# taz.de -- Bauernverbandschef über Proteste: „Für viele gehört Fleisch da… | |
> Landwirte sollen nicht weniger Tiere halten, meint Bauernverbands-Chef | |
> Rukwied. Sie sollen mehr Strom aus Gülle produzieren, um Treibhausgas | |
> einzusparen. | |
Bild: Maschinen statt Menschen: Die Milchkuh hat sich daran gewöhnt | |
taz am wochenende: Herr Rukwied, viele Agrarwissenschaftler sagen, dass wir | |
[1][weniger tierische Lebensmittel] konsumieren müssen, wenn Deutschland | |
seine Klimaziele erreichen soll. Warum lehnen Sie es trotzdem ab, weniger | |
Tiere zu halten? | |
Joachim Rukwied: In der Klimastrategie 2.0 unseres Verbands steht, dass wir | |
bis zum Jahr 2030 die Emissionen, basierend auf 1990er Werten, um 30 | |
Prozent reduzieren wollen. Das haben wir auch konkret unterlegt mit | |
Maßnahmen. Beispielsweise wollen wir statt wie bisher rund 20 künftig 60 | |
Prozent der Gülle in Biogasanlagen verwerten. | |
Glauben Sie, dass das reicht? Zwei Drittel der Emissionen im Zusammenhang | |
mit Ernährung entstehen wegen tierischer Produkte. | |
Für uns ist ganz wichtig, dass Verbraucherinnen und Verbraucher selbst | |
entscheiden, was sie essen. Und für viele gehört Fleisch dazu. | |
Für die meisten Experten geht es nicht darum, kein, sondern weniger Fleisch | |
zu essen. Soll der Staat dafür werben? | |
Information über richtige Ernährung ist sehr wichtig. Dafür sprechen wir | |
uns auch aus. Das sollte in Schulen beginnen. | |
Fachleuten genügt das nicht. Sie empfehlen zusätzlich, tierische Produkte | |
durch eine [2][höhere Mehrwertsteuer], Tierschutzsteuer oder einen | |
[3][CO2-Aufpreis] zu verteuern. Für Ökobauern oder einkommenschwache | |
Haushalte könnte man einen Ausgleich vorsehen. Gute Idee? | |
Das würde gerade die wirtschaftlich Schwachen treffen. Muss dann der | |
Hartz-IV-Empfänger mit seinem Hartz-IV-Bescheid oder ein | |
Einkommensschwacher mit seinem Einkommensteuerbescheid an die Ladentheke | |
gehen? Das wäre Bürokratie, die nicht umsetzbar ist. | |
Für Hartz-IV-Empfänger könnte man den Lebensmittelsatz erhöhen, andere Arme | |
könnten steuerlich entlastet werden. Das ist doch nicht sehr kompliziert, | |
oder? | |
Das bedeutete auch zusätzliche Bürokratie. Die Verbraucher sollen selbst | |
entscheiden. Wichtig ist für mich eine gesunde, ausgewogene Ernährung. | |
Aber seit Jahrzehnten essen Männer im Schnitt ungefähr doppelt so viel | |
Fleisch, wie von Ernährungswissenschaftlern empfohlen. | |
Das sollte man über Wissensvermittlung auf den Weg bringen, nicht über | |
irgendwelche Vorgaben. | |
Der Bauernverband Schleswig-Holstein hat auf seiner Facebook-Seite | |
Argumente von [4][Leugnern des menschengemachten Klimawandels] zitiert. Was | |
unternehmen Sie dagegen? | |
Der Klimawandel ist offensichtlich. Diesen Punkt brauchen wir nicht zu | |
diskutieren. Der Weltklimarat sagt, dass der menschliche Einfluss die | |
Hauptursache ist. Ich vertraue auf die Wissenschaft. | |
Dann fragt man sich, warum einer Ihrer Landesverbände Leute zitiert, die | |
das abstreiten. | |
Unsere Position als Deutscher Bauernverband habe ich hinlänglich erläutert. | |
Auch Sie sagen meistens nur, dass die Landwirtschaft 7 Prozent der | |
