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# taz.de -- „Caligari“ im Berliner Filmmuseum: Berühmter deutscher Albtraum
> „Du musst Caligari werden!“: Das Filmmuseum in Berlin widmet sich dem
> legendären Stummfilm, der vor 100 Jahren Premiere hatte.
Bild: „Wohnzimmer Alan (Mordzimmer)“, ein Modell von Hermann Warm aus dem J…
Schon wieder Caligari? Warum nicht Caligari? Zwar stimmt es fraglos, dass
es neben Fritz Langs „Metropolis“ und Friedrich Wilhelm Murnaus „Nosferat…
[1][kaum einen deutschen Stummfilm] gibt, über den so viel gesagt und
geschrieben wurde wie über Robert Wienes „Das Cabinet des Dr. Caligari“,
doch anlässlich des 100. Geburtstages dieses Meisterwerks ist eine
besondere Würdigung natürlich angebracht.
Zu diesem Anlass stellte das Berliner Filmmuseum in Zusammenarbeit mit dem
Goethe-Institut Warschau eine kleine Ausstellung zusammen, die nicht nur
Entstehung und Rezeption des expressionistischen Films mit prägnanten
Exponaten anreißt, sondern Caligari mittels einer
Virtual-Reality-Installation in ein besonders modernes Medium
transportiert.
Am 26. Februar 1920 wurde Caligari im Marmorpalast am Ku’damm uraufgeführt,
in einem jener prachtvollen Premierenkinos, die inzwischen umgebaut sind
und weltlicheren Zwecken dienen: Eine Bekleidungskette verkauft dort heute
ihre Waren, was man ohne große Volten als ebenso symbolisch für unsere Zeit
verstehen kann, wie es Caligari für die noch jungen 20er Jahre sein sollte.
Dass dem aus dem damaligen Breslau, dem heutigen Wrocław, stammenden Wiene
ein stilprägendes Meisterwerk geglückt war, wurde schnell erkannt. Die
deutsche Presse überschlug sich, ein Jahr später auch die amerikanische,
die den Import aus Deutschland als Revolution bezeichnete, als Begründer
des „kubistischen Kinos“.
## Zwischen Traum und Wirklichkeit
Auf vielfältige Weise ließ sich die Geschichte des somnambulen Cesare
interpretieren, der vom sinistren Dr. Caligari für seine Zwecke manipuliert
wird. Zwischen Traum und Wirklichkeit bewegte sich die Handlung, deutlich
geprägt von Ideen zur gerade aufkommenden Psychoanalyse. Geradezu
prophetische Qualitäten wurden Wienes Film angesichts der zunehmend
dunklen, ja, albtraumhaften deutschen Geschichte zugeschrieben.
Besonders [2][Siegfried Kracauer wollte in seiner 1947 veröffentlichte
Studie „Von Caligari zu Hitler: Eine psychologische Studie des deutschen
Films“] im Verführer und Hypnotiseur Caligari die Prophezeiung Hitlers
sehen, dem Verführer des deutsche Volkes.
Auch die 1933 nach Paris emigrierte Lotte Eisner bezog sich in ihrem
Standardwerk „Die dämonische Leinwand“ immer wieder auf den Caligari und
machte ihn in ihrer Arbeit als Chefkonservatorin der Cinémathèque française
zu einem wichtigen Teil der Sammlung. Womit der Bogen langsam wieder zurück
nach Deutschland geschlagen werden kann, zur erst 1963 gegründeten
Deutschen Kinemathek.
Allzu viele authentische Materialien aus den 1920er Jahren hatten die
Zeiten nicht überdauert, doch Hermann Warm, der einst für die Bauten des
Caligari verantwortlich war, lebte noch. Aus der Erinnerung zeichnete er
etliche Entwürfe neu, die neben den beiden einzigen Originalentwürfen, die
in Deutschland erhalten sind, den Grundstock der Kinemathek bildeten und
nun auch ausgestellt sind.
## Das Fantastische im Hologramm
Wie revolutionär mögen diese Entwürfe mit ihren verkanteten Ecken, schiefen
Wänden, harte Schatten werfenden Fenstern 1920 gewirkt haben? Einen
Eindruck verschaffen Miniaturnachbauten, die wie Puppenstuben wirken, die
dem Geist Edgar Allen Poes oder Tim Burtons entsprungen sind. Vor allem
jedoch unterstützt das Zentrum der Ausstellung, der Virtual Reality Film
„Der Traum des Cesare“, die Vorstellungskraft.
Hier kommt Wienes Herkunft aus dem Gebiet des heutigen Polen ins Spiel, die
zur Zusammenarbeit des deutschen Produktionshauses UFA X und des
Goethe-Instituts Warschau führte. In dem fünfminütigen Film agieren die
bekannten polnischen Schauspieler Arkadiusz Jakubik und Jakub Gierszał als
Dr. Caligari bzw. Cesare. Weniger eine Version von Wienes Film darf man
erwarten als ein Spiel mit Motiven und Szenen des Originals, von der
Varietébühne, über die Litfaßsäule, von der Cesares Bild starrt, bis zur
Schlafstätte des Somnambulen: ein Sarg.
Als volumetrischer Film bezeichnet das in Babelsberg ansässige Studio diese
Weiterentwicklung der Virtual Reality, die es dank Bildern, die auf
Hologrammen basieren, ermöglicht, sich quasi im Raum des Films, also hier
in der Welt von Caligari, zu bewegen. Gerade für einen Film, der so
dezidiert mit Zwischenwelten spielt, in dem oft unklar ist, ob man sich im
Reich der Träume oder doch in der Wirklichkeit befindet, wirkt die
VR-Technik wie gemacht.
Etwas bodenständiger endet schließlich die Ausstellung: Mit einer
Projektion der 2014 restaurierten Fassung von „Das Cabinet des Dr.
Caligari“, mit soweit bekannt wiederhergestellter Originalmusik und der
ursprünglichen Farbgebung entsprechenden, viragierten Bildern.
27 Feb 2020
## LINKS
[1] /Berliner-Filmgeschichte/!5659948
[2] http://www.hhprinzler.de/filmbuecher/von-caligari-zu-hitler/
## AUTOREN
Michael Meyns
## TAGS
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Kino
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