# taz.de -- Agrarministerin zu Essen mit Pestiziden: Klöckners giftige Verteid… | |
> Die Politikerin dementiert, dass sie für Lebensmittelimporte mit | |
> gefährlichen Pestiziden kämpfe. Nach taz-Recherchen macht sie einen | |
> Rückzieher. | |
Bild: Umstrittene Mittel: Pestizidspritze im Einsatz auf einem Feld bei Göttin… | |
BERLIN taz | Kämpft Bundesernährungsministerin Julia Klöckner dafür, dass | |
Lebensmittelimporte besonders gesundheitsschädliche Pestizide enthalten | |
dürfen, die in der EU verboten sind? Die CDU-Politikerin hat entsprechende | |
Berichte dementiert. Nach weiteren Recherchen der taz zog ihr Ministerium | |
jedoch den wichtigsten Beleg für ihr Dementi zurück. | |
„Deutschland und das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft | |
haben sich zu keiner Zeit – wie es heute in der Presseberichterstattung | |
heißt – dafür eingesetzt, Einfuhren mit solchen Pestiziden zu ermöglichen�… | |
teilte Klöckner [1][auf Twitter] zunächst mit. Sie warf Renate Künast, | |
ernährungspolitischer Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion, vor, | |
[2][Nährboden für „Hate Speech“] zu bereiten, weil sie [3][einen | |
taz-Artikel mit den Vorwürfen] verbreitet hatte. Den Autor beschuldigte die | |
Ministerin, ihr etwas zu unterstellen, „[4][ohne je mit mir darüber | |
gesprochen] zu haben“. | |
Die taz und in einem eigenen Report die Organisation [5][Corporate Europe | |
Observatory] hatten am Montag berichtet, dass Deutschland sich zusammen mit | |
Österreich und weiteren Mitgliedstaaten bei einer EU-Sitzung 2018 dagegen | |
ausgesprochen habe, bestimmte Ackergifte automatisch auch in Einfuhren zu | |
untersagen. Diese Pestizide dürfen in der Europäischen Union nicht | |
gespritzt werden, weil sie Krebs verursachen, das Erbgut schädigen, die | |
Fortpflanzung beeinträchtigen oder das Hormonsystem stören. Derzeit sind | |
manche dieser Ackergifte immer noch in Einfuhren zugelassen. | |
Die taz hatte zwar nicht persönlich mit Klöckner darüber sprechen können, | |
aber auf dem üblichen Weg in der Pressestelle ihres Ministeriums angefragt. | |
Dieses bestätigte, es setze sich „für eine risikoorientierte Bewertung von | |
Rückständen ein“. Das bedeutet: Wenn die Behörden einen Grenzwert | |
bestimmen, bei dem sie gesundheitsschädliche Wirkungen ausschließen, darf | |
das Pestizid bis zu dieser Menge in Importen enthalten sein. | |
Kritiker befürchten, dass die Ämter gefährliche Nahrungsmittel auf den | |
Markt lassen, wenn sie unter dem Druck der Chemielobby über jede | |
Einfuhrtoleranz einzeln entscheiden müssen. Pestizidhersteller wie Bayer | |
und BASF kämpfen für eine Risikoprüfung und gegen ein automatisches Verbot. | |
Klöckner unterstützt das mit dem Argument, dass die Regeln der | |
Welthandelsorganisation verlangten, das Risiko im Einzelfall zu prüfen. | |
Diese Auslegung ist aber umstritten. | |
## „Missverständlich formuliert“ | |
Nachdem die Berichte erschienen waren, behauptete Klöckner, die | |
risikobasierte Bewertung habe „bisher zu einer Ablehnung aller Anträge auf | |
Importtoleranz“ für die wegen der Ausschlusskriterien verbotenen Pestizide | |
geführt. „Das zeigt, dass die Verfahren in Brüssel, die Recht und Gesetz | |
entsprechen, auch wirksam den größtmöglichen Schutz von Verbraucherinnen | |
und Verbrauchern sicherstellen.“ | |
Auf Nachfrage der taz räumte Klöckners Pressestelle jedoch erst ein, dass | |
