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# taz.de -- Verfahren gegen Grannex eingestellt: Mikroplastik soll kein Abfall …
> Jahrelang landete Mahlgut des Osnabrücker Recycling-Unternehmens Grannex
> in einem Fluss. Nun hat die Staatsanwaltschaft das Verfahren eingestellt.
Bild: Schön bunt und schön giftig: Plastiksplitter im Ökosystem
Osnabrück taz | Post von der Staatsanwaltschaft bedeutet ja oft nichts
Gutes. Das war auch bei Thomas Lütkenhues aus Osnabrück so. Nicht, weil
Lütkenhues Ärger mit dem Gesetz hat. Er hatte eine Umweltverschmutzung
angezeigt, vor über einem Jahr. Jetzt kam das Ergebnis, und seither ist
Lütkenhues sauer: Ermittlungsverfahren eingestellt.
Es geht um das Osnabrücker Recycling-Unternehmen Grannex. Das schreddert,
zwischen einem Fluss und einem Zweigkanal, Hartkunststoff, und jahrelang
gelangte Mahlgut vom Firmengelände ins Wasser ([1][taz berichtete]), in
millimeterkleinen Partikeln. Umweltschützer Ralf Florian, ein Nachbar der
Firma, schlug Alarm, mehr als einmal. Das Gewerbeaufsichtsamt kam zu
Kontrollen, aber beseitigt war das Granulatproblem damit nicht.
Erst seit 2020, nach Ortsterminen der Polizei und des städtischen
Fachbereichs Umwelt, ist Ruhe. „Jedenfalls kommt jetzt nichts mehr raus,
das du mit bloßem Auge sehen kannst“, sagt Florian. Aber das ist nur ein
Teilerfolg. „Das alte Granulat belastet ja nach wie vor das Wasser und die
Uferstreifen.“
Ein Tatnachweis sei „nicht mit der erforderlichen Sicherheit zu führen“,
teilt Oberstaatsanwalt Alexander Retemeyer Lütkenhues mit. Zwar stamme ein
„nicht einzugrenzender Teil“ der Kunststoffpartikel „mit hoher
Wahrscheinlichkeit auch vom betroffenen Unternehmen“, aber der Beschuldigte
bestreite, dass „ein sicherer Nachweis darüber zu führen ist“, und dort
seien ja auch andere Betriebe ansässig.
Die „mögliche Verschmutzung“ könne nicht als illegale Abfallbeseitigung
geahndet werden, erklärt Retemeyer, „weil die Plastikteile nicht dem
Abfallbegriff unterfallen“. Ein Entledigungswille sei ebenfalls nicht
gegeben, denn das Granulat sei ja, laut Grannex, ein Wirtschaftsgut.
Auch eine Gewässerverunreinigung liege nicht vor, denn nach Auffassung des
Gewerbeaufsichtsamts werde die Wasserqualität durch die Kunststoffteile
nicht beeinträchtigt. Diese Auffassung teilt Retemeyer zwar nicht: Der
Anteil an Mikroplastik in den Gewässerproben sei „bedenklich“. Aber das
Votum des Gewerbeaufsichtsamts binde ihm die Hände. Es sei kein Vorsatz
erkennbar, kein Sorgfaltspflichtverstoß. Nur ein unvorhersehbarer
technischer Fehler.
Thomas Lütkenhues empört das: „Das ist doch lachhaft! Die bei Grannex
winden sich raus wie die Aale!“ Nicht nur er sieht das so.
„Juristisch mag die Einstellung des Verfahrens richtig sein“, sagt Volker
Bajus, Vorsitzender der Osnabrücker Ratsfraktion der Grünen und
Abgeordneter im Niedersächsischen Landtag. „Aber umweltpolitisch ist die
Bewertung der Staatsanwaltschaft mehr als unbefriedigend. Die Gefahren von
Mikroplastik für Fische und Gewässer sind hinlänglich bekannt. Sehr
befremdlich, wenn die niedersächsische Gewerbeaufsicht das anders sieht.“
Auch Detlef Gerdts, Fachbereichsleiter Umwelt der Stadt Osnabrück, hält die
Einstellung des Verfahrens für äußerst bedenklich. Unerklärlich sei, dass
es nicht gelinge, Grannex als Verursacher festzustellen: „Woher soll das
denn sonst kommen?“, fragt er. „Das Plastik entspricht völlig dem
Produktspektrum von Grannex! Und man sah das doch rausschwimmen aus deren
Rohr, in den Kanal!“
Formal hat das Gewerbeaufsichtsamt Recht, denn für Mikroplastik gibt es
keinen Grenzwert. Die Grünen hätten in Hannover beantragt, das Land möge
sich beim Bund für einen Grenzwert einsetzen, sagt Bajus. Aber das sei
abgelehnt worden.
„Plastik gehört nicht ins Wasser!“, sagt auch Andreas Peters, der
Vorsitzende des Nabu Osnabrück und des Umweltforums Osnabrücker Land. „Es
schädigt massiv ganze Lebensräume und belastet Nahrungsketten!“
## Keine wassergefährdenden Stoffe
Doch das zählt offenbar nicht. Dafür zählt laut der Staatsanwaltschaft,
dass Unternehmen nicht schuldig sein können, nur Individuen. „Es hätte uns
gelingen müssen“, sagt Christian Bagung, Sprecher der Staatsanwaltschaft,
„Mitarbeitern von Grannex direkt etwas nachzuweisen.“
Markus Börger, der Geschäftsführer von Grannex, kann jetzt froh sein. „Der
Havariefall wurde vollumfänglich und zusammen mit den zuständigen Behörden
aufgearbeitet“, sagt er der taz. Behördliche Auflagen und
genehmigungsrechtliche Bestimmungen würden erfüllt. Diskutieren will er sie
aber nicht, auch nicht die Ermittlungsergebnisse der Staatsanwaltschaft,
sondern verweist an die zuständigen Behörden.
Die Leiterin des Gewerbeaufsichtsamts, Elvira Hector, zieht sich auf
Formales zurück. Die „Verordnung über Anlagen zum Umgang mit
wassergefährdenden Stoffen“ diene „dem Schutz der Gewässer vor nachteilig…
Veränderungen ihrer Eigenschaften durch Freisetzungen von
wassergefährdenden Stoffen“, sagt sie. Bei den Grannex-Recyclaten handele
es sich jedoch nicht um wassergefährdende Stoffe. Das stimmt. Aber einen
Fisch aus dem verunreinigten Gewässer sollte man trotzdem nicht essen. Wer
das tut, kaut eventuell auf Plastik.
2 Jun 2021
## LINKS
[1] /Recycling-Firma-verunreinigt-Gewaesser/!5662186
## AUTOREN
Harff-Peter Schönherr
## TAGS
Mikroplastik
Osnabrück
Umweltverschmutzung
Recycling
Schwerpunkt Artenschutz
Osnabrück
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