# taz.de -- Streit um Parlamentsgröße: CSU blockiert Wahlrechtsreform | |
> Seit Jahren gibt es Streit darüber, wie sich der Bundestag verkleinern | |
> ließe. Einen guten Vorschlag gibt es – doch den will eine Partei nicht. | |
Bild: Es wird immer voller im Deutschen Bundestag | |
Selbst ein Containerdorf in Berlin-Mitte ist nicht mehr ausgeschlossen. | |
Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble hat vorsorglich darauf hingewiesen, | |
dass seine Verwaltung beim zuständigen Bauamt einen Antrag gestellt hat, um | |
zur Not auch mehr als 800 Bundestagsabgeordnete samt Mitarbeitern | |
unterzubringen. Parlamentarismus im Container, es wäre das treffende | |
Symbolbild eines politischen Versagens. | |
Seit Jahren streiten sich die Fraktionen über eine Wahlrechtsreform, die | |
den aufgeblähten Bundestag verkleinern soll. Bisher ohne Ergebnis. 709 | |
Abgeordnete sitzen im Moment im Parlament, eigentlich sollten es laut | |
Wahlgesetz nur 598 sein. Und nach der nächsten Wahl dann 800? | |
Die Argumente für eine [1][Schrumpfung des Parlaments] leuchten eigentlich | |
allen ein: Der Platz im Plenum, in Ausschüssen und in Bundestagsgebäuden | |
wird knapp. Die Entscheidungen werden langwierig und ineffizient. | |
Mehrkosten in mehrstelliger Millionenhöhe drohen. | |
„Wahlrechtsreform“ – das mag trocken und technisch klingen. Aber im Grunde | |
geht es darum, wie die Legislative den in Wahlen ausgedrückten Willen der | |
BürgerInnen umsetzt. Das ist keine Petitesse, sondern ein Kernbereich der | |
Demokratie. Dass die Fraktionen bis heute daran scheitern, einen klugen | |
Kompromiss zu finden, ist ein Skandal, der öffentlich zu wenig Beachtung | |
findet. | |
Es ist ja nicht so, als lägen keine sinnvollen Vorschläge auf dem Tisch. | |
Nach einem Gesetzentwurf von FDP, Linken und Grünen würde die [2][Zahl der | |
Wahlkreise] und Direktmandate reduziert und der Bundestag deutlich | |
verkleinert. Dennoch bliebe das Zweitstimmenergebnis der Parteien weiterhin | |
korrekt abgebildet, was das höchste Ziel jeder Reform sein muss. Die Idee | |
ist fair und vernünftig. Nur leider blockiert sie die Union – und hier im | |
Speziellen: die CSU. | |
Die Christlich-Soziale Union wirbt für ein anderes Modell, von dem vor | |
allem eine Partei profitieren würde: sie selbst. Es ist kein Zufall, dass | |
die Bayern unbedingt an allen Wahlkreisen festhalten und dafür die | |
Listenmandate deckeln wollen. Bei der Wahl 2017 holte die CSU 46 von 46 | |
Direktmandaten in Bayern, setzte also ihre regionale Dominanz maximal in | |
Bundestagsmandate um. Einen Effekt, den sie verstetigen will. | |
Offiziell argumentiert sie anders: mit Bürgernähe. Bei größeren Wahlkreisen | |
nehme die Distanz zu den BürgerInnen zu. Das stimmt zwar, aber ein paar | |
Kilometer mehr für Abgeordnete im Wahlkreis taugen nicht als | |
Grundsatzargument gegen eine sinnvolle Reform. Schon jetzt ist es bei | |
kleineren Parteien üblich, dass ein Abgeordneter in sitzungsfreien Wochen | |
mehrere Wahlkreise betreut. Und die Idee, ein Einzelner könne zu allen | |
BürgerInnen einer Region Kontakt halten, ist per se eine Illusion. | |
Nein, die Bedenken der CSU sind schlichter. Sie fürchtet, Vorteile zu | |
verlieren. Nun ist gesunder Egoismus legitim, aber eben keine Grundlage für | |
eine demokratietheoretisch bedeutende Reform, die möglichst alle Fraktionen | |
mittragen sollten. Vertrauen in den Rechtsstaat sei „eine Schlüsselfrage | |
für die Demokratie“, schreibt die CSU in ihrem Regierungsprogramm für | |
Bayern. Ihr Taktieren bei der Wahlrechtsreform untergräbt diesen Anspruch. | |
Was besonders nachdenklich macht: Das Dauergezänk über den gewachsenen | |
Bundestag gibt der radikal rechten AfD eine Steilvorlage. „Wer sägt schon | |
am eigenen Stuhl?“, frohlockt deren Bundesvize Stephan Brandner. Die | |
angeblichen Altparteien seien „nicht bereit, auf ihre Pfründe zu | |
verzichten“. Da hat die AfD recht. So widerlich ihr sonstiges Programm ist, | |
der Vorwurf, dass es manchen beim Wahlrecht um die eigene Vormachtstellung | |
geht, stimmt leider. | |
Ein guter Kompromiss zeichnet sich dadurch aus, dass alle ein bisschen | |
nachgeben. Das muss, im Falle der Wahlrechtsreform, vor allem die CSU | |
beherzigen. Einigt euch endlich! Ihr seid es den Bürgerinnen und Bürgern | |
schuldig. | |
25 Jan 2020 | |
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## AUTOREN | |
Ulrich Schulte | |
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