nur für 2 solche Wirkstoffe Einfuhrtoleranzen abgelehnt worden seien: der | |
Embryonen und die Fruchtbarkeit schädigende Unkrautvernichter Linuron und | |
das wahrscheinlich krebserregende Pilzbekämpfungsmittel Iprodion. Dann gab | |
das Ministerium zu, dass es gar nicht wisse, ob es nach den Verboten | |
Anträge auf Importtoleranzen gegeben habe. „Dies war in unserer Antwort | |
missverständlich formuliert – dieses Versehen bitten wir zu entschuldigen“, | |
schrieb eine Sprecherin am Donnerstag der taz. | |
Zuvor hatte Klöckners Ministerium sich geweigert, seine Aussage durch ein | |
Dokument zu belegen. Zuständig für solche Prüfungen ist die EU-Behörde für | |
Lebensmittelsicherheit. Ihr Sprecher schrieb der taz: „Ich kann bestätigen, | |
dass die Efsa keinen Antrag auf Importtoleranzen für diese beiden | |
Substanzen bekommen hat.“ | |
Das hätte das Ministerium schon vorher wissen können, sagte Helmut | |
Burtscher-Schaden, Biochemiker der österreichischen Umweltorganisation | |
Global 2000. Denn die aktuelle EU-Verordnung über Pestizidrückstände | |
verbiete Einfuhrtoleranzen kategorisch, wenn das Mittel zum „Schutz der | |
öffentlichen Gesundheit“ untersagt wurde. „Da darf es also gar keine | |
Risikoprüfung geben“, so der Biochemiker. | |
„Klöckner hat suggeriert, dass sich das risikobasierte Verfahren bereits in | |
vielen Fällen bewährt hat. Das stimmt nicht“, sagte Burtscher-Schaden. „D… | |
meisten Fälle könnten erst noch kommen.“ | |
## Importe auch 5 Jahre nach Verbot | |
Dass die Risikoprüfung nicht immer funktioniert, zeigt Umweltschützern | |
zufolge auch der Fall des Pilzbekämpfungsmittels [6][Carbendazim]: Es ist | |
seit Ende 2014 in der EU verboten, weil es wahrscheinlich das Erbgut und | |
die Fruchtbarkeit schädigt. Dennoch darf es bis heute in Lebensmitteln bis | |
zu den Grenzwerten enthalten sein, die die EU vor dem Verbot festgelegt | |
hat. Deren Überprüfung sei auch 5 Jahre nach der Entscheidung nicht | |
abgeschlossen, teilte das Agrarministerium in Berlin der taz mit. | |
„Frau Klöckner versucht, die Öffentlichkeit mit einer offensichtlich | |
unwahren Darstellung in die Irre zu führen. Sie will offenbar davon | |
ablenken, dass sie in Brüssel daran arbeitet, den Schutz vor giftigen | |
Lebensmittelimporten zu verwässern“, sagte Harald Ebner, | |
Grünen-Bundestagsabgeordneter und Agrarexperte. | |
Österreich dagegen unterstützt Klöckners Position nicht mehr: „Wir werden | |
keinen Aufweichungen bei Rückständen oder Pestizidgrenzwerten zustimmen“, | |
sagte Jens Karg, Fachreferent für Lebensmittelsicherheit im Wiener | |
Ministerium für Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz, der taz. | |
Hinweis: Wir haben am 27.02.20 die Angaben des Agrarministeriums zu Linuron | |
und Iprodion ergänzt. Die Passage war versehentlich gekürzt worden. | |
20 Feb 2020 | |
## LINKS | |
[1] https://twitter.com/JuliaKloeckner/status/1229475386284793857?s=20 | |
[2] https://twitter.com/JuliaKloeckner/status/1229648590085160960?s=20 | |
[3] /Essen-mit-gefaehrlichen-Pestiziden/!5663710 | |
[4] https://twitter.com/JuliaKloeckner/status/1229516849785823239?s=20 | |
[5] https://corporateeurope.org/en/2020/02/toxic-residues-through-back-door | |
[6] https://ec.europa.eu/food/plant/pesticides/eu-pesticides-database/public/?e… | |
## AUTOREN | |
Jost Maurin | |
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