Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Anklage gegen Glenn Greenwald: Rache liegt in der Luft
> Der Journalist Greenwald veröffentlichte belastende Dokumente gegen die
> Bolsonaro-Regierung in Brasilien. Die rächt sich mit zweifelhaften
> Vorwürfen.
Bild: Kein Freund Bolsonaros: Glenn Greenwald
Der Knall kam am Dienstag: Die brasilianischen Bundesstaatsanwaltschaft
erhob Anklage gegen sieben Personen wegen Cyberkriminalität. Im vergangenen
Jahr sollen die Beschuldigten die Mobiltelefone des Richters Sergio Moro
und des Staatsanwalts Deltan Dallagnol gehackt haben. Unter diesen sieben
Personen ist auch der prominente US-amerikanische Journalist Glenn
Greenwald.
Greenwald, einer der Gründer des Investigativportals The Intercept Brasil,
hatte im vergangenen Juni [1][mehrere auf privaten Telegram-Nachrichten
basierende Berichte veröffentlicht], welche die Unbefangenheit des Richters
Sergio Moro anzweifelten und eine Nähe zwischen dem Richter und dem
Staatsanwalt Dallagnol suggerierten.
Moro, mittlerweile Justizminister unter Jair Bolsonaro, hatte sich in den
vergangenen Jahren als Richter in den Verfahren um die Korruptionsaffäre
„Lava-Jato“ einen Namen gemacht. Laut den Berichten von The Intercept
Brasil [2][soll Richter Moro dem Staatsanwalt Dallagnol mitunter
strategische Tipps für das weitere Vorgehen gegeben haben] – Kritiker*innen
sehen darin eine klare Grenzüberschreitung. Unter Moro wurden mehrere
ehemalige Politiker*innen inhaftiert, darunter auch der brasilianische
Ex-Präsident Luiz Inácio Lula da Silva von der Arbeiterpartei (PT). Lula
konnte somit nicht an den vergangenen Präsidentschaftswahlen teilnehmen,
die der rechtsextreme Jair Bolsonaro für sich entschied.
Wie The Intercept Brasil bereits im Juni erklärte, hatte die Plattform die
Nachrichten etwa einen Monat zuvor aus anonymer Quelle erhalten. Die
Bundesanwaltschaft wirft Greenwald auf Basis eines Gesprächsmitschnitts nun
jedoch vor, dieser Quelle beim Zugriff auf die Nachrichten unterstützt und
orientiert zu haben. Mitunter soll Greenwald der Quelle empfohlen haben,
manche der Nachrichten zu löschen.
Damit widerspricht die Bundesanwaltschaft der brasilianischen
Bundespolizei, welche zuvor nach Ermittlungen zu dem Schluss gekommen war,
[3][dass Greenwald nicht in strafrechtlich relevanten Taten involviert
war]. Mehr noch: Die Bundespolizei beurteilte Greenwalds Aussagen in
besagter Audiodatei als besonders vorbildlichen Umgang mit anonymen
Quellen.
Das oberste Bundesgericht Brasiliens hatte im August auf einen Antrag der
politischen Opposition den Behörden verboten, gegen Greenwald zu ermitteln.
Die Behörden, so das Gericht damals, sollen den durch die brasilianische
Verfassung garantierten Schutz journalistischer Quellen achten. Für Gilmar
Mendes, Richter am obersten Gericht, missachtet die neue Anklage die
Entscheidung vom August.
Das zuständige Gericht muss nun prüfen, ob die Anklage gegen Glenn
Greenwald akzeptiert wird. Auch eine offizielle Antwort des obersten
Gerichts wird erwartet.
## Breite Solidarisierung
Am Mittwochmorgen erklärte Glenn [4][Greenwald gegenüber der
brasilianischen Tageszeitung Folha de S. Paulo], die Anklage sei eine
„riesige Überraschung“ gewesen. Er spricht [5][von einem Angriff auf die
Pressefreiheit]. Auch zahlreiche [6][brasilianische Organisationen haben
die Anklage am Dienstag kritisiert], darunter die Brasilianische
Gesellschaft für Investigativjournalismus (Abraji), der brasilianische
Journalistenverband (Fenaj) und der Brasilianische Presseverband (ABI).
