# taz.de -- Medienexperte über Krisen-Erzählungen: „Wir träumen in Geschic… | |
> CDU, Corona, Klimawandel: In Krisen stilisieren wir Menschen zu | |
> heldenhaften Figuren, sagt Medienwissenschaftler Bernhard Pörksen. | |
Bild: Greta Thunberg an der Wand eines Mehrfamilienhauses | |
taz am wochenende: Herr Pörksen, ein Teil der Mediengesellschaft würde die | |
Klimakrise gern abhaken. In diesem Moment beanspruchen diverse andere | |
Krisen die Aufmerksamkeit, zuvorderst die von Erdoğ an wieder ins Bild | |
gesetzte globale Flüchtlingsfrage, das Coronavirus, Thüringen und die CDU, | |
die nicht weiß, ob sie die Merkel-Zeit abwickeln soll oder fortsetzen. Wie | |
sehen Sie die Lage? | |
Bernhard Pörksen: Wir, die Bewohner einer privilegierten Welt, sind in eine | |
Atmosphäre der totalen Gleichzeitigkeit eingetreten, sehen alles, leiden | |
unter einer Überdosis Weltgeschehen, schwanken zwischen | |
Erregungserschöpfung, Panikschüben, Mitgefühl, Ignoranz-Sehnsucht. Dieses | |
Gefühl der Überforderung ist das Stimmungsschicksal vernetzter | |
Gesellschaften, die einen klug dosierten Umgang mit ihren Affekten noch | |
nicht beherrschen. | |
Der Kampf um die Schlüsselbegriffe ist wieder im Gange. Die | |
Anti-Merkelianer beschwören „Kontrollverlust“, die SPD den | |
„Antifaschismus“, die Grünen „europäische Werte“. Politische Lösungen | |
schwingen selten mit. | |
Es ist die Zeit der Bekenntnisse, der symbolischen Formeln. Was mir vor | |
allem auffällt: die Aktualisierung einer Polarisierung, die man gerade noch | |
für überwunden hielt. Das zynische Spiel eines Erdoğan mit dem Leid von | |
Flüchtenden, die erst aus ihrem Land herausgebombt werden, um sie dann als | |
Erpressungsmittel gegenüber der weitgehend untätigen EU einzusetzen, hat | |
die alten Gräben in den Debatten vom Herbst 2015 wieder aufgerissen. | |
Allen Themen gemein ist, dass sie vom Ende der Welt künden, wie wir sie | |
kannten und im Griff zu haben glaubten. Löst das die Emotionen aus? | |
Ich glaube, es braucht, um die gegenwärtige Gefühlslage zu verstehen, den | |
doppelten Blick. Einerseits erleben wir eine wahnwitzige | |
Ereignisverdichtung, andererseits sind wir mit den Tiefeneffekten digitaler | |
Medien konfrontiert. Man sieht hier: Vernetzung verstört. Das Bestialische, | |
das Berührende, das Banale – alles erreicht einen sofort und auf einem | |
einzigen Kanal. Die Abschottungs- und Ausstiegssehnsüchte werden | |
außerordentlich mächtig in einer solchen Situation. | |
Auch Corona kann als antiglobalistische Erzählung verkauft werden, nach dem | |
Motto: Fremde Leute schleppen Viren nach Deutschland ein? | |
Auch hier sehe ich eher die Gleichzeitigkeit des Verschiedenen – es gibt in | |
der gegenwärtigen Phase der informationellen Unübersichtlichkeit die | |
nationalistischen Zündler, die Panikmacher, die Bagatellisierer, aber auch | |
die Seriösen, [1][die wahnhaften Verschwörungstheoretiker] und die kühlen | |
Analytiker. Alles gleichzeitig. | |
Dass jetzt in der Flüchtlingsfrage wieder 2015 beschworen wird, liegt auch | |
daran, dass viel geredet wurde, aber politisch nichts vorangegangen ist. | |
Das droht nun auch bei der Klimakrise. Wo ist der Ausweg für Bürger, | |
Aktivisten, Journalisten, die die großen, komplexen Fragen voranbringen | |
wollen? | |
Es bedarf der Konzentration auf die lange Linie – im Schulterschluss mit | |
der Wissenschaft und in dem Bemühen, die Parteien der Mitte zu | |
repolitisieren und zur Programmarbeit zu drängen. Klug austarierte | |
Szenarien, die nicht einfach nur frustrieren, sondern Ansatzpunkte des | |
Handelns eröffnen. Den Opfern des Klimawandels – Mensch und Tier – im Sinne | |
