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# taz.de -- Racial Profiling auf St. Pauli: Vom Tellerwäscher zum Arbeitslosen
> In einem offenen Brief kritisiert ein Gastronom die Strategie der
> Drogenbekämpfung der Polizei. Für einen seiner Mitarbeiter hat die
> Folgen.
Bild: Aktivist*innen protestieren schon lange gegen das Racial Profiling auf St…
Hamburg taz | Offenbar will Issi nicht mit der taz sprechen. Eine
entsprechende Anfrage seines früheren Chefs lässt er unbeantwortet. „Ich
glaube, er will mit dem Trubel nichts zu tun haben. Er wollte den ja auch
nicht“, sagt Johannes Riffelmacher. Er ist einer der Betreiber des
Restaurants „Salt&Silver – Zentrale“ in der Hamburger Hafenstraße und war
bis vor kurzem Chef des jungen Mannes aus Ghana.
Vor wenigen Tagen hat er [1][öffentlich gemacht], was Issi, der als Spüler
in dem Restaurant gearbeitet hat, passiert ist. Er wurde von Polizisten der
Task Force Drogen für einen Dealer gehalten. Weil bei seiner Kontrolle
herauskam, dass er zwar kein Dealer ist, aber keine Aufenthalts- und
Arbeitserlaubnis hat, darf Issi jetzt nicht mehr in dem Restaurant
arbeiten.
Der Bereich um die Hafenstraße gilt als [2][gefährlicher Ort]. Die Polizei
darf dort verdachtsunabhängig Personen kontrollieren. Und weil die
Kontrollen insbesondere Menschen mit schwarzer Hautfarbe treffen, wird der
Polizei [3][unter anderem von Anwohner*innen] immer wieder vorgeworfen,
rassistische Kontrollen durchzuführen. Hinzu kommt die Kritik, dass das
Problem nur verdrängt und nicht gelöst werde.
Riffelmachers Argumentation in seinem „offenen Brief an die Beamten, die
unseren Spüler mitgenommen haben“ ist ganz ähnlich. „An diesem Abend habt
ihr nicht dafür gesorgt, dass St. Pauli sicherer wird. Ihr habt dafür
gesorgt, dass es einen jungen Mann ohne Perspektive mehr gibt“, schreibt
er.
## Issi hielt sich panisch am Griff der Tür fest
Der Abend, von dem Riffelmacher erzählt, war der des 4. März. Riffelmacher
saß, wie er der taz erzählt, in seinem Restaurant. Er habe Menschen vor der
Tür bemerkt. „Dann habe ich Issi gesehen, wie er sich panisch am Griff der
Tür festhielt und mich mit aufgerissenen Augen anguckte.“ Hinter Issi habe
ein blonder Mann in Bomberjacke gestanden. „Ich habe mich zwischen Issi und
den Blonden gestellt und zu Issi gesagt: Go inside“. Riffelmacher habe
verstehen wollen, was da gerade los gewesen sei, sagt er.
Es waren Beamte in Zivil, die Issi bis vors Restaurant verfolgt hatten.
Riffelmacher sprach nach eigener Aussage mit den Polizisten, erklärte, dass
Issi dort arbeite und „mit der Antidrogenmission nichts zu tun hat“. Doch
für die Polizisten sei Issi verdächtig gewesen, weil er weggelaufen sei.
„Dass ein junger Mann mit dunkler Hautfarbe in Deutschland vor ein paar
Typen in Bomberjacke weggerannt ist, und nicht vor Beamten in Uniform,
schien dabei aber nicht wichtig zu sein“, schreibt Riffelmacher an die
Polizisten. „Das habt ihr mit dem Satz: ‚Wir führen hier keine
Grundsatzdiskussionen!‘ klar gemacht.“
Die Polizisten hätten dann gegen seinen Willen das Restaurant betreten und
Issi mitgenommen. Während die Betreiber und Angestellte im Restaurant
vernommen wurden, wurden Issi auf dem Revier die Fingerabdrücke abgenommen.
Dabei kam heraus: Issi heißt eigentlich Ibrahim. Er hatte bei der
Zeitarbeitsfirma, bei der er angestellt war und die ihn zu Salt&Silver
geschickt hatte, einen falschen Namen angegeben.
Ein Sprecher der Polizei sagt auf Anfrage der taz, die Zivilbeamten hätten
an dem Tag eine andere Person wegen Verdachts auf Verstoß gegen das
Betäubungsmittelgesetz kontrolliert. Issi habe sich „auffällig verhalten“
und sollte dann von einem anderen Zivilbeamten kontrolliert werden, der
sich sofort als Polizist zu erkennen gegeben habe. Schließlich habe sich
der Verdacht eines Drogendelikts nicht begründet, aber der Verdacht wegen
des Verstoßes gegen das Aufenthaltsgesetz.
Riffelmacher will seinen Brief nicht als Pauschalkritik an der Polizei
verstehen. „Ich verstehe, dass die Beamten im Recht waren“, sagt er. Er
habe allerdings das Gefühl, dass der Situation in der Hafenstraße ohne
sinnvolle Strategie begegnet werde. „Es geht gar nicht um die richtige
Handlung, es ist nur ein pressewirksamer Kampf, in dem vermeindliche
Erfolge verkündet werden“, sagt er.
„Die jungen Menschen, die an der Ecke dealen, haben keine Chance ihr Geld
ehrlich zu verdienen, so lange man ihnen keine Möglichkeit gibt zu
arbeiten“, sagt er. „Bis das irgendwann passiert, wäre es aber fair, wenn
die Polizistinnen und Polizisten vor unserer Tür ihre Rechte nicht wie
Naturgesetze behandeln.“
Riffelmacher sagt, dass seine Mitarbeiter auf dem Weg zur Arbeit regelmäßig
kontrolliert und durchsucht würden, weil sie nicht aussehen, als kämen sie
aus Deutschland. Andere gerieten ins Visier, weil sie mit „Verdächtigen“
gesprochen haben. Auch Gäste würden kontrolliert. „Ich suche dann immer das
Gespräch und die einzige Antwort ist oft: ‚Wir dürfen das‘“, sagt
Riffelmacher.
Sein Brief hat in der Polizei offenbar Wellen geschlagen. Am Freitag kam
Sönke Harms, der stellvertretende Leiter der Davidwache in das Restaurant,
um mit ihm zu sprechen, wie Riffelmacher sagt. Dass sich sehr bald etwas
ändert, glaubt er aber nicht. „Lösungen für die Situation müssen auf
politischer Ebene gefunden werden.“
14 Mar 2020
## LINKS
[1] https://www.facebook.com/saltandsilver.zentrale/posts/1034561266927253?__xt…
[2] /Schwerpunkt-Polizeikontrollen-in-Hamburg/!t5042267
[3] /Protest-gegen-Racial-Profiling/!5659546
## AUTOREN
Marthe Ruddat
## TAGS
Schwerpunkt Polizeikontrollen in Hamburg
St. Pauli
Racial Profiling
Arbeitsmigration
Polizei Hamburg
Racial Profiling
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