Rodrigo Maia, Präsident der Abgeordnetenkammer in Brasília, erklärte über
Twitter: [7][„Journalismus ist keine Straftat.“]
Der Journalist Glenn Greenwald, der durch die Veröffentlichung der ersten
Snowden-Dokumente bekannt wurde, wird durch seine Arbeit nicht zum ersten
Mal zur Zielscheibe staatlicher Organe in Brasilien. Greenwald, der mit dem
linken Abgeordneten David Miranda verheiratet ist, wurde in den vergangenen
Monaten mehrfach von Bolsonaro und rechten Gruppen attackiert. Nach den
Enthüllungen von The Intercept Brasil im Juni hatten sowohl Greenwald und
Miranda, als auch Mitarbeiter*innen der Webseite [8][konkrete Morddrohungen
erhalten]. Die Seite war seit der Veröffentlichung wiederholt Ziel von
Cyberangriffen.
22 Jan 2020
## LINKS
[1] /Verurteilung-von-Brasiliens-Expraesidenten/!5601698
[2] https://theintercept.com/2019/06/09/chat-moro-deltan-telegram-lava-jato/
[3] https://painel.blogfolha.uol.com.br/2020/01/21/para-pf-nao-ha-evidencia-de-…
[4] https://www1.folha.uol.com.br/podcasts/2020/01/apos-denuncia-de-procurador-…
[5] /Pressefreiheit-in-Brasilien/!5658854
[6] https://www1.folha.uol.com.br/poder/2020/01/entidades-de-imprensa-criticam-…
[7] https://twitter.com/RodrigoMaia/status/1219709129499070469
[8] https://cpj.org/2019/06/glenn-greenwald-intercept-brasil-staff-threatened-.…
## AUTOREN
Simon Sales Prado
## TAGS
Schwerpunkt Pressefreiheit
Brasilien
Glenn Greenwald
Jair Bolsonaro
Brasilien
US-Wahl 2024
Schwerpunkt Rassismus
Lesestück Recherche und Reportage
Luiz Inácio Lula da Silva
Präsidentschaftswahlen Brasilien 2018
## ARTIKEL ZUM THEMA
Brasiliens linker Ex-Präsident: Urteile gegen Lula annulliert
Der Oberste Gerichtshof hebt Korruptionsurteile gegen Brasiliens
Ex-Präsidenten Luiz Ignácio „Lula“ da Silva auf. Er könnte jetzt wieder
kandidieren.
Streit bei US-Investigativplattform: Keine Jagd auf Hunter Biden?
Journalist Glenn Greenwald fühlt sich von „The Intercept“ zensiert. Grund
ist ein Artikel über eine Enthüllungsstory der „New York Post“.
Brasilianische Aktivistin Franco: Symbol des Widerstands
Vor zwei Jahren wurde Marielle Franco ermordet. Doch mit ihrem Einsatz für
Schwarze, Frauen und LGBTQ-Rechte hat sie eine neue Generation politisiert.
Aus der Favela ins Parlament: Das andere, das linke Brasilien
Seit einem Jahr ist der Rechte Jair Bolsonaro Brasiliens Präsident. Der
Parlamentarier David Miranda ist sein Gegenentwurf. Dafür braucht er Mut.
Verurteilung von Brasiliens Expräsidenten: Wurde Lula Opfer eines Komplotts?
Im Prozess gegen Brasiliens Expräsident Lula da Silva sollen sich Richter
und Staatsanwalt abgesprochen haben. Das enthüllt The Intercept.
Aus Le Monde diplomatique: Der große Verrat in Brasilien
Die politischen Eliten im Westen sind schockiert über den Wahlerfolg des
Rechten. Ein autoritäres Regime entsteht aber nicht zufällig.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.