einer verantwortungsvollen Emotionalisierung ein Gesicht geben, ihre Bilder | |
zeigen, ihre Geschichte erzählen. Distanz zu einem übertriebenen Starkult. | |
Und die Medienlogik so bedienen und benutzen, dass das Thema präsent | |
bleibt. | |
Allerdings ist die Bedeutung der klassischen Medien gesunken. Fridays for | |
Future haben ihre eigenen Medien und verschwinden trotz der verschärften | |
Themenkonkurrenz nicht, sondern haben mit der Siemens-Kritik und einer | |
riesigen Demo in Hamburg auch 2020 Akzente gesetzt. Oder nicht? | |
Wie lange bleibt das so? Keine Ahnung. Aber man kann am Beispiel von | |
Fridays for Future nachvollziehen, was Vernetzung eben auch bedeutet: die | |
Bildung von Gemeinschaften, die ich – im Unterschied zu einem Kollektiv wie | |
einer Partei oder einem Unternehmen – als Konnektiv bezeichne. Das sind | |
Gruppen ohne eine feste Organisation, ohne klare Innen-Außen-Grenzen, | |
ermöglicht durch die digitalen Medien. Hier finden dann Greta-Anhänger und | |
ihre Eltern, Politiker, Klimawissenschaftler zu neuen Koalitionen und | |
Bündnissen zusammen. | |
Was kann man dafür aus dem öffentlichen Sprechen über Greta Thunberg | |
lernen, die Protagonistin einer weltweit vernetzten Jugend, die die fossile | |
Welt der Babyboomer und der Generation Golf in eine postfossile verwandelt | |
haben will? | |
[2][Es gibt die Greta-Hasser, die Greta-Skeptiker], die Greta-Bewunderer. | |
Aber unabhängig von der Art des Gefühls der Feinde und Freunde wird hier | |
eine eigene Gefahr offensichtlich, nämlich dass die massive | |
Personalisierung zum Problem für das Thema selbst wird, dass es sogar von | |
ihm ablenkt. Das ließ sich auch am Beispiel des NSA-Skandals beobachten. | |
Und dies obwohl Edward Snowden… | |
… der Whistleblower, der die Überwachungspraktiken der US-Geheimdienste | |
publik gemacht hat… | |
… sich sehr lange – eben um die Debatte nicht zu stören – dem Personenku… | |
verweigert hat. Aber letztlich war dieses Narrativ David gegen Goliath | |
stärker. Es hat das eigentliche, außerordentlich abstrakte, schwer in ein | |
mediengängiges, emotional wirksames Schema übersetzbare Thema der | |
anlasslosen Massenüberwachung durch die USA und Großbritannien bestimmt. | |
Der Personenkult ist ein Problem – trotzdem wird der populäre, besondere | |
Mensch doch seit Homer auch gebraucht. | |
Ja. Je diffuser und komplexer das Geschehen, desto nötiger ist – im Verbund | |
mit der Person – die unmittelbar verständliche Geschichte. Denn wir denken, | |
wir leben, wir lieben und träumen in Geschichten. Sie sind das Medium | |
unserer geistigen Existenz, die Ordnungsform unserer Wirklichkeit. Die | |
Greta-Narrative, die ihre Gegner und Bewunderer verwenden, sind: das Bild | |
der ungezogenen, Gift und Galle speienden Göre, die auf ominöse Weise nicht | |
gesund ist; die Story von der PR-Marionette, die im Verbund mit obskuren | |
Hintergrundmächten agiert; die Geschichte vom kleinen, armen, die | |
Schutzreflexe mobilisierenden Mädchen oder auch vom global gehypten | |
Superstar mit Aschenputtel-Flair. Analytisch faszinierend ist, dass Greta | |
Thunberg das strategische Dilemma ihrer medialen Existenz durchschaut, dass | |
die Mehrheit der Journalisten hingegen in kalter, lernunwilliger Routine | |
auf dem Muster der Personality-Story beharrt. | |
Wo sehen Sie, dass sie das durchschaut? | |
Ein simples Beispiel: Ein Moderator fragt sie, wie es ihr geht. Und sie | |
sagt, das sei irrelevant, referiert stattdessen über die Erderwärmung, | |
nennt die aktuellen Zahlen. Sie versucht als Person zur Seite zu treten, um | |
die Inhalte wieder in den Vordergrund zu rücken. | |
Was macht den Hass gegen Thunberg aus? | |
