Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Wenn Fußball alt aussieht: Das große Durcheinander
> Bislang war der Sport für Jugendlichkeit zuständig. Aber im Fußball
> scheint nichts mehr unmöglich: weder 18-jährige Trainer noch 75-jährige
> Spieler.
Bild: Unfein in Rente geschickt: Friedhelm Funkel, 65, betreute bis vor kurzem …
Jürgen Klinsmann ist als Vertreter des Geburtsjahrgangs 1964 der klassische
Boomer, und Annegret Kramp-Karrenbauer, geboren 1962, gehört wohl auch in
diese Generation. Beide können als weder alt noch jung gelten, und beiden
lässt sich attestieren, dass sie gescheitert sind. Doch zu alt fürs harte
Geschäft? Könnte man meinen. Im Fußball ist immerhin gerade Friedhelm
Funkel, Jahrgang 1953, sehr unfein in Rente geschickt worden.
Stattdessen wird Julian Nagelsmann, 32, eine große Zukunft vorausgesagt.
Und der erst 18-jährige Student Jordan Hadaway ist Trainer des walisischen
Fünftligisten Caerwys FC, bald kümmert er sich gar um die Talente von Real
Madrid. So jung wie Jens Spahn und Philipp Amthor muss man sein, um im
Fußballgeschäft groß rauszukommen.
Doch jüngst, im Oktober, meldeten ägyptische Medien, dass der 75-jährige
Ezzeldine Bahader einen Profivertrag bei einem Drittligisten aus der Nähe
von Giza unterzeichnet habe. Sein Leben lang hat Bahader gerne Fußball
gespielt, aber Arbeit und Familie – und wohl auch Rauchen – hätten eine
Karriere verhindert. Mittlerweile hat er vier Kinder, sechs Enkel, viel
Zeit – und einen Profivertrag.
Bislang war der Sport – gepaart mit Mode, Rockmusik und Fernsehwerbung der
Automobilindustrie – in dieser Welt für die Jugendlichkeit zuständig, für
das ideologisch fragwürdige Lobhudeln von faltenfreier Leistungsfähigkeit.
Zugleich war aber der Fußball die Bühne, auf der 21-Jährige als ernsthafte
Erwachsene, die man nicht länger infantilisieren solle, wahrgenommen
wurden. Gerade für jugendliche Fans sind Jungprofis wichtige Bezugspunkte.
## Voraussetzung: graue Haare
Um aber das Alter zu preisen, wurde in dieser Gesellschaft die Politik
gebraucht, welche die Bedeutung von Güte und Lebensweisheit hochhielt:
Bundespräsidenten müssen graue Haare haben; so steht es, glaube ich, im
Grundgesetz, nur dann ist alles in guter Ordnung.
Doch mittlerweile scheint alles durcheinandergegangen zu sein. In diesen
Tagen wurde klar, dass die Trainerkarriere des 55-jährigen Klinsmann
definitiv zu Ende ist – so wie auch die politische Karriere von
Kramp-Karrenbauer, 57, oder Andrea Nahles, 49, definitiv zu Ende ist.
Während aber mit Donald Trump, 73, und Bernie Sanders, 78, zwei sehr alte
Herren ein Amt anstreben, das sie bis 2025 auszuüben gedenken. Dass Rolling
Stones, Puhdys und Tina Turner der Rockmusik ihren Jugendwahn ausgetrieben
haben, dürften außer Mick Jagger alle wissen, aber welche Botschaft geht
von einem 18-jährigen Cheftrainer aus, der künftig einem 75-jährigen
Spieler erklärt, er müsse sich mehr reinhängen, sonst habe er in diesem
Verein keine Zukunft mehr?
Nichts Gutes. In dem symbolträchtigen Bereich Fußball, der schon immer mit
der brutal-liberalen Botschaft, nur die Leistung lohne sich, hausieren
ging, wird derzeit alles noch mehr verschärft: Wer’s nicht bringt, kann
schon in jungen Jahren die Sachen packen und soll halt gucken, wo er
bleibt. Wer sich aber für die Verwertung der Geldmaschine Profifußball
rechnet, der soll sich auch mit 75 noch in die Knochen treten lassen.
Und Klinsmann? Der war ja als Berater des Sponsors Lars Windhorst zu Hertha
BSC gekommen, um genau diesen neoliberalen Geist, wonach es keine Erbhöfe
gibt, wo Leben und Fußball dauernde Kämpfe sind, bei denen halt Verlierer
auf der Strecke bleiben, stärker als bisher in die Bundesliga zu tragen.
Dieser [1][Windhorst] hatte schon als 16-Jähriger seine erste Firma
gegründet – allerdings wurde er 2010 wegen Veruntreuung im Zusammenhang mit
der Insolvenz seiner Firmen zu einer Bewährungsstrafe verurteilt.
Vielleicht ist ja doch noch nicht alles aus den Fugen.
14 Feb 2020
## LINKS
[1] /Fussball-Derby-in-Berlin/!5635342
## AUTOREN
Martin Krauss
## TAGS
Kolumne Über den Ball und die Welt
Fußball
Altern
Kolumne Über den Ball und die Welt
Schwerpunkt Olympische Spiele 2024
Simbabwe
Fußball und Politik
Schweiß
Ghana
## ARTIKEL ZUM THEMA
Antirassismus-Kampagnen im Fußball: Mit dem T-Shirt in die Knie?
Klubs wie Bayern München und Borussia Dortmund positionieren sich mit
PR-Fotos gegen Rassismus. Wie es konkret besser geht, zeigt der FSV Mainz.
Sport-Journalismus in Corona-Zeiten: Irgendwas von früher oder so
Der Sport steckt in einer epochalen Krise. Vielen Sendern fällt dazu nicht
mehr ein, als abgehangenes Archivmaterial zu zeigen – schade eigentlich.
Staatliches Versagen in Simbabwe: Arenen der Proteste
Das Fußballteam von Simbabwe soll sein Quali-Heimspiel für den Afrika-Cup
in Südafrika austragen. Die eigenen Stadien sind zu marode – ein Politikum.
Fußballprofis als Gewerkschafter: Idole für die Jugend
Die Spielergewerkschaft FIFPro will aktiver für Athletenrechte kämpfen.
Eine schöne Gelegenheit, aus Sportlern gute Vorbilder zu machen.
Kolumne Ball und die Welt: Abstieg, auch politisch und moralisch
Nach dem Abstieg fordern die Fans der Grasshoppers Zürich das Team auf,
Trikots und Hosen auszuziehen. Ein Lehrstück über Politik im Fußball.
Kolumne Über Ball und die Welt: Tödliche Recherche in Ghana
Im Januar wurde in Ghana der investigative Sportreporter Ahmed
Hussein-Suale ermordet. Nun folgt eine Schmutzkampagne.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.