# taz.de -- Ruprecht Polenz zur CDU nach Thüringen: „Meine CDU lebt von der … | |
> Der einstige CDU-Generalsekretär Ruprecht Polenz fordert die | |
> Parteiführung auf, die Werteunion aufzulösen. Diese sei eine „Partei in | |
> der Partei“. | |
Bild: Zwei, die finden, bei ihnen sei die CDU in guten Händen: Merz (l.) und K… | |
taz: Herr Polenz, was bedeuten die [1][Vorgänge in Erfurt] für die Große | |
Koalition in Berlin? | |
Ruprecht Polenz: Ich finde es gut, dass der Koalitionsausschuss über die | |
Vorkommnisse in Thüringen sprechen wird. Es wird deutlich werden, dass | |
nicht nur die Bundespartei, sondern auch alle anderen Landesverbände der | |
CDU das Vorgehen der CDU Thüringen nicht gutheißen. Das sollte ausreichen, | |
um eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit der SPD fortzusetzen. | |
Dass die [2][Thüringer CDU gemeinsam mit der AfD den | |
Fünf-Prozent-Kandidaten der FDP] ins Amt wählen würde, war seit Tagen ein | |
denkbares Szenario. Warum hat die Bundes-CDU das nicht kommen sehen und das | |
verhindert? Fehlt da der Draht in die Landesverbände? | |
Die CDU-Landesverbände sind sehr autark und entscheiden selbst. Sowohl über | |
Koalitionen als auch über Wahlkämpfe und Personal. Die Bundespartei hat da | |
nur indirekten Einfluss. Den hat sie versucht zu nutzen, wie wir von Frau | |
Kramp-Karrenbauer gehört haben. Aber den Ratschlägen, Bitten und Wünschen | |
der Vorsitzenden ist die Thüringer CDU nicht gefolgt. Anordnen, befehlen | |
konnte die Bundes-CDU nichts. Sie hat aber jetzt die Möglichkeit, Druck | |
auszuüben, damit der Schaden begrenzt wird. Auch die Thüringer Freunde | |
sehen ja, welches Echo ihr Verhalten gefunden hat, zu recht wie ich finde. | |
Sie haben sich verrannt. | |
Welche Möglichkeiten haben denn Annegret Kramp-Karrenbauer und ihr | |
Generalsekretär Paul Ziemiak? | |
Die öffentliche Meinung ist ja eindeutig, auch die Rückmeldungen aus den | |
anderen CDU-Landesverbänden sind das. Das wird seine Wirkung nicht | |
verfehlen. Falls doch, wird sich das CDU-Präsidium weitergehende Maßnahmen | |
überlegen müssen. Am Ende – aber soweit wird es nicht kommen müssen – | |
könnte die Suspendierung der Mitgliedschaft eines ganzen Landesverbandes | |
stehen. | |
Selbst wenn die CDU-Führung die Thüringer wieder einfängt, steht doch eine | |
Radikalisierung des Landesverbandes zu befürchten. Wie kann das verhindert | |
werden? | |
Meine gesamte Partei muss jetzt ein paar Fragen grundsätzlich klären. Und | |
ja, das kann dazu führen, dass einige unsere Partei verlassen. Das würde | |
ich nicht ausschließen. Aber wenn die CDU nicht dramatisch in der Mitte | |
Wähler verlieren will, muss sie das Vertrauen aller Wählerinnen und Wähler | |
wiedergewinnen. Die müssen ausschließen können, in irgendeiner Weise die | |
AfD zu befördern, wenn sie uns ihre Stimme geben. Das ist die große, die | |
wichtigste Aufgabe, vor der meine Partei jetzt steht. | |
Annegret Kramp-Karrenbauer gilt als angeschlagen. Nun hat Friedrich Merz | |
erklärt: „Ich werde mich in den nächsten Wochen und Monaten noch stärker | |
für dieses Land engagieren.“ Ist das [3][der lange erwartete Angriff auf | |
die Parteivorsitzende]? | |
Das hoffe ich nicht. Ich denke, er will seine Kompetenzen einbringen… | |
…das [4][will er aber schon ziemlich lange]. | |
Ja, aber ich finde es immer in Ordnung, wenn sich jemand in der Partei | |
engagieren möchte. Wichtig ist, dass Friedrich Merz das als Teamplayer | |
macht. Da muss er jetzt schauen, welchen Platz in der Partei er findet. Er | |
sollte auch aus den kritischen Kommentaren, die ihn im letzten Jahr | |
begleitet haben, lernen und vermeiden, dass sein Engagement als Angriff auf | |
die gewählte Parteiführung wahrgenommen wird. | |
Erst das Land, dann die Partei, dann die Person – ist dieses Prinzip der | |
Bescheidenheit mit Erfurt obsolet? | |
Nein, das gilt nach wie vor. Es gibt da gar keinen Widerspruch, wenn man | |
die Interessen der jeweiligen Ebene richtig definiert. Allen gemeinsam ist | |
doch, dass wir den Einfluss einer faschistischen Partei zurückdrängen | |
müssen, und zwar für das Land, für unsere Partei und auch für uns alle als | |
Bürger. | |
Die Werteunion freut sich über die Vorgänge in Thüringen und [5][twittert: | |
„Herzlichen Glückwunsch, Thüringen!“] Ist da eine Tea-Party-Bewegung | |
innerhalb Ihrer Partei entstanden? | |
Die Kanzlerin, unsere Parteivorsitzende, Bayerns Ministerpräsident Söder – | |