Die Gefühlsintensität. Der Hassende gibt alle seine Hemmungen auf. Er macht | |
selbst den Krankheitsverdacht zum Argument gegen die Person – und | |
übersieht: Mit den Verbalprügeln für eine junge, zart und schmächtig | |
wirkende Frau kann man öffentlich nun wirklich keine Sympathie- und | |
Tapferkeitspunkte gewinnen. | |
Kann andererseits die Greta-Begeisterung nicht auch ein Ausweichen aus der | |
komplexen politischen Realität sein? | |
Wenn sie sich in der Fokussierung auf die Person erschöpft, die man zur | |
Heilsgestalt stilisiert. Aber ich zögere mit einer Antwort, weil mir gerade | |
eines klar wird: Auch wir beide sind dabei, uns in einem Widerspruch zu | |
verfangen. Denn auch der Versuch der Analyse des Greta-Hypes trägt zu | |
diesem Hype bei. | |
Wir kritisieren, dass das Problem der Klimakrise verschwindet… | |
… aber liefern einfach nur weitere Greta-Geschichtchen mit medienkritischer | |
Unterzeile. Auch wir stecken also in der Personalisierungsfalle fest. | |
Wie kommt man da raus? | |
Vielleicht nur durch den Metakommentar, der das Erkenntnisinteresse dieses | |
Gesprächs klärt. Ich will nicht zu kumpelig werden, aber ich vermute, dass | |
wir ein paar gemeinsame Fragen haben, die da wären: Kann es sein, dass das | |
Spektakel- und Personeninteresse den Realitätsschock des Klimawandels | |
entschärft? Und dass die Medienlogik in ihrer Gier nach Lichtgestalten, | |
nach Helden und immer neuen Hypes zur Verdrängung der existenziellen | |
Bedrohung wird? Und: Passen die Fertigroutinen des Journalismus noch zu der | |
aktuellen Situation? | |
Die Klimapolitikaktivistin Luisa Neubauer tauchte früh in den Medien auf | |
und seither wollen alle Journalisten nur mit ihr sprechen, ich auch. | |
Ein natürlicher journalistischer Reflex und eine klassische Orientierung am | |
Nachrichtenfaktor der Prominenz. Aber dieser sich selbst verstärkende Hype | |
um eine Person kann innerhalb einer Bewegung natürlich auch Neid erzeugen, | |
frei nach dem Motto: „Ich klebe hier den Tag über Plakate! Und du gehst zu | |
Anne Will!“ | |
Was lernen wir daraus? | |
Dass die Personalisierung für Organisationen und Bewegungen strategisch | |
hochgradig ambivalent ist – und zwar gleich in mehrfacher Hinsicht. Sie ist | |
notwendig. Sie bedient die allgemein menschliche Neugier. Und | |
selbstverständlich können die Reputation einer Person und einer Bewegung | |
oder Organisation durchaus positiv aufeinander abstrahlen. Das ist die | |
ideale Situation, das Steve-Jobs-Modell: Einer steht vorne und schreitet | |
zur Kanzel. Und die ganze Welt klatscht. | |
Aber? | |
Aber sie kann die Sachfragen erdrücken und macht eine Bewegung oder eine | |
Organisation selbst angreifbar. Auf eine Formel gebracht: Die extreme | |
Personalisierung erzeugt kurzfristig Aufmerksamkeitsgewinne, aber | |
langfristig Reputationsrisiken. Denn was ist, wenn die gerade noch zur | |
Lichtgestalt der Bewegung ausgerufene Person besoffen bei Rot über die | |
Ampel fährt, auf einem Handyvideo pöbelt oder in einem Interview, [3][wie | |
der Mitgründer von Extinction Rebellion, den Holocaust relativiert?] | |
Sie selbst haben als Grunddilemma des politischen Journalismus | |
„Personalisierungsexzesse“ benannt. | |
Ja. Und dieses Dilemmabewusstsein zu schulen, ist ein strategischer Rat, | |
den man seriösen Journalisten und Fridays-for-Future-Aktivisten | |
gleichermaßen geben kann. | |
Was heißt das? | |
Die Person als Instrument der Präsentation und die Geschichte als Werkzeug | |
der Darstellung – das ist unverzichtbar. Weil wir anthropologisch nicht aus | |
unseren Wahrnehmungsmustern herauskommen, die auf das Konkrete und | |
