# taz.de -- Essen mit gefährlichen Pestiziden: Ministerin Klöckner für Gifti… | |
> Die Ernährungsministerin fordert: Nahrungsmittel sollen importiert werden | |
> dürfen, auch wenn sie gefährliche, in der EU untersagte Pestizide | |
> enthalten. | |
Bild: Vertritt sie Interessen der Verbraucher und Bauern in der EU? Ernährungs… | |
BERLIN taz | Bundesagrarministerin Julia Klöckner kämpft dafür, dass | |
besonders gefährliche, in EU-Lebensmitteln verbotene [1][Pestizide] in | |
Importen erlaubt bleiben. Das Ministerium der CDU-Politikerin teilte der | |
taz mit, es setze sich „für eine risikoorientierte Bewertung von | |
Rückständen ein“. | |
Die EU-Kommission dagegen wollte ursprünglich auch in Einfuhren Ackergifte | |
automatisch verbieten, die Krebs verursachen, das Erbgut schädigen, die | |
Fortpflanzung beeinträchtigen oder das Hormonsystem stören. Denn diese | |
Gefahren sind so gravierend, dass die Chemikalien laut | |
[2][Pestizidverordnung in der EU] nicht gespritzt werden dürfen. Klöckner | |
aber will solche Importe ermöglichen, wenn ein wissenschaftliches Gutachten | |
einen Grenzwert bestimmt, bei dem gesundheitsschädliche Wirkungen | |
„praktisch ausgeschlossen werden können“. | |
Kritiker befürchten, dass die Behörden nicht nur Futter mit den Pestiziden, | |
sondern auch gefährliche Nahrungsmittel auf den Markt lassen, wenn sie | |
unter dem Druck der Chemielobby über jede Einfuhrtoleranz einzeln | |
entscheiden müssen. „Julia Klöckner verrät die Interessen der | |
Verbraucherinnen und Verbraucher“, kritisierte der | |
Grünen-Bundestagsabgeordnete und Agrarexperte Harald Ebner. „Besonders | |
gefährliche Pestizide, die in Europa aus gutem Grund verboten sind, dürfen | |
nicht über importierte Lebensmittel doch wieder auf unsere Teller | |
gelangen.“ | |
Der Deutsche Bauernverband warnt vor einem unfairen Wettbewerb zwischen | |
Landwirten in der EU und in Drittstaaten. Denn Bauern etwa in Amerika haben | |
einen Vorteil, wenn sie mit Pestiziden produzieren können, die ihre | |
Konkurrenten in Europa nicht einsetzen dürfen. „Wir erwarten, dass für | |
importierte Waren dieselben Kriterien bezüglich | |
Pflanzenschutzmittelanwendung und Rückstandswerten angelegt werden wie für | |
Waren aus der EU“, forderte Bernhard Krüsken, Generalsekretär des Verbands. | |
## Verstoß gegen WTO-Regeln? | |
Klöckner argumentiert mit dem [3][Übereinkommen der Welthandelsorganisation | |
(WTO) über gesundheitspolizeiliche und pflanzenschutzrechtliche Maßnahmen]. | |
„Bei Einführung von nicht risikobasiert bewerteten Rückstandshöchstgehalten | |
bestünde ein erhebliches WTO-rechtliches Anlastungsrisiko“, schrieb ihr | |
Ministerium. | |
Tatsächlich verlangt das Übereinkommen, dass WTO-Länder ihre Beschränkungen | |
von Pestizidimporten „auf eine Bewertung [...] der Risiken für die | |
Gesundheit“ basieren. Aber das bedeutet nicht zwangsläufig, dass die EU | |
noch einmal überprüfen muss, ob eine Chemikalie in einem importierten | |
Lebensmittel zu gefährlich ist, obwohl sie den Stoff schon auf ihren | |
Feldern wegen einer wissenschaftlichen Einschätzung verboten hat. „Es ist | |
nicht bewiesen, dass die Aufhebung der Einfuhrtoleranzen für diese | |
Pestizide die WTO-Regeln verletzt“, sagte Nina Holland, Rechercheurin der | |
Organisation Corporate Europe Observatory. | |
## EU-Kommission gibt sich unentschlossen | |
Sie zeigt in einem [4][am Montag erschienenen Report], dass | |
Pestizidkonzerne wie Bayer/Monsanto, BASF und Syngenta in Dutzenden | |
Gesprächen und Schreiben Druck auf die EU-Kommission ausübten, um ein | |
Verbot von Importen mit den Ackergiften zu verhindern. Demnach sprangen die | |
USA und Kanada den Unternehmen bei. Neben Deutschland hätten bei einer | |
Sitzung im September 2018 in Brüssel auch [5][weitere fünf EU-Mitglieder] | |
wie Österreich, die Niederlande und Polen sich dafür eingesetzt, Einfuhren | |
mit solchen Pestiziden zu ermöglichen. | |
All das habe dazu geführt, dass die Kommission 2018 teilweise eingeknickt | |
sei und doch eine Risikoprüfung im Einzelfall geplant habe. Holland beruft | |
sich auf Akten der EU-Kommission. | |
Im Dezember 2019 hat die Führung der Kommission gewechselt. Und wie | |
positioniert sich Ursula von der Leyen? Die Behörde antwortete der taz nur: | |
„Die Festlegung von Rückstandshöchstgehalten für Pestizide, die die | |
Ausschlusskriterien erfüllen, ist ein komplexes Thema, über das die | |
Kommission derzeit nachdenkt.“ Bayer und seine Konkurrenten haben also noch | |
Chancen, sich durchzusetzen. | |
17 Feb 2020 | |
## LINKS | |
[1] /Schwerpunkt-Pestizide/!t5008935/ | |
[2] https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/ALL/?uri=CELEX%3A32009R1107 | |
[3] https://www.wto.org/english/tratop_e/sps_e/spsagr_e.htm | |
[4] https://corporateeurope.org/en/2020/02/toxic-residues-through-back-door | |
[5] https://webgate.ec.europa.eu/dyna/extdoc/getfile.cfm?fileid=090166e5c4af2fda | |
## AUTOREN | |
Jost Maurin | |
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