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# taz.de -- Preisabsprachen für Pestizide: Agrarkartell gegen Bauern
> Großgenossenschaften haben zu hohe Preise für Pestizide durchgesetzt.
> Gezahlt haben ausgerechnet die Bauern, denen diese Unternehmen gehören.
Bild: Wie viel er wohl bezahlt hat? Landwirt spritzt Ackergift auf ein Kartoffe…
Berlin taz | Große Agrargenossenschaften haben ein Kartell gegen ihre
eigenen Kapitalgeber gebildet und von Bauern überhöhte Preise für Pestizide
kassiert. Wegen verbotener Preisabsprachen verhing das Bundeskartellamt nun
[1][Bußgelder in Höhe von fast 155 Millionen Euro] gegen sieben
Pflanzenschutzmittel-Großhändler und deren Verantwortliche. „Unsere
Ermittlungen haben gezeigt, dass die Unternehmen seit dem Jahr 1998 bis zum
Zeitpunkt unserer Durchsuchung im März 2015 jeweils im Frühjahr und Herbst
ihre Preislisten für Pflanzenschutzmittel miteinander abgestimmt haben“,
berichtete Kartellamtspräsident Andreas Mundt am Montag. Dies habe
weitgehend einheitliche Preislisten für Einzelhändler und Endkunden zur
Folge gehabt.
Besonders pikant an dem Fall ist, dass vor allem Unternehmen aus dem
genossenschaftlichen Bereich betroffen sind, allen voran Deutschlands
größter Agrarhändler, BayWa. Er gehört größtenteils Tochterunternehmen von
Genossenschaften, deren Mitglieder Landwirte sind. Das gilt auch für den
Konkurrenten Agravis Raiffeisen. Dieses Unternehmen hatte bereits
mitgeteilt, eine Geldbuße der Wettbewerbshüter in Höhe von fast 44
Millionen Euro akzeptiert zu haben.
BayWa akzeptierte nach eigenen Angaben eine Geldbuße in Höhe von fast 69
Millionen Euro. Die BayWa erklärte, „dass die Kunden im Zusammenhang mit
diesem Verfahren [2][keinen wirtschaftlichen Schaden] gehabt haben.“ Aber
das Ziel von Kartellen ist ja gerade, dass Kunden – in diesem Fall
Landwirte – höhere Preise zahlen als unter ordnungsgemäßen Bedingungen.
„Die Händler haben sich auf Kosten der Bauern bereichert“, sagte Ulrich
Jasper, Bundesgeschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche
Landwirtschaft, der taz. „Das sollten die Bauern sich nicht gefallen
lassen.“ Sein Verband überlege, ob er mit einer Rechtsanwaltskanzlei
zusammenarbeiten soll, die Schadenersatzklagen für Landwirte einreichen
könnte.
## Bauernaktivisten kritisieren Genossenschaften
Genossenschaften gelten oft als eine sozialere und demokratischere
Unternehmensform, weil jeder Anteilseigner bei Entscheidungen nur eine
Stimme haben darf. Doch der aktuelle Fall zeigt Jasper zufolge: „Große
Genossenschaften agieren wie normale Unternehmen. Die verfolgen nicht die
wirtschaftlichen Interessen der Bauern, sondern ihre eigenen als
Unternehmen“, sagt der Aktivist. „Bei örtlichen Genossenschaften ist das
immer noch anders.“ Aber wenn die Firmen so groß sind, dass Mitarbeiter und
Genossen nicht mehr regelmäßig persönlich Kontakt hätten, „verselbständi…
sich die einzelnen wirtschaftlichen Interessen“.
Dieses Problem sieht Jasper auch bei großen Molkereien. Branchenführer ist
das Deutsche Milchkontor, das letztendlich Bauern gehört. Dennoch zahlt das
Unternehmen seinen Landwirten regelmäßig einen der niedrigsten Preise für
Rohmilch, so dass die Höfe ihre Kosten nicht decken können. Das
Bundeskartellamt stellte in einer Untersuchung fest, dass
Molkerei-Genossenschaften ihre Mitglieder im Preis mindestens genauso hart
drückten wie Konkurrenten mit anderen Unternehmensformen.
Im Verfahren zum Pestizidkartell wurden nun weitere Bußgelder gegen die
Unternehmen Agro Agrargroßhandel, BSL Betriebsmittel Service Logistik, die
Getreide AG, die Raiffeisen Waren GmbH, Kassel, und die ZG Raiffeisen eG,
Karlsruhe, ausgesprochen. Die Beiselen GmbH profitierte von der
Kronzeugenregelung. Ihr wurde das Bußgeld erlassen. Gegen zwei weitere
Unternehmen werde noch ermittelt, berichtete die Behörde.
In der Anfangszeit des Kartells trafen sich die Unternehmen nach den
Ermittlungen des Kartellamts mehrmals im Jahr, um sich auf Listenpreise zu
verständigen. In den späteren Jahren sei die Abstimmung dann überwiegend
schriftlich und telefonisch erfolgt. Die vier führenden Großhändler im
Markt hätten dabei die Vorabstimmung der Kalkulation übernommen. Erst die
Durchsuchungen des Bundeskartellamts im März 2015 hätten die
kartellrechtswidrigen Praktiken beendet.
Die Bußgelder sind noch nicht rechtskräftig. Die betroffenen Unternehmen
und ihre Verantwortlichen können dagegen Einspruch beim Oberlandesgericht
Düsseldorf einlegen. Die größten Firmen haben jedoch schon öffentlich davon
Abstand genommen. Sechs hätten bereits gestanden, teilte die Behörde mit.
Die ZG Raiffeisen dagegen kündigte an, Widerspruch einzulegen, „da man eine
andere Rechtsauffassung als das Bundeskartellamt vertritt.“ (mit dpa)
13 Jan 2020
## LINKS
[1] https://www.bundeskartellamt.de/SharedDocs/Meldung/DE/Meldungen%20News%20Ka…
[2] https://www.baywa.com/presseinformationen/handel-mit-pflanzenschutzmitteln-…
## AUTOREN
Jost Maurin
## TAGS
Genossenschaften
Schwerpunkt Pestizide
Landwirtschaft
Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft
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