Emotionale, das Persönliche und Punktuelle fixiert sind. Aber Person und | |
Geschichte müssen Auftakt und Anlass einer tiefergehenden | |
Auseinandersetzung mit dem eigentlichen Thema sein, sie dürfen nicht den | |
Endpunkt bilden und die Aufmerksamkeit kannibalisieren. | |
Jetzt gibt es Aktivisten, die sich aus Prinzip nicht auf Medienstrategien | |
einlassen wollen, weil sich die Reinheit ihres Anliegens durchsetzen soll. | |
Ein schwerer Fehler. Denken Sie nur an die Piratenpartei. Den Piraten wurde | |
stets nachgesagt, dass sie sich wahnsinnig gut mit dem Netz auskennen; und | |
vielleicht stimmte das sogar. Aber sie hatten überhaupt keine Ahnung von | |
der Mediengesellschaft. Man redete in maximaler Verachtung für eine | |
gemeinsame Kernbotschaft munter drauflos, programmierte durch die selbst | |
verordnete Totaltransparenz den permanenten Skandal und zermürbte die | |
eigenen Leitfiguren in einem brutalen Mobbingspektakel. Die Folge: Die | |
gesamte Partei, die vermutlich nie wirklich eine war, sondern eine Art | |
Schwarm oder ein Konnektiv der total Unterschiedlichen, ist in maximaler | |
Geschwindigkeit verglüht. Worauf ich hinaus will: Es ist existenziell, dass | |
sich Fridays for Future medienstrategischen Fragen stellt. | |
Star geht nicht, Schwarm geht nicht, was geht denn nun? | |
Im Sinne des Dilemmabewusstseins und im Sinne einer nachhaltigen Strategie | |
muss man sich vom übertriebenen Starkult um eine einzelne Person | |
verabschieden. Es bedeutet, sich zu einer sehr behutsamen Profilierung von | |
verschiedenen Personen zu bekennen, die eben gerade nicht auf einmal für | |
die gesamte Bewegung stehen dürfen, weil sie diese dann womöglich | |
irgendwann schwer beschädigen. Kurzum: Im Hype lauert schon eine eigene | |
Gefahr. | |
Wobei das Wort Hype inzwischen flächendeckend und auch in inhaltlich | |
denunziatorischer Absicht benutzt wird. | |
Stimmt. Und doch: Natürlich war, wenn wir auf die Politik blicken, die | |
Stilisierung von Martin Schulz oder Friedrich Merz zu Erlöserfiguren ihrer | |
jeweiligen Partei, ein mediengemachter Hype – Personenkult im Verbund mit | |
dem Versprechen von Inhalten, die dann leider nie wirklich kamen. Die | |
Schlüsselfrage lautet nun: Wie kann man, zumal in Zeiten der Handyvideos | |
und der Prangerattacken, den kontraproduktiven Effekten des Starkults | |
entkommen, überdies die nötige Portion Authentizität bewahren, um nicht | |
selbst zum Medienchamäleon zu werden? Und wie kann man gleichzeitig noch | |
die entstandene Aufmerksamkeit im Dienste der Sache nutzen? | |
Sie klingen, als hätten Sie eine Antwort. | |
Es gibt – auch wenn aufgeregte Medienberater anderes versprechen – | |
Antworten und Lösungen immer nur im Plural, passend zur je besonderen | |
Situation und Person. Aber grundsätzlich gesprochen geht es um eine | |
Souveränität höherer Ordnung und eine reflektierte Distanz zu | |
Medieneffekten, [4][so das Plädoyer meines Kollegen Friedemann Schulz von | |
Thun in unserem aktuellen Buch.] | |
Was ist damit gemeint? | |
Die Souveränität erster Ordnung besagt: Bloß keine Schwäche zeigen! Alles | |
im Griff haben! Fehler verbergen! Ratlosigkeit übertünchen! Die | |
Souveränität höherer Ordnung will Autorität mit der normalen Menschlichkeit | |
verbinden, sie im Auftreten sichtbar machen, dies in dem Wissen, dass das | |
Konzept des Helden und einer Existenz ohne Schwäche undenkbar und unter den | |
aktuellen Medienbedingungen ohnehin nicht durchhaltbar ist. | |
Können Sie ein Beispiel nennen? Wer versucht das? | |
Ich würde sagen: Ein Robert Habeck hat sehr genau verstanden, dass einem | |
die Idee der Perfektion selbst gefährlich werden kann und dass die alte, | |
