# taz.de -- Bootlegs in der Mode: Vetements für Revoluzzer | |
> Der Designer Jonny Banger druckt geklaute Logos und Zitate auf billige | |
> T-Shirts. Die Bank of England belohnt ihn dafür mit einer | |
> Gelddrucklizenz. | |
Bild: „Pop culture is trash“ lautete das Motto von Jonny Bangers Show auf d… | |
Beinahe die gesamte Frühjahrskollektion von Sportsbangers ist gerade im | |
Sale gelandet. Doch für Jonny Banger, den Mann hinter dem Label, könnte es | |
nicht besser laufen. Seine Kollektionen werden von GQ und der [1][Vogue] | |
gehypt und [2][Tom Ford lädt ihn zu einer seiner exklusiven Cocktailpartys | |
ein]. | |
Dabei sind die Ideen des 34-jährigen Londoners keineswegs revolutionär. | |
Schlimmer: beinahe alle seine Designs sind geklaut. Das Reebok-Logo, | |
einfach umgedreht und auf ein weißes T-Shirt gedruckt. Und das doppelte H | |
der norwegischen Schlechtwettermarke Helly Hansen ist in seiner Welt das | |
Markenzeichen für die Musikrichtung Happy Hardcore. | |
Das, was Jonny Banger macht, nennt sich Bootlegging und bedeutet nichts | |
anderes, als bereits existierende Designs und Logos zu nehmen und sie in | |
einem anderen Kontext neu zu interpretieren. So wirbt Helly Hansen auf | |
einmal nicht mehr für Daunenjacken, sondern für die britische Rave-Kultur | |
und Nike für das britische Gesundheitssystem. | |
Seine ersten Schritte in der Modeindustrie machte Jon Wright, wie Jonny | |
Banger mit bürgerlichem Namen heißt, bereits mit zehn Jahren, und zwar im | |
Sportartikelladen eines Familienfreundes. Dort bedruckte er Fußballtrikots | |
für Vereine aus der Nachbarschaft und kreierte nebenbei seine eigenen | |
Designs. Irgendwann wurde der Laden geschlossen und der Freund des Vaters | |
landete im Knast. Denn neben Umbro und Reebok verkaufte der noch Ralph | |
Lauren und Burberry – echt war davon nichts. | |
## „Als die Konservativen mal wieder Wichser waren“ | |
Die Bootlegs aus den zwielichtigen Ramschläden haben längst die Laufstege | |
der Welt erobert. Vor gut vier Jahren war es der Designer Demna Gvasalia, | |
der mit seinen DHL-Shirts erst seine Marke Vetements zum Talk of the Town | |
der Fashion-Welt machte und dann [3][Aldi-Schals für Balenciaga] designte. | |
Doch Jonny Banger passt nicht in diesen Trend: [4][Denn während Hype-Kids | |
sich höchstens selbst entlarven, wenn sie Hunderte Euro von ihrem | |
Taschengeld für ein Shirt ausgeben], das andere nur widerwillig zur | |
Lohnarbeit tragen, sind Jonny Bangers Kollektionen preiswert und | |
hochpolitisch. Auf einem seiner Shirts prangt das Logo des NHS, des | |
National Healthcare Service. Darunter das Nike-„Swoosh“, das Logo des | |
weltgrößten Sportartikelherstellers. | |
Ein anderes bezieht sich auf Flyer, mit denen die Londoner Polizei auf | |
Diebstähle in Nachtclubs aufmerksam machen wollte: Als die Polizei dann den | |
legendären Nachtclub „The Fabric“ schließen ließ, wurde aus „Phone Thi… | |
are targeting London venues“ zunächst „Met police are targeting London | |
Venues“, zu Deutsch: „Die städtische Polizei greift Londoner Nachtclubs | |
an“. Wenig später, „als die Konservativen mal wieder Wichser waren“, so | |
Banger, druckte er stattdessen „Die Konservativen greifen alle an“ auf | |
seine Shirts. | |
## Eine Kollektion für Kids, die nichts haben | |
Obwohl die meisten seiner Designs die Rechte großer internationaler Marken | |
verletzen, bekam Banger bisher nur einmal Ärger, und zwar ausgerechnet mit | |
den Anwälten der NHS, der Institution, für die Banger eigentlich werben | |
wollte. Reebok sendet dem Nordlondoner sogar Gratis-Sneaker für seine | |
Urheberrechtsverletzung und möchte mit ihm zusammenarbeiten. | |
Doch der kollaboriert lieber mit dem britischen Sportartikelhersteller | |
Slazenger. Der stattete einst die Tennis-Legende Fred Perry aus und | |
stiftete den Turnierball zur WM 1966. Doch die besten Jahre der Marke | |
liegen weit zurück. Heute tragen Slazenger „die Kids, die nichts haben“, so | |
Jonny Banger. Deshalb gibt es die „Slazenger Banger“-Kollektionen auch im | |
Supermarkt zu kaufen, hierzulande bei Real. Dort kostet ein | |
Slazenger-Banger-Shirt 14,99 Euro. | |
Doch für die Zusammenarbeit mit Slazenger muss Jonny Banger auf illegales | |
Bootlegging verzichten. Bevor er auf die Sohlen seiner Schuhe | |
Fünf-Pfund-Noten drucken durfte, musste er bei der Bank of England sogar um | |
Erlaubnis fragen und hat ganz offiziell die Lizenz zum Falschgelddrucken | |
bekommen. | |
5 Feb 2020 | |
## LINKS | |
[1] /40-Jahre-deutsche-Vogue/!5638778 | |
[2] https://twitter.com/BangerJonny/status/1211735830773018625 | |
[3] /The-soccer-scarf-invades-high-fashion/!5462104 | |
[4] /Das-Distinktionsversprechen-der-Mode/!5657960 | |
## AUTOREN | |
Patrick Wagner | |
## TAGS | |
Mode | |
London | |
Nike | |
Tory | |
Fake | |
Kolumne Berlin viral | |
Mode | |
Mode | |
Mode | |
Mode | |
Aldi | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Schlange stehen für Aldi-Mode: Läuft bei Ebay | |
Security ist da, die Leute haben Klappstühle mit, die Schlange ist lang vor | |
einem Aldi Pop-up-Store in Berlin. Es gibt was umsonst. Aber nur kurz. | |
Die Fashion Week verlässt Berlin: Das kulturelle Kapital schmilzt ab | |
Die Fashion Week verlässt Berlin in Richtung Frankfurt/Main. Damit geht | |
auch ein Wirtschaftsfaktor. Die Hauptstadt muss sich etwas einfallen | |
lassen. | |
Vorabdruck „Mode und andere Neurosen“: Die Sneaker von Jürgen Habermas | |
Was haben Streetwear und Turnschuhe mit Freiheit und Öffentlichkeit zu tun? | |
Katja Eichinger schreibt über Freizeitmode und was sie uns bedeutet. | |
Was Mode ist: Das Spiel der Postfashion | |
Mode heißt nicht notwendig Konsum. Mode heißt erst einmal: sehen lernen, | |
was Kleider machen, und was man dann mit ihnen machen kann. | |
Das Distinktionsversprechen der Mode: Aggressiv unmodisch | |
Billig- und Luxusästhetik gleichen sich immer mehr. Was kommt nach der | |
Hässlichkeit, wenn selbst Langeweile schon passé ist? | |
Lars Eidinger und Aldi: Muss das weg? | |
Schauspieler Lars Eidinger posiert mit einer 550 Euro teuren Aldi-Tüte vor | |
einem Obdachlosenbett und erntet einen Shitstorm. Zu Recht? |