannex sich stets vorbildlich verhalten | |
| hätte“, sagt Bracke, „wäre es schwer, für die Rodung eine | |
| Ausnahmegenehmigung zu bekommen.“ Über die entscheidet übrigens das | |
| städtische Umweltamt. | |
| 9 Mar 2020 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Recycling-Firma-verunreinigt-Gewaesser/!5662186 | |
| [2] https://www.gesetze-im-internet.de/bnatschg_2009/ | |
| ## AUTOREN | |
| Harff-Peter Schönherr | |
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