hierarchische, mit unbedingter Überlegenheit kommunizierte Autorität | |
garantiert nicht mehr funktioniert. Dieses Autoritätsverständnis | |
eigenhändig zu korrigieren – zum Beispiel durch Fehlerbekenntnisse, das | |
Eingeständnis von Ratlosigkeit, die Abkehr von der pauschalen Diffamierung | |
des Gegners – schafft Entlastung. Kurios und erst mal erstaunlich: Auch | |
Markus Söder von der CSU sucht erkennbar kommunikativ nach neuen | |
Rollenmodellen; hier beginnt die vorsichtige, noch zaghafte Imitation. | |
Sie haben mal gesagt, die Personalisierung werde gewichtiger, weil sie ein | |
Visions- und Konzeptvakuum füllt. | |
Ja, ich würde sagen: Person und Emotion ersetzen heute die Vision und das | |
Programm. Sie sind die Lückenfüller in Zeiten der Konzeptlosigkeit, die | |
eine zunehmend ratlose Mitte plagt. | |
Der Bundes- und Fraktionsvorsitzende Christian Lindner ist nicht die Leere | |
der FDP, sondern verbirgt sie, deshalb kann man auf ihn nicht verzichten? | |
Absolut. Sein rhetorisches und inszenatorisches Talent verdeckt mehr | |
schlecht als recht, dass der konzeptionelle Überbau fehlt, die | |
Neubegründung des liberalen Gedankens in Zeiten des aggressiven Populismus, | |
der Massenüberwachung, der Sicherheitssehnsüchte in einer Epoche von | |
Terroranschlägen. Auch auf die Klimakrise reagiert er mit Sprüchen und ganz | |
so, als wolle er alle Welt vor ein paar Demonstrationen und der Entwicklung | |
utopischer Energien warnen – eigentlich ein paternalistischer, zutiefst | |
antiliberaler Reflex. Aus meiner Sicht ist Christian Lindner die | |
Symbolfigur einer Strategie der Hyperpersonalisierung und demontiert auf | |
lange Sicht seine Partei, indem er sie kurzfristig mit ein paar | |
Stichflammeneffekten in die Schlagzeilen bringt. | |
Warum hat Lindner sich verbissen in die Antiposition zu Klimapolitik und | |
gesellschaftsliberalen Positionen? Er geht offenbar davon aus, dass sich | |
das doch noch für ihn auszahlt. | |
Ich vermute: Er glaubt, dass es zwischen AfD und CDU noch ein Milieu gibt, | |
das man mit Mackersprüchen und Anti-Political-Correctness-Gedröhn | |
begeistern kann. Sein Problem: Wenn es dieses Milieu gibt, dann ist es | |
vielleicht wirtschaftsliberal, aber definitiv nicht gesinnungsliberal, | |
sondern antimodern und manchmal einfach nur verbittert und verbockt. In | |
dieser Orientierung an der falschen Kundschaft arbeitet Lindner – wie | |
übrigens auch Wolfgang Kubicki mit seinen machtopportunistischen | |
Fehleinschätzungen im Falle von Thüringen und seinem Applaus für Thomas | |
Kemmerich – an der Zerstörung eines integrativen Liberalismus. | |
Sie haben von der ratlosen Mitte gesprochen. Was genau macht einen Teil der | |
Leute ratlos und gleichzeitig so daueraufgeregt? | |
Es gibt eine Krise der Narrative in der Mitte der Gesellschaft. Diese | |
fehlen, und das erscheint mir als eine weitere Tiefenursache der großen | |
Gereiztheit. Denn elektrisierende, umfassende Zukunftsbilder könnten die | |
immer wieder neu emporschießende und fehlgeleitete Empörungsenergie | |
dämpfen, sie in konstruktivere Bahnen lenken. Nur müssten dazu die Parteien | |
der Mitte die lange Linie der eigenen programmatischen Idee überhaupt | |
kennen und ausbuchstabieren. Sie müssten über Alternativen des Denkens und | |
Handelns diskutieren. Aber genau dieser Streit und dieses Ringen um | |
Alternativen fehlt. Und in dieses narrative und programmatische Vakuum der | |
Mitte stoßen Rechtspopulisten mit ihren extremen Freund-Feind-Erzählungen | |
und ihren Abschottungsideen hinein. | |
8 Mar 2020 | |
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Peter Unfried | |
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