alle haben von einem schlechten Tag für Deutschland und für Thüringen | |
gesprochen. Mit Recht. Aber was da passiert ist, ist genau das, was die | |
Werteunion seit Wochen als ihr Ziel propagiert hat. Deshalb freut sie sich | |
jetzt über das eingetretene Desaster. Das muss die CDU jetzt ernster nehmen | |
als bisher. Bisher war man ja der Meinung, das sind nur ein paar wenige, | |
die so denken, das könne man so laufen lassen. Inzwischen ist die | |
Werteunion als Partei in der Partei organisiert – mit Ortsverbänden, | |
Landesverbänden und einem Bundesvorstand. Das zerstört den Charakter der | |
CDU als Volkspartei. | |
Warum? Ist die CDU zu schwach für innerparteiliche Kritiker? | |
Nein, natürlich nicht. Eine lebendige Partei lebt auch von Kritik. Es geht | |
um etwas anderes. In allen Vereinigungen – Junge Union, Senioren Union, | |
Frauen Union – sind immer alle politischen Strömungen der CDU gemeinsam | |
vertreten. Sonst könnten wir sie nicht integrieren. Es gibt da immer eine | |
Mischung aus sozial, liberal und konservativ gesonnenen CDU-Mitgliedern, | |
und die verständigen sich auf einen gemeinsamen Kurs. Wenn wir uns jetzt | |
aber entlang einzelner politischer Strömungen organisieren, zerreißt es uns | |
als CDU. Das müssen wir endlich erkennen und entsprechend handeln. Die | |
Bundespartei hat ja schon einmal die Werteunion und die Union der Mitte | |
aufgefordert, ihre Aktivitäten einzustellen. Die Union der Mitte ist dieser | |
Bitte nachgekommen, die Werte Union hat gesagt: Juckt uns überhaupt nicht, | |
was die gewählte CDU-Führung sagt. Es ist jetzt Zeit, dass die | |
Parteiführung dieser Aufforderung nach Auflösung der Werte Union Nachdruck | |
verleiht. | |
Herr Polenz, Sie werden gerne von Kritikern als nicht mehr sprechfähig für | |
die CDU Deutschlands gesehen. Was antworten Sie darauf? | |
Ich kann natürlich nicht für „die CDU“ sprechen, das kann nur die | |
Bundesvorsitzende. Ich spreche als Person, die nahezu fünfzig Jahre | |
CDU-Mitglied ist und für diese Partei Mandate wahrgenommen hat und die sich | |
um diese Partei gelegentlich Sorgen macht. Dass meine Äußerungen Resonanz | |
finden, mag daran liegen, dass sich viele innerhalb und außerhalb der | |
Partei in dem wiederfinden, was ich sage. Und das freut mich natürlich. | |
6 Feb 2020 | |
## LINKS | |
[1] /Tabubruch-in-Thueringen/!5658092 | |
[2] /Ministerpraesidentenwahl-in-Thueringen/!5662080 | |
[3] /Machtkampf-in-der-CDU/!5633812 | |
[4] /Friedrich-Merz-Putschversuch/!5633721 | |
[5] https://twitter.com/WerteUnion/status/1225075783774941186 | |
## AUTOREN | |
Anja Maier | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Thüringen | |
Ruprecht Polenz | |
Schwerpunkt Landtagswahl Thüringen | |
Schwerpunkt Thüringen | |
Annegret Kramp-Karrenbauer | |
Werteunion | |
Kolumne Der rote Faden | |
CDU | |
Schwerpunkt Angela Merkel | |
Schwerpunkt Rassismus | |
Schwerpunkt Thüringen | |
FDP Berlin | |
Björn Höcke | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Donald Trump und Racial Profiling: Gott ist ein Hamburger Amtsrichter | |
Was der US-Präsident mit seiner Nichte Mary, mit Racial Profiling und einem | |
Hamburger Urteil gegen einen Münchner Polizsten zu hat. | |
Rennen um CDU-Parteivorsitz: Der Ton wird rauer | |
Der Wettlauf um den CDU-Parteivorsitz läuft auf Hochtouren. Vor allem einer | |
versucht sich zu profilieren: Norbert Röttgen. | |
Zerreißprobe für die CDU: Die Renitenz der Thüringer | |
Die Kanzlerin kritisiert mit klaren Worten den CDU-Landesverband in | |
Thürigen. Doch der stellt sich quer. Und Friedrich Merz ist auch schon | |
wieder da. | |
Marginalisierte Stimmen aus Thüringen: „Wir stehen vor Trümmern“ | |
Dass FDP und CDU mit der AfD kooperieren, sei fatal – aber nicht | |
unerwartet. Das sagen Schwarze, migrantische und jüdische Menschen. | |
Thüringen und die FDP: Bedenken second | |
Thüringen zeigt vor allem eines: Die Liberalen steigen mit jedem ins Bett, | |
der verspricht, sie vor der Bedeutungslosigkeit zu bewahren. | |
Protest gegen Thüringen-Wahl in Berlin: Spontan und wütend | |
Rund 2.000 Menschen demonstrieren Mittwochabend spontan vor der | |
FDP-Parteizentrale gegen die Thüringen-Wahl. Polizei sperrt Reinhardtstraße | |
ab. | |
Coup der AfD in Thüringen: Der Sieger heißt Höcke | |
Thüringen hat nun einen FDP-Ministerpräsidenten von Gnaden der AfD. Ist das | |
die „bürgerliche Mitte“? Haha. Gewonnen hat vor allem ein Faschist. |