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# taz.de -- Kolumne Fremd und befremdlich: Viel Plastik für wenig Lebensmittel
> Niemand wirft hierzulande Plastik ins Meer und doch landet der
> Plastikmüll in unseren Gewässern. Also sollte die Verpackung das kosten,
> was sie uns alle kostet.
Bild: Sechs Millionen Tonnen jährlich: Deutschland ist bei der Plastik-Produkt…
Aber wir werfen doch gar keine Plastiktüten in das Meer. Das habe ich auch
selber schon gedacht. Ich kaufe mir etwas, ein Kleid, einen Mantel. Ich
hatte das gar nicht vorgehabt. Ich habe ja schon ein Kleid. Ich habe sogar
eine ganze Menge Kleider in meinem Schrank. Und auch Mäntel habe ich. Aber
dann sehe ich ein Kleid, das mir so gut gefällt, dass ich mir dieses Kleid
kaufe.
Ich kaufe mir also ein Kleid, das ich keinesfalls brauche, und dafür
brauche ich wiederum eine Plastiktüte, denn ein neues Kleid kann ich nicht
zu meinen Radieschen und Kartoffeln in den Rucksack stopfen.
Ich möchte eigentlich keine Plastiktüte, weil ich schon sehr viele
Plastiktüten habe. Aber da fängt es eben an. Ich kaufe mir ein Kleid, das
ich nicht brauche und erwerbe dazu eine Plastiktüte. Natürlich habe ich
Plastikmüll. Es ist mir fast gar nicht möglich, keinen Plastikmüll zu
haben. Ich müsste mir ein sehr anstrengendes und bewusstes
Einkaufsverhalten zulegen, um vollkommen auf Plastik verzichten zu können.
Ich habe mir letzte Woche ein paar Tabletten aus der Apotheke geholt, es
gibt solche Tabletten nicht ohne Plastik und ohne Aluminiumfolie. Aber sie
landen ja nicht im Meer, sage ich mir, denn ich werfe keine Verpackungen in
das Meer. Ich kenne überhaupt niemanden, der das tut. So etwas tun nur
Menschen in ganz anderen Ländern, in ganz anderen Erdteilen.
Hier in Deutschland werfen wir keinen Plastikmüll in das Meer. Und das lese
ich in den Kommentaren. Dass wir hier so etwas nicht tun. Dass wir hier
deshalb auch ruhig weiterhin Plastiktüten kaufen können. Dass man uns nur
das Leben schwer machen will, wenn man uns die Plastiktüten wegnimmt. „Ich
jedenfalls benutze weiterhin Plastiktüten“, sagt einer, den es wütend
macht, dass er jetzt verantwortlich sein soll. Bei ihm ist alles
blitzesauber. Er hat eine blitzesaubere gelbe Tonne, da stopft er alles
rein und dann wird das alles ganz sauber entsorgt.
Aber wird es das? Sechs Millionen Tonnen Plastikmüll werden jährlich in
Deutschland erzeugt. Ein Viertel ging bisher nach China und Hongkong, aber
die Chinesen wollen unseren Müll nicht mehr haben. Deutschland steht in
Europa sehr weit oben, wenn es um die Erzeugung von Plastikmüll pro
Einwohner geht. Wir sind nicht so sauber, wie wir denken, und wenn wir uns
selber um unseren Müll kümmern müssen, dann bekommen auch wir Probleme.
Wir werfen vielleicht unseren Plastikmüll nicht in das Meer, aber
irgendwann quillen auch unsere Müllberge über. Und auf einmal landet der
Müll in der Schlei, einem Meeresarm der Ostsee. Die Schleswiger Stadtwerke
haben gehäckselte Kunststoffabfälle in die Schlei gepumpt. Warum? Wie
konnte das passieren? Wer ist Schuld? Wer soll das bezahlen?
Das sind so die Fragen, die man sich stellt. Vielleicht findet man es
heraus. Vielleicht nicht. Aber das Wichtigste an dieser Geschichte ist,
Kunststoffabfälle landen wohl in unseren Gewässern. Sie sind schon drin.
Die Aufklärung, die Vorschriften, die Verträge, das interessiert mich nicht
so sehr. Das ist Sache der Justiz und der Politik. Mich interessiert vor
allem das, was hinter all dem steht, was unser aller Leben betrifft.
## Mit der Verpackung umgehen
Lebensmittel werden in Plastik eingeschweißt und wenn man diese
Lebensmittel verwenden will, wofür auch immer, dann muss man auch mit der
Verpackung umgehen. Dass man in diesem Falle die Lebensmittel mit der
Verpackung geschreddert hat, um sie zu verwerten, das kann gut für das
System stehen, das taugt als Symbol.
Das bisschen Lebensmittel in diesem Vielen von Verpackung, das uns am Ende
so viel teurer zu stehen kommt, als das Verpackte wert ist, das ist der
Fehler. Die Verpackung sollte das kosten, was sie uns alle wirklich kostet.
Die Verpackung sollte so teuer werden, dass wir alle mit dem Jutebeutel auf
den Markt gehen, so wie unsere Eltern und Großeltern, die ihre Taschen noch
flickten.
Und vor allen Dingen, müssen wir lernen, zu verzichten. Damit wir die
wirklich schönen Dinge in unserem Leben behalten können. Den Schleischnäpel
zum Beispiel, den Hochmoorbläuling oder den Goldregenpfeifer.
21 Mar 2018
## AUTOREN
Katrin Seddig
## TAGS
Plastiktüten
Plastik
Plastikmüll
Umweltverschmutzung
Verpackungsmüll
Verpackungen
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