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# taz.de -- Pixarproduktion bei Berlinale Special: Aus den Verhältnissen zaube…
> Von zwei ungleichen Elfenbrüdern erzählt Dan Scanlons Animationsfilm
> „Onward“. Es geht darin um Neurosen und Kapitalismuskritik.
Bild: Ungleiche Brüder: Ian und Barley Lightfoot
Das Leben von Ian und Barley Lightfoot ist kein langer, ruhiger Fluss.
Dafür sind die beiden Elfenbrüder zu verschieden: Klapperdürr und unsicher
der eine (Ian), korpulent und renitent der andere (Barley). Auch beim
Intellekt scheiden sich die Geister, es steht Stratege versus Intuitiver.
Mit dieser Ausgangslage können sie in der Stop&Go-Suburbia, die sie mit
ihrer alleinstehenden Mutter Laurel bewohnen, zwar weiterwursteln, viel
mehr gelingt ihnen aber nicht. Zwischen Highschool, Bungalow und
Fastfoodrestaurant gedeiht Aggro, weil kein Raum für Magie ist – und erst
recht keine Möglichkeit besteht, eigene Ängste zu beheben und Versäumnisse
nachzuholen. Der Zauber war verflogen, als ihr Vater gestorben ist.
„Es war einmal eine Zeit...“: So beginnt „Onward“, eine Pixar-Produktion
unter der Regie von Dan Scanlon, in der die Elfen noch mehr Sinn für Magie
hatten und noch nicht so viele Gadgets zur Verfügung, um den Alltag zu
bewältigen. Gadget hin oder her, man hat diese teil einäugigen Märchenwesen
mit den langen, spitzen Ohren und ovalen Jetnasen (und Pferdehinterteilen)
recht schnell ins Herz geschlossen, weil trotz aller Fantasyanmutung
Neurosen und Komplexe nur allzu menschlich erscheinen.
## Smalltalk mit Shakespeare-Dringlichkeit
Außerdem ist der Elfencast durchaus divers, die family issue (Trauer um den
Vater) bleibt nachvollziehbar und überschattet nicht die Action. Zudem
zitiert Scanlon recht freigiebig in der Filmgeschichte herum: Von „The Wild
One“ bis „Rivers Edge“. Die Originalstimmen, unter anderem gesprochen von
Tom Holland, Chris Pratt und Octavia Spencer, tun ein Übriges, um dem
Suburb-Smalltalk Shakespeare-Dringlichkeit zu verleihen.
Man findet zur Bilderwelt von Pixar aber auch Bezug, weil „Onward“
zumindest ein Hauch von [1][Kapitalismuskritik] umweht. Hexen und Feen
leben und arbeiten in prekären Verhältnissen. Streunende Einhörner fressen
aus Mülltonnen und streiten sich um die besten Abfälle. Früher war zwar
nicht alles besser, aber mit etwas Willensstärke ließe sich wenigstens die
Flucht aus den Verhältnissen verschaffen.
Der Dresscode des Brüderpaars, rein äußerlich der [2][kalifornischen
Punkszene] nachempfunden, scheint darauf hinzudeuten: Nietenarmband,
Bandana, kariertes Hemd, Chucks... Wie in dieser Subkultur spielt auch in
„Onward“ ein Van, ein Lieferwagen Marke Chevrolet G-10, eine wichtige
Rolle. In den 1980ern tourten Bands damit D.I.Y.-mäßig durch die USA: „Get
in the Van“ hatte für Bands wie die Minutemen eine magische Bedeutung.
## Einhorn mit Airbrush
In „Onward“ gehören die Fahrszenen mit zu den Höhepunkten, weil sie mit
ordentlich PS animiert sind. Natürlich ist der Van zum Vanicorn mit
Einhornwappen im [3][Airbrushstil] aufgepimpt. Das alles geht mit Dads
postumer Hilfe vonstatten. Denn der Vater hat seinem jüngeren Sohn Ian zum
16. Geburtstag einen Zauberstab vermacht: Mit dem Vermächtnis bestünde auch
die Möglichkeit, den Vater noch mal für 24 Stunden in die Elfenwelt
zurückzuholen.
Diesen schwierigen Auftrag löst das Brüderpaar nicht ganz. Und so müssen
der Stratege und der Intuitive lernen, die Defizite im Zaum zu halten und
mit ungewöhnlichen Lösungen zu Rande zu kommen. Neben der flauschigen
Kapitalismuskritik fließt also auch noch ein Esslöffel
Selbstoptimierungskitsch mit in den Zaubertrank. Geschenkt!
Spannender ist es zu sehen, wie sich Ian am Steuer des klapprigen Van in
den Mörderverkehr auf dem Freeway einordnet oder was Barley macht, um einem
Gallertwürfel auszuweichen.
21 Feb 2020
## LINKS
[1] /Thomas-Piketty-ueber-Arm-und-Reich/!5039262
[2] /Thomas-Piketty-ueber-Arm-und-Reich/!5039262
[3] https://www.youtube.com/watch?v=Y7RZbLy9ejA
## AUTOREN
Julian Weber
## TAGS
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Animation
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