| # taz.de -- Protest gegen Racial Profiling: Lauter Pappnasen | |
| > Weil ein Mann einen Polizisten in Hamburg vermeintlich beleidigt hatte, | |
| > stand er vor Gericht. In zweiter Instanz wurde das Verfahren eingestellt. | |
| Bild: Dem Anlass entsprechend gekleidet: Unterstützer*innen vor Prozessbeginn | |
| Hamburg taz | Mit langen Nasen aus Pappe betraten rund zehn Besucher*innen | |
| den Gerichtssaal. Sie trugen sie auch noch, als die Verhandlung schon | |
| begonnen hatte. Mit dem Begriff Pappnase haben sie offenbar kein Problem. | |
| Anders als ein Polizist, der von einem Anwohner der Hamburger Hafenstraße | |
| so genannt wurde und ihn deshalb wegen Beleidigung und Widerstand gegen | |
| Vollstreckungsbeamte angezeigt hatte. | |
| Am Montag stand Janosch V., der eigentlich anders heißt, deshalb vor | |
| Gericht. Das Amtsgericht hatte ihn bereits zu einer Geldstrafe von 600 Euro | |
| verurteilt. Dagegen legte zuerst die Staatsanwaltschaft Berufung ein, dann | |
| auch der Beschuldigte. | |
| Hintergrund des Verfahrens sind die [1][Kontrollen der Task Force Drogen]. | |
| Weil der Bereich der Hafenstraße als gefährlicher Ort eingestuft wurde, | |
| darf die Polizei Menschen verdachtsunabhängig kontrollieren. Schon lange | |
| kritisieren unter anderem Anwohner*innen das Racial Profiling, welches | |
| hauptsächlich Schwarze Menschen trifft. Dies kritisierte auch Janosch V. in | |
| seiner im Prozess verlesenen Erklärung. | |
| An dem vermeintlichen Tatabend im September 2018 habe die Polizei | |
| stundenlang in der Straße patrouilliert, Menschen hätten sich nicht | |
| getraut, den Hinterhof eines Hauses zu verlassen. V. und andere haben den | |
| Polizist*innen gegenüber immer wieder ihren Unmut darüber geäußert und | |
| ihnen vorgeworfen, dass es sich um eine [2][unrechtmäßige rassistische | |
| Maßnahme] handle. Als ein Polizist V. aufforderte, nicht so laut zu | |
| schreien, soll dieser eben „Pappnase“ gesagt haben. Die Äußerung räumte … | |
| vor Gericht ein, den Widerstand nicht. Aus Sicht des Verteidigers Lino | |
| Peters ist „Pappnase“ keine strafbare Beleidigung. | |
| „Sehr kränkend und beleidigend“ sei es für ihn gewesen so genannt zu | |
| werden, sagte der Polizist vor Gericht. Weil V. seine Personalien nicht | |
| angeben wollte und immer mehr Menschen dazu kamen, habe er Verstärkung | |
| angefordert. V. habe aggressiv gewirkt, weshalb er von mehreren Beamten zu | |
| Boden gebracht und gefesselt wurde. Und weil er dabei seine Arme unter | |
| seinem Körper gehalten und seine Muskeln angespannt haben soll, wurde ein | |
| Widerstand daraus. | |
| Das Vorgehen der Festnahme wurde von der Richterin immer wieder | |
| hinterfragt. Warum V. nicht einfach hätte abgeführt werden können und ob er | |
| selbst beruhigend auf die Situation eingewirkt habe, wollte sie von dem | |
| Polizisten wissen. Ein anderer Polizist hatte in seinem Bericht | |
| geschrieben, der Beschuldigte habe gesagt, alle sollten ruhig bleiben, es | |
| sei doch nichts passiert. | |
| Auf die Fragen reagierte der Polizist mit fortlaufender Vernehmung | |
| zunehmend genervt. Bei Fragen des Verteidigers Lino Peters wandte er sich | |
| immer wieder an die Richterin, ob er antworten müsse. Er musste. Und so | |
| antwortete er auf Peters’ Frage, ob er sich bei der Polizei mal mit | |
| institutionellem Rassismus auseinandergesetzt habe: „Institutioneller | |
| Rassismus, was soll das eigentlich sein?“ Das sei ein weit gefasster | |
| Begriff, sicher habe er sich mal damit beschäftigt. | |
| Bevor die Vernehmung des Polizisten nach einer Pause fortgesetzt und auch | |
| weitere Beamte als Zeugen vernommen werden konnten, wurde das Verfahren auf | |
| Antrag der Staatsanwaltschaft gegen die Zahlung von 600 Euro eingestellt. | |
| Verurteilt ist V. damit nicht. Er erklärte, dass er sich wünsche, dass es | |
| weiterhin eine Auseinandersetzung über Rassismus gebe und diese respektvoll | |
| stattfindet. | |
| „Respektlosigkeit beginnt in diesem Fall mit der Art der polizeilichen | |
| Aufträge in der Hafenstraße“, sagte Peters nach Ende des Prozesses. | |
| Diese wiederum könnten eine weitere Dimension erreicht haben, wenn man | |
| Plakaten glaubt, die in der vergangenen Woche auftauchten. Auf denen wird | |
| darauf hingewiesen, dass die Polizei für ihre Überwachungsmaßnahmen in der | |
| Bernhard-Nocht-Straße extra eine Wohnung angemietet habe. Fragen der taz | |
| dazu wollte die Polizei „aus grundsätzlichen Erwägungen“ nicht beantworte… | |
| 11 Feb 2020 | |
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| ## AUTOREN | |
| Marthe Ruddat | |
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