Treibhausgase in Deutschland verursache. Sie unterschlagen durch die | |
Landwirtschaft bedingte Emissionen in anderen Teilen der Klimabilanz, etwa | |
für die Nutzung von Mooren als Äcker, für Dünger und Pestizide. Mit diesem | |
Ausstoß kommen Forscher auf ungefähr [5][14 Prozent] für die | |
Landwirtschaft. Versuchen Sie, die Öffentlichkeit zu täuschen? | |
Die große Fragestellung für uns ist: Was können wir tun, um die Emissionen | |
zu reduzieren? Daran müssen wir arbeiten und nicht darüber diskutieren, ob | |
das jetzt 7 oder 8 oder 9 Prozent sind. | |
Warum gehen Sie nicht gegen Hauptverursacher des Klimawandels wie den | |
Kohlekonzern RWE vor? | |
Unsere Aufgabe ist, die Landwirtschaft klimafreundlicher zu gestalten, | |
nicht die Auseinandersetzung mit anderen Wirtschaftsbereichen. | |
Greenpeace hat Bauern geholfen, die Bundesregierung wegen ihrer | |
Klimapolitik zu verklagen. Aus Ihren Reihen wurde kritisiert, dass Medien | |
prominent über diesen Prozess berichteten. Vertreten Sie da noch die | |
Interessen der Landwirte? | |
Wir vertreten die Interessen unserer Bauern. Der Großteil der Landwirte ist | |
freiwillig in Mitgliedsorganisationen des Deutschen Bauernverbands. | |
Eine reformierte Düngeverordnung soll künftig Grundwasser und Klima besser | |
vor potenziell umwelt- und gesundheitsschädlichem Nitrat aus | |
Stickstoffdüngern schützen. Wie finden Sie den Entwurf der Bundesregierung, | |
wonach Bauern in besonders nitratgefährdeten Gebieten mit 20 Prozent | |
weniger Stickstoff düngen müssen als bisher? | |
Sauberes Wasser hat höchste Priorität. Wir haben Regionen, in denen | |
Handlungsbedarf besteht. Die Frage ist, ob die jetzt angedachten | |
Verschärfungen zu saubererem Wasser und geringeren Nitratgehalten führen. | |
Bei der Düngung 20 Prozent unter dem Bedarf der Pflanze sehen wir das als | |
nicht gegeben. Das wäre, wie wenn Sie ein Kind ständig ein Stück weit | |
hungern lassen würden. | |
Was sagen Sie zu dem Einwand, Pflanzen würden auch mit 20 Prozent weniger | |
Stickstoffdünger wachsen, aber eben langsamer? | |
Wir entnehmen ja Bodenproben, und aufgrund des festgestellten Nitratgehalts | |
und des erwarteten Ertrags der Pflanze wird der Düngebedarf ermittelt. Wenn | |
ich dann zu dem Ergebnis komme, dass die Pflanze x Kilogramm Stickstoff | |
braucht und dies auch dem Boden entzieht, sprich in der Bilanz null ist, | |
dann stelle ich zu Recht die Frage, warum ich die Pflanze hungern lassen | |
soll und nur 80 Prozent des Düngebedarfs düngen darf. | |
Nach Bedarf gedüngt wird offiziell schon lange. Allen Statistiken zufolge | |
aber wird mehr Stickstoff ausgebracht, als die Pflanzen aufnehmen. | |
Wir haben Regionen, die sogenannten roten Gebiete, in denen die | |
Nitratgehalte im Grundwasser zu hoch sind. Hier gilt es, diese zu | |
reduzieren. Da wirkt auch die Düngeverordnung von 2017 schon. Der Verbrauch | |
von stickstoffhaltigen Mineraldüngern sinkt. Wir haben in einigen Regionen | |
auch einen verstärkten Rückgang der Viehhaltung. Wir sind beim | |
Gewässerschutz schon auf dem richtigen Wege. | |
Wie glaubwürdig ist Ihr Verband in dieser Frage noch, nachdem er jahrelang | |
behauptet hat, die Düngeverordnung von 2006 sei ausreichend, was eindeutig | |
