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# taz.de -- Deutsche Polizisten an EU-Grenze: Rechtmäßiger Rechtsbruch
> Deutsche Frontex-Polizisten, die im Auftrag Griechenlands EU-Recht
> brechen, machen sich nicht strafbar. Sie unterstehen griechischem Recht.
Bild: Unverkennbar: deutscher Polizist im Auftrag von Frontex
Immer mehr deutsche Bundespolizisten beteiligen sich am Frontex-Einsatz in
Griechenland. Das Bundesinnenministerium versichert: „Auch bei einem
Einsatz im Ausland dürfen die deutschen Beamten rechtswidrigen Anordnungen
nicht nachkommen.“ Doch was ist „rechtswidrig“?
Frontex, die EU-Agentur für die Grenz- und Küstenwache, unterstützt
nationale Grenzschützer. Bisher sind 60 Bundespolizisten in Griechenland
tätig. Auf griechische Anforderung werden in diesen Tagen weitere elf
Beamte nach Griechenland verlegt. Die deutschen Polizisten werden unter
griechischem Kommando arbeiten, für ihren Einsatz gilt griechisches Recht.
Auch für den Einsatz von Schusswaffen sind griechische Gesetze maßgeblich.
Der [1][Umgang mit Flüchtlingen an der Grenze] ist eigentlich
EU-einheitlich geregelt. Die Asyl-Verfahrensrichtlinie der EU legt fest,
dass Asylanträge auch an der Grenze gestellt werden können. Doch vorige
Woche hat Griechenland beschlossen, für einen Monat keine neuen Asylanträge
anzunehmen. Die Grenzübergänge an der griechischen Landgrenze zur Türkei
wurden geschlossen. Auf Flüchtlinge wird mit Tränengas und Gummipartikeln
geschossen. In der Ägäis werden [2][Flüchtlingsboote Richtung Türkei
zurückgedrängt]. Wenn Flüchtlinge es über die Grenze schaffen, werden sie
inhaftiert, um sie ungeprüft wieder abzuschieben. Dies alles widerspricht
europäischem Recht.
Die Bundesregierung reagiert hilflos. Einerseits betonte sie am Freitag in
der Regierungspressekonferenz, dass EU-Recht und Völkerrecht
„selbstverständlich“ weiter gelten. Andererseits könne man aus Berlin
„keine Ferndiagnose“ zu den Zuständen in Griechenland stellen. Verwiesen
wurde vielmehr auf die EU-Kommission als „Hüterin der EU-Verträge“. Dieses
Herumlavieren werden die deutschen Bundespolizisten vermutlich nicht als
hilfreich empfinden.
## Dänen vorbildlich
Interessant ist da ein Beispiel aus Dänemark, das auch an der
Frontex-Mission in Griechenland beteiligt ist. Kürzlich weigerte sich die
Besatzung eines dänischen Patrouillenboots, einen Befehl der griechischen
Frontex-Zentrale umzusetzen. Sie sollten 33 eben gerettete Flüchtlinge
wieder in ein nicht seetüchtiges Schlauchboot setzen und Richtung Türkei
zurückschicken. Die Dänen hielten das für lebensgefährlich und überzeugten
die Zentrale, den Befehl zurückzuziehen. Von Dänemarks sozialdemokratischer
Verteidigungsministerin Trine Bramsen wurden sie dafür ausdrücklich gelobt.
Seit die Grenzen geschlossen sind, kümmern sich allerdings die griechischen
Grenzschützer selbst um die Flüchtlingsboote. Die Dänen dürfen nur noch
beim Aufspüren helfen, dokumentieren aber nebenbei Rechtsverstöße der
Griechen, berichtet Danmarks Radio.
Es ist nicht zu erwarten, dass Bundespolizeichef Dieter Romann den
Deutschen in Griechenland solche Zivilcourage nahelegt. 2015 hatte Romann
eine Abriegelung der deutschen Grenze zu Österreich vorbereitet, um mit
abschreckenden Bildern Flüchtlinge abzuhalten. Er konnte sich damals nicht
durchsetzen. Nun zeigen die Griechen, wie Abschreckung an der Grenze
aussieht.
Deutsche Polizisten im Frontex-Einsatz genießen nach den üblichen
Frontex-Vereinbarungen Immunität – allerdings nur in Griechenland, nicht in
der Heimat. Deutsche, die im Ausland Menschen verletzen oder ihren Tod
verursachen, können sich auch nach deutschen Recht strafbar machen. Im Fall
der Bundespolizisten käme es darauf an, ob sie die griechischen
Frontex-Befehle befolgen durften oder nicht. Das müssten die
Staatsanwaltschaft und das Landgericht am Wohnort des Beamten entscheiden.
9 Mar 2020
## LINKS
[1] /Griechenland-und-die-Fluechtlinge/!5665945
[2] /Gefluechtete-an-der-EU-Aussengrenze/!5669986
## AUTOREN
Christian Rath
## TAGS
Schwerpunkt Flucht
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Frontex
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