# taz.de -- Verurteilung von Brasiliens Expräsidenten: Wurde Lula Opfer eines … | |
> Im Prozess gegen Brasiliens Expräsident Lula da Silva sollen sich Richter | |
> und Staatsanwalt abgesprochen haben. Das enthüllt The Intercept. | |
Bild: „Lula befreien“ – eine Unterstützerin des Expräsidenten demonstri… | |
BUENOS AIRES taz | Kommt Lula da Silva bald frei? Am Dienstag gab | |
Brasiliens oberstes Gericht die Zulassung des Berufungsantrags des früheren | |
Präsidenten (2003–2010) bekannt. Die obersten Richter wollen prüfen, ob der | |
73-Jährige das Opfer eines politischen Komplotts geworden ist. | |
Sie reagierten damit auf Veröffentlichungen, die mutmaßliche Absprachen | |
zwischen dem damals zuständigen Bundesrichter und der Staatsanwaltschaft | |
belegen sollen. Am Sonntag hatte die Enthüllungsplattform The Intercept | |
[1][Mitschnitte aus Chats, E-Mails sowie Videos und Fotos ins Netz | |
gestellt], die belegen sollen, dass es zwischen dem Bundesrichter Sérgio | |
Moro und dem ermittelnden Staatsanwalt Deltan Dallagnol Absprachen gegeben | |
habe. Moro und Dallagnol hätten zielstrebig dabei auf [2][eine Verurteilung | |
Lulas] hingearbeitet, um dessen Kandidatur bei der Präsidentschaftswahl | |
2018 zu verhindern. | |
Im Klartext ging es demnach nie um ernsthafte Korruptionsermittlungen, | |
sondern einzig und allein darum, den noch immer populären Expräsidenten | |
politisch kaltzustellen. | |
Laut The Intercept habe Moro nicht nur Ermittlungsergebnisse vorgegeben, | |
sondern auch Entscheidungen darüber getroffen, in welche Richtungen | |
ermittelt werden solle. Die Plattform beruft sich dabei auf gleich mit | |
veröffentlichte Dokumente, die Konversationen zwischen Moro und Dallagnol | |
sowie Gespräche unter den Dallagnol zuarbeitenden StaatsanwältInnen | |
beinhalten. | |
## Ein „normaler Vorgang“? | |
So ging es auch darum, dass die Ermittlungen gegen Lula nicht an die Justiz | |
in São Paulo übergeben werden, sondern in Curitiba bleiben und somit in der | |
Zuständigkeit von Bundesrichter Sérgio Moro. Moro selbst, seit Oktober 2018 | |
Brasiliens Justizminister, gibt sich bisher noch gelassen. „Der Richter | |
spricht mit den Staatsanwälten, der Richter spricht mit den Anwälten, der | |
Richter spricht mit der Polizei, das ist normal“, sagte er der | |
brasilianischen Tageszeitung Folha de São Paulo. | |
Prompt nannte auch Deltan Dallagnol Gespräche zwischen Richtern und | |
Anwälten einen „normalen Vorgang“ und sprach von einer | |
„Verschwörungstheorie ohne jede Grundlage“. | |
Ganz anders dagegen Lulas Anwalt Cristiano Zanin. Für Zanin enthülle der | |
von The Intercept veröffentlichte Bericht die Einzelheiten genau jener | |
politischen Verschwörung, die man immer angeprangert habe. Der Anwalt | |
verwies auf Artikel 254 des Strafgesetzbuchs, wonach der Richter im | |
vorliegenden Fall „eine der Parteien unterrichtet“ hat, die in den Prozess | |
involviert sind. | |
Moro hatte Lula 2017 zu einer mehr als neunjährigen Haftstrafe verurteilt. | |
Vorausgegangenen war ein Gerichtsverfahren, in dem die Staatsanwaltschaft | |
ihre Anklage lediglich auf Indizien stützten konnte. Diese sollten | |
beweisen, dass Lula dem brasilianischen Baukonzern OSA überteuerte Aufträge | |
des halbstaatlichen Ölkonzerns Petrobras zugeschanzt hatte. Als | |
Gegenleistung dafür soll Lula eine Luxuswohnung erhalten haben. | |
## Erst der Anfang der Enthüllungen | |
Lula hatte die Vorwürfe stets bestritten und sprach schon damals von einer | |
politischen Verfolgung, mit der seine Kandidatur bei der | |
Präsidentschaftswahl verhindert werden sollte. Lula hatte in allen Umfragen | |
als aussichtsreichster Kandidat vorn gelegen. Nach der Bestätigung des | |
Urteils in mehreren Instanzen musste er auf eine Kandidatur verzichten. | |
Die Wahl gewann schließlich der rechtsextreme Jair Bolsonaro. Der hatte | |
während des Wahlkampfes die Hoffnung geäußert, Lula werde „im Gefängnis | |
verrotten“. Nach Bolsonaros Wahlsieg hatte Moro überraschend das Amt des | |
Justizministers übernommen. Lulas Anhänger hatten den Bundesrichter stets | |
wegen einseitig gegen die Arbeiterpartei PT gerichteter Ermittlungen | |
kritisiert. Anderen galt er hingegen als konsequenter Verfolger von | |
Korruptionsdelikten. | |
Die jetzigen Veröffentlichungen zu den Ermittlungen gegen Lula seien erst | |
der „Anfang dessen, was wir anhand des enormen Materials über ihn [Moro] | |
und die Ermittler, mit denen er unethisch zusammenarbeitete, aufdecken | |
werden“, twitterte Intercept-Gründer Glenn Greenwald am Sonntag. Die | |
Unterlagen stammen aus den Jahren 2015 bis 2017. Darüber, wie sie in den | |
Besitz von The Intercept gelangten, machte die Enthüllungsplattform keine | |
Angaben. | |
Greenwald lebt in Brasilien, dem Heimatland seines Lebensgefährten. Er war | |
2013 bekannt geworden, als er, damals noch für den britischen Guardian, | |
gemeinsam mit anderen Journalisten Berichte des ehemaligen Mitarbeiters des | |
US-Geheimdienstes NSA, Edward Snowden, veröffentlichte. | |
11 Jun 2019 | |
## LINKS | |
[1] https://theintercept.com/2019/06/09/brazil-archive-operation-car-wash/ | |
[2] /Praesidentschaftswahl-Brasilien/!5526478 | |
## AUTOREN | |
Jürgen Vogt | |
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