falsch war? | |
Ich habe im Hinblick auf die Problemgebiete sehr deutlich auch gegenüber | |
meinen Berufskollegen artikuliert, dass wir hier Hausaufgaben zu erledigen | |
haben. | |
Die Landwirtschaft hat schon vor den nun geplanten Verschärfungen | |
ökonomische Probleme. Jährlich nimmt die Zahl der Betriebe nach Ihren | |
Schätzungen [6][um 2,5 Prozent ab]. Was schlagen Sie da vor? | |
Am besten kann man entgegenwirken, indem man als Verbraucherin und | |
Verbraucher heimische Qualitätsprodukte kauft und ein bisschen mehr | |
ausgibt. Das bietet dann auch Perspektiven für unsere Landwirte. | |
Dieser Appell ist alt und hat nicht viel gebracht. Warum unterstützen Sie | |
nicht den Vorschlag, dass die Landwirte Organisationen gründen, die zum | |
Beispiel das Angebot von Rohmilch reduzieren, wenn die Preise sehr stark | |
verfallen? | |
Bei Milch sind wir dabei, eine Sektorstrategie auf den Weg zu bringen. | |
Bündelung des Angebots ist ein Punkt. Fakt ist allerdings auch, dass wir in | |
offenen Märkten wirtschaften und unser Preis sich auch im Kontext der | |
globalen Situation bildet. | |
Die EU hat die Importe etwa von Milchprodukten durch Zölle sehr stark | |
begrenzt. | |
Die EU hat sich schon vor zwei Jahrzehnten dafür entschieden, die | |
Agrarmärkte zu liberalisieren, also Exportsubventionen abzuschaffen und | |
Importzölle für viele Handelspartner zu reduzieren. Wir haben auch eine | |
hohe Marktdurchdringung bei Milchprodukten in Europa, weil wir eine | |
entsprechende europäische Erzeugung haben und Unternehmen, die hier | |
qualitativ hochwertige Milchprodukte insbesondere auch für den heimischen | |
europäischen und deutschen Markt herstellen. | |
Sie sind gegen das Handelsabkommen der EU mit den südamerikanischen | |
Mercosur-Staaten, weil es mehr Fleischimporte ermöglichen würde. Aber für | |
die Verträge mit Japan und Kanada (Jefta und Ceta), weil sie mehr | |
Milchexporte in diese Länder erlauben. Warum sind Sie mit Ihren | |
Berufskollegen dort nicht solidarisch? | |
Wir als Bauernverband sind grundsätzlich offen, was Handel anbelangt. Das | |
Mercosur-Abkommen würde aber unfaire Bedingungen festlegen. In Südamerika | |
werden Produkte etwa mit Pflanzenschutzmitteln hergestellt, die bei uns zu | |
Recht verboten sind. | |
Auch in Kanada sind Pestizide zugelassen, die bei uns schon verboten sind. | |
Kanada hat ähnliche Umwelt- und Verbraucherschutzstandards wie die EU. | |
Anders in Brasilien: Dort hat die Regierung erklärt, verbotene | |
Pflanzenschutzmittel wieder zulassen zu wollen. Es fehlt uns auch das | |
Vertrauen, dass die Zusagen im Wald- und Klimaschutz tatsächlich | |
eingehalten werden. | |
18 Jan 2020 | |
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[1] /Erwarteter-Klimaplan-der-Bundesregierung/!5626718/ | |
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[3] /CO2-Steuer-auf-Fleisch/!5646394/ | |
[4] /Bauernproteste-gegen-Umweltauflagen/!5642349/ | |
[5] https://www.maiskomitee.de/web/upload/pdf/zm/com0309.pdf | |
[6] https://www.bauernverband.de/situationsbericht-19/3-agrarstruktur/33-betrie… | |
## AUTOREN | |
Jost